TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/5 2003/01/0543

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Veröffentlicht am 05.11.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
StGB §105 Abs1;
StGB §15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde 1. des EO, 2. der EO und 3. der mj. EO, alle in G, alle vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 1. September 2003, Zl. FA7C - 11-17048/2002-22, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie steht Folgendes fest:

Die Beschwerdeführer (Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet, die Drittbeschwerdeführerin ist ihre gemeinsame Tochter) sind nigerianische Staatsangehörige. Sie beantragten die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (Erstbeschwerdeführer) bzw. die Erstreckung der Verleihung (Zweit- und Drittbeschwerdeführerin). Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Anträge gemäß § 10 Abs. 1 Z 6, § 11 und §§ 16, 17 und 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Der Erstbeschwerdeführer habe (zwar) seit 18. März 1992 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet. Er sei (jedoch) am 13. Dezember 1993 vom Bezirksgericht H wegen § 127 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer einmonatigen Freiheitsstrafe und am 13. Juni 2002 vom "Landesgericht G" wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dieser letzten strafgerichtlichen Verurteilung liege zugrunde, dass er am 11. März 2002 jemanden durch die wiederholte Ankündigung "I kill you. Gib uns das Geld, oder ich bring dich um", sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper, zu einer Handlung, und zwar zur Ausbezahlung des restlichen Lohns an die Zweitbeschwerdeführerin, zu nötigen versucht habe. Im Hinblick darauf, insbesondere auf Grund des Vorfalls vom 11. März 2002, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zu sein, weshalb das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliege. Wenngleich der 1993 erfolgten Verurteilung nur ein geringes Gewicht beigemessen werde, sei doch zu berücksichtigen, dass der Erstbeschwerdeführer bereits zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Sein Fehlverhalten, welches in einem Fall erst eineinhalb Jahre zurückliege, habe sich gegen verschiedene Rechtsgüter gerichtet und könne jedenfalls zum Teil nicht als bloß geringfügig abgetan werden.

Selbst unter der Annahme, dass der Erstbeschwerdeführer sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, käme eine positive Erledigung seines Verleihungsantrages - so die belangte Behörde weiter - nicht in Betracht, weil die dann vorzunehmende Ermessensübung nicht zu seinen Gunsten ausfallen könne. Wohl sei für den Erstbeschwerdeführer positiv zu werten, dass er seit mehr als zehn Jahren in Österreich lebe, dass sich seine Ehegattin (die Zweitbeschwerdeführerin) ebenfalls seit Dezember 1996 in Österreich aufhalte und dass das gemeinsame Kind (die Drittbeschwerdeführerin) hier geboren worden sei. Außerdem arbeite der Erstbeschwerdeführer seit März 2001 bei dem selben Arbeitgeber. Zu seinen Lasten sei jedoch zu berücksichtigen, dass er bereits zweimal verurteilt worden sei und dass das den Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen und des allgemeinen Wohls darstelle, was insgesamt schwerer wiege als das "gegebene Ausmaß" seiner Integration. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer komme daher nicht in Betracht, weshalb auch die damit verbundenen Erstreckungsanträge abzuweisen seien.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass der Erstbeschwerdeführer zweimal strafgerichtlich verurteilt worden ist. Es wird auch nicht in Abrede gestellt, dass seiner letzten Verurteilung das im bekämpften Bescheid näher dargestellte Fehlverhalten vom 11. März 2002 (siehe dazu oben) zugrunde liegt. Die Beschwerdeführer wenden jedoch ein, dass die Verurteilung aus dem Jahr 1993 bereits getilgt sei, dass jene aus dem Juni 2002 der beschränkten Auskunft unterliege und dass der Erstbeschwerdeführer jedenfalls nur geringfügige Delikte zu verantworten habe, sodass insgesamt eine abschlägige Entscheidung nicht hätte getroffen werden dürfen.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass sowohl in die Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG als auch in die Ermessensübung solche strafbare Handlungen miteinbezogen werden dürfen, bei denen die Strafe bereits getilgt ist (vgl. einerseits das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 99/01/0415, bzw. andererseits jenes vom 11. März 1998, Zl. 97/01/0662). Können aber sogar getilgte gerichtliche Verurteilungen als Grundlage für die jeweils vorzunehmende Bewertung herangezogen werden, so muss dies umso mehr für noch nicht getilgte, lediglich einer beschränkten Auskunft unterliegende Straftaten gelten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 97/19/0787). Einer Bedachtnahme auf die strafbaren Handlungen des Erstbeschwerdeführers stand demnach nichts im Weg. Was die Verurteilung aus dem Jahr 1993 anlangt, so hat es die belangte Behörde allerdings unterlassen, das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten näher darzustellen. Das fällt jedoch deshalb nicht maßgeblich ins Gewicht, weil die belangte Behörde (zu Recht) den Vorfällen aus dem Jahr 1993 nur untergeordnete Bedeutung beimaß und primär auf die strafbare Handlung aus dem Jahr 2002 abstellte. Die Auffassung, dass es sich dabei nur um ein "geringfügiges Delikt" gehandelt habe, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Davon ausgehend kann der belangten Behörde aber nicht entgegen getreten werden, wenn sie unter Bezugnahme auf das letzte Fehlverhalten des Erstbeschwerdeführers (unter Berücksichtigung dessen, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall gehandelt hat) negative Rückschlüsse auf sein Persönlichkeitsbild gezogen hat. Ob sie dabei zu der Annahme gelangen durfte, dieses Persönlichkeitsbild sei so beschaffen, dass der Erstbeschwerdeführer keine Gewähr dafür biete, weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darzustellen noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen zu gefährden, sodass das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben sei, braucht hier nicht geprüft zu werden. Wohl ging die belangte Behörde davon aus, dass einer Verleihung der Staatsbürgerschaft dieses Einbürgerungshindernis entgegen stehe, doch brachte sie eventualiter zum Ausdruck, auch bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen das ihr dann offen stehende Ermessen im Hinblick auf das strafrechtliche Fehlverhalten des Erstbeschwerdeführers nicht zu seinen Gunsten üben zu können. Jedenfalls hierin vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erkennen, zumal das im bekämpften Bescheid näher beschriebene Fehlverhalten vom März 2002, wie die belangte Behörde richtig aufgezeigt hat, bei Erlassung des bekämpften Bescheides erst eineinhalb Jahre zurück lag. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die konkret verhängte Freiheitsstrafe gerade noch unter der Schwelle des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG (gemäß dieser Bestimmung schließt eine wegen einer Vorsatztat erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten die Verleihung der Staatsbürgerschaft jedenfalls aus) liegt, sodass im vorliegenden Fall auch von daher eine maßgebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen anzunehmen ist. Jedenfalls vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass der belangten Behörde, die in ihre Beurteilung richtigerweise die für eine Integration des Erstbeschwerdeführers sprechenden Umstände einbezogen hat, ein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden könnte.

Schon die bisherigen Ausführungen zeigen, dass der in der Beschwerde gerügte Begründungsmangel nicht vorliegt und dass von einer "willkürlichen Ermessensentscheidung" keine Rede sein kann. Es ist aber auch nicht zu sehen, inwieweit der belangten Behörde mit Erfolg Ermittlungsfehler vorgeworfen werden könnten, zumal die Beschwerde nicht aufzeigt, welche konkreten, für eine Einbürgerung sprechenden Umstände weitere Ermittlungsschritte (insbesondere die vermissten Einvernahmen der Beschwerdeführer) erbracht hätten. Was schließlich den Einwand anlangt, dass die Beschwerdeführer bereits bei Antragstellung mit einer allfälligen abschlägigen Entscheidung hätten konfrontiert werden müssen, so kann der Hinweis genügen, dass der Umstand, dass bereits bei Antragstellung die mangelnden Erfolgsaussichten eines Begehrens erkennbar sind, nicht zur Rechtswidrigkeit einer dann in diesem Sinn ergangenen Entscheidung führen kann. Insgesamt lässt somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 5. November 2003

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003010543.X00

Im RIS seit

03.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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