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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Wortes "Fachhochschulen" und der Wortfolge "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" in §1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zuordnung der Bezüge von Lehrbeauftragten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, BGBl. II 287/1997, (LehrbeauftragtenV), mit E v 15.06.00, V102/99.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Beschwerdeführer ist Steuerberater und Rechtsanwalt. Zwischen ihm und dem Technikum Kärnten - Verein zur Errichtung der Fachhochschule Kärnten ist ein befristeter Vertrag über eine Lehrtätigkeit im Rahmen des Studienlehrganges "Kommunales Management" abgeschlossen worden.
Über Antrag des Beschwerdeführers erließ die Kärntner Gebietskrankenkasse einen Bescheid, mit dem festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Lehrtätigkeit "gemäß §4 Abs2 ASVG der Pflichtversicherung in der Vollversicherung gemäß §4 Abs1 Z. 1 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß §1 Abs1 lita AlVG" unterliegt. Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmanns von Kärnten, die gegen den Einspruchsbescheid erhobene Berufung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich bei Erlassung ihres Bescheides auf §4 Abs2 letzter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 139/97, wonach als Dienstnehmer jedenfalls auch gilt, wer gemäß §47 Abs1 und 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist und auf die Verordung des Bundesministers für Finanzen vom 30. September 1997, BGBl. II Nr. 287/1997, über die Zuordnung der Bezüge von Lehrbeauftragten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
3. Aus Anlaß eines anderen Beschwerdeverfahrens waren beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Wortes "Fachhochschulen" und der Wortfolge "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" in §1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zuordnung der Bezüge von Lehrbeauftragten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, BGBl. II Nr. 287/1997 entstanden, weshalb er von amtswegen ein Verordnungsprüfungsverfahren zur Prüfung dieser Wortfolgen einleitete.
Mit Erkenntnis vom 15.6.2000, V102/99, hob der Verfassungsgerichtshof das Wort "Fachhochschulen" und die Wortfolge "oder ähnliche Bildungseinrichtungen" als gesetzwidrig auf.
4. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren
(vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).
Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren fand am 15.6.2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 16.3.2000 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides das als gesetzwidrig aufgehobene Wort bzw. die als gesetzwidrig aufgehobenen Wortteile der mehrfach erwähnten Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflußt wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B555.2000Dokumentnummer
JFT_09999374_00B00555_00