TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/7 2002/18/0132

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Veröffentlicht am 07.11.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §36 Abs4;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geboren 1960), vertreten durch Mag. Michael Radasztics, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Februar 2002, Zl. SD 705/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Februar 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 und 8 iVm Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer lasse in seiner Berufung die Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde unberührt. Danach sei er am 25. Juli 2001 gemeinsam mit zwei Landsleuten in Wien 16., betreten worden, wie er für eine Reinigungsfirma Reinigungsarbeiten habe durchführen wollen. In der Niederschrift vom 27. Juli 2001 (Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissaritat Ottakring) habe er auch zugestanden, für jene Firma gearbeitet zu haben, und dass ferner (als Lohn) S 70,-- (EUR 5,09) pro Stunde vereinbart gewesen wäre. Das Arbeitsmarktservice Wien habe über Anfrage bestätigt, dass der Beschwerdeführer hiefür eine Beschäftigungsbewilligung benötigt hätte, über die er jedoch nicht verfügt habe. Ebenso sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer weder über einen Reisepass noch einen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel für Österreich verfügt habe und unrechtmäßig von Deutschland nach Österreich gelangt sei.

Da der Beschwerdeführer überdies lediglich im Besitz von S 70,-- (EUR 5,09) an Barmitteln gewesen sei, und auch im Berufungsverfahren nicht habe glaubhaft machen können, dass er über die erforderlichen Unterhaltsmittel verfügt hätte, habe die Erstbehörde zu Recht festgestellt, dass nicht nur der im § 36 Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 FrG, sondern auch der im § 36 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Es seien daher die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer sei ledig und für drei Kinder sorgepflichtig, seine Familie lebe in Jugoslawien. Familiäre Bindungen bestünden (laut Berufung) lediglich zu seiner in Österreich lebenden Schwester, bei der der Beschwerdeführer auch wohnhaft gewesen sei. In der mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 25. Juli 2001 (Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro) habe der Beschwerdeführer hingegen angegeben, bei einer Cousine zu wohnen. Sofern daher angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen sei, sei dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und eines geregelten Arbeitsmarktes - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein ebenso hoher Stellenwert zu wie den ausländerbeschäftigungsrechtlichen Regelungen betreffend den Arbeitsmarkt. Gegen diese Interessen habe der Beschwerdeführer jedoch maßgeblich verstoßen. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch angesichts der Kürze und Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts als außerordentlich gering. Selbst bei der Annahme einer völligen Integration seiner Schwester (obwohl der Beschwerdeführer diese Schwester weder bezeichnet noch Angaben über deren Aufenthaltsrecht bzw. Integrationsausmaß gemacht habe) erweise sich das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet als gering. Dem stehe maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und Arbeitsmarktes gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und von diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig. Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben.

Da darüber hinaus keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhalts von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Vor Ablauf dieser Frist könne im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers einerseits und die dargelegten familiären Umständen andererseits nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass sich die Ausführungen der belangten Behörde primär auf die (auch im angefochtenen Bescheid erwähnte) Niederschrift vom 25. Juli 2001 stützten. Nach "Angaben der Schwester des Beschwerdeführers" hätte dieser aber bei der Erstellung der Niederschrift "selbst überhaupt nicht gewusst, was er mit seiner Unterschriftsleistung" bestätigt hätte, die Schwester des Beschwerdeführers habe auch angegeben, es wäre ihres Wissens der Inhalt der Niederschrift dem Beschwerdeführer gar nicht übersetzt worden, tatsächlich hätte der Beschwerdeführer überhaupt keine Arbeiten geleistet.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil es sich um ein erstmals in der Beschwerde erstattetes Vorbringen und demnach um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf dem Boden der von der belangten Behörde diesbezüglich getroffenen maßgeblichen Feststellungen vorzunehmen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Danach hat der Beschwerdeführer - was vom Arbeitsmarktservice auf Anfrage bestätigt wurde - eine im bekämpften Bescheid näher beschriebene Tätigkeit ausgeübt, ohne hiezu nach dem AuslBG befugt zu sein (vgl. oben I.1.). Auf dem Boden dieser Feststellungen besteht gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 FrG erfüllt seien, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat sich nicht gegen die Feststellung gewendet, dass er bei seiner Anhaltung am 25. Juli 2001 lediglich im Besitz von S 70,-- an Barmitteln gewesen sei, und ferner nicht die Annahme der belangten Behörde bekämpft, im Verwaltungsverfahren nicht glaubhaft gemacht zu haben, dass er über die erforderlichen Unterhaltsmittel verfüge. Von daher erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall auch die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt seien, als unbedenklich.

1.2. Durch die genannte unerlaubte Tätigkeit hat der Beschwerdeführer das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von gegen die Regelungen des AuslBG erbrachter Arbeit ("Schwarzarbeit", vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 99/18/0388, mwH) gravierend beeinträchtigt. Weiters besteht vorliegend auch eine aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 2003/18/0059, mwH). Schließlich hat der Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen, dass er über keinen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel für Österreich verfüge. Dadurch hat er dem im Licht des Art. 8 Abs. 2 EMRK einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften zuwider gehandelt (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis Zl. 99/18/0388). Vor diesem Hintergrund kann die Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. Gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG vorgenommene Beurteilung führt die Beschwerde Folgendes ins Treffen: Der Beschwerdeführer wohne bei seiner Schwester, die sich bereits seit vielen Jahren rechtmäßig im Inland aufhalte. Durch das verhängte Aufenthaltsverbot werde nachhaltig in des Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die belangte Behörde habe die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG fehlerhaft durchgeführt, es komme nach dieser Bestimmung nämlich nicht nur auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden selbst an, sondern auch jenes seiner Familienangehörigen. Die Schwester des Beschwerdeführers sei bereits seit längerer Zeit in Österreich vollständig integriert. Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Schwester bestünden intensive familiäre Bindungen, was schon allein daraus ersichtlich sei, dass sich diese intensiv um das Wohlergehen ihres Bruders kümmere, und - weil sie selbst auch der deutschen Sprache mächtig sei - Kontakt zu den Behörden unterhalte, um eine Klärung der rechtlichen Situation ihres Bruders herbeiführen zu können. Die belangte Behörde hätte erheben müssen, wie stark die Intensität der familiären Bindungen tatsächlich sei und welchen Grad der Integration die Schwester des Beschwerdeführers erreicht habe. Dann hätte sie zur Auffassung gelangen müssen, dass die Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfalle, sodass kein Aufenthaltsverbot hätte verhängt werden dürfen.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach der Beschwerde reiste der Beschwerdeführer "im Juli 2001 illegal in das Bundesgebiet" ein. Angesichts des somit noch sehr kurzen Aufenthalts des Beschwerdeführers bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Dauer von etwas mehr als sieben Monaten sind die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich - auch unter Berücksichtigung seiner familiären Bindungen als gering einzustufen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn es zuträfe, dass seine Schwester hier schon lange aufhältig sei und er bei ihr wohne. Diesen persönlichen Interessen steht das besagte, auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gegründete große öffentliche Interesse (vgl. oben II.1.3.) an der Verhängung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme gegenüber. Angesichts dieses Gesamtfehlverhaltens hat die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist, erweist sich dieses doch zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf den Gebieten des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes - dringend geboten. Im Hinblick auf diese gewichtigen öffentlichen Interessen an der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbots und die nur schwach ausgeprägten gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erweist sich auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an der Verhängung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 2 FrG, als unbedenklich.

3. Da dem angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel nicht anhaften, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 7. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180132.X00

Im RIS seit

05.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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