Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/18/0303Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, 1. über den Antrag des N, geboren 1981, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Juli 2003, Zl. St-150/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, und
2. in dieser Beschwerdesache den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die am 12. September 2003 zur Post gegebene Beschwerde, in der u.a. vorgebracht wurde, dass ihm der Bescheid am 28. Juli 2003 zugestellt worden sei.
3. Mit hg. Verfügung vom 17. September 2003 (zugestellt am 23. September 2003) wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass auf Grund des Beschwerdevorbringens von der Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde auszugehen sei, und ihm Gelegenheit geboten, zu dieser Annahme binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
4. Mit dem vorliegenden, am 6. Oktober 2003 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 29. September 2003 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen, und brachte dazu vor, dass der angefochtene Bescheid der Kanzlei seiner Rechtsvertreter am 28. Juli 2003 zugestellt, von deren Sekretärin mit dem Eingangsstempel versehen und der Konzipientin noch am selben Tag auf den Schreibtisch gelegt worden sei. Üblicherweise seien die Frist und der Termin von der langjährigen und äußerst verlässlichen Sekretärin sofort in den Eingangsstempel und in den Kalender eingetragen worden. In der mehr als 20-jährigen Tätigkeit der Sekretärin bei den Beschwerdevertretern habe sie noch niemals die Eintragung einer Frist versäumt oder eine Frist falsch eingetragen, und es habe daher die Konzipientin auf die richtige Eintragung der Frist vertrauen können. Die Sekretärin, die seit vielen Jahren in der Kanzlei angestellt, bestens geschult und als durchaus zuverlässig und genau anzusehen sei, sei auf Grund der urlaubsbedingten Abwesenheit einer weiteren Sekretärin (Ende Juli 2003) überfordert gewesen. Nur so sei es zu erklären, dass sie am 28. Juli 2003 die Frist im Eingangsstempel und im Kanzleikalender versehentlich falsch eingetragen habe. Dieser Irrtum, der in weiterer Folge zur Fristversäumung geführt habe, sei als unabwendbares Ereignis anzusehen und stelle eine entschuldbare Fehlleistung dar, dies insbesondere unter dem Aspekt, dass die zuständige Angestellte seit Jahren stets verlässlich gearbeitet habe, entsprechend angewiesen, geschult und kontrolliert worden sei. Es sei ihr auch zum damaligen Zeitpunkt trotz ihrer Überlastung kein wie immer gearteter weiterer Fehler unterlaufen. Sowohl für den Beschwerdeführer als auch für seine Vertreterin sei es unvorhersehbar und unabwendbar gewesen, dass dieses bisher einmalige Versehen der Angestellten zu einer unrichtigen Fristeintragung geführt habe.
II.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Versäumung der Beschwerdefrist auf einen Fehler der bestens geschulten und durchaus zuverlässigen Sekretärin der Beschwerdevertreter zurückzuführen sei.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss den Kanzleibetrieb so organisieren, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen ist auch dann gegeben, wenn die mit der Führung des Fristenvormerks betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. Art und Intensität der vom Rechtsanwalt insoweit ausgeübten Kontrolle sind im Wiedereinsetzungsantrag darzutun. (Vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 24. Februar 2000, Zl. 99/21/0218, mwN.)
Dieser Darlegungspflicht wurde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Vielmehr begnügt sich der Wiedereinsetzungsantrag diesbezüglich mit der Behauptung, dass die zuständige Angestellte der Beschwerdevertreter "entsprechend kontrolliert" worden sei. Wie das Kontrollsystem der Beschwerdevertreter im Einzelnen beschaffen sei, damit im Regelfall eine richtige Vormerkung der Fristen erfolge, wird hingegen nicht ausgeführt.
Darüber hinaus wurde laut den Antragsbehauptungen der angefochtene Bescheid von der Sekretärin, die am 28. Juli 2003 die Frist im Eingangsstempel und im Kanzleikalender (falsch) eingetragen hat, noch am selben Tag der Konzipientin auf den Schreibtisch gelegt, die auf die richtige Eintragung der Frist vertraut hat. Ein Rechtsanwalt - oder sein von ihm beauftragter Vertreter - darf jedoch die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin oder einer anderen Sekretärin überlassen, sondern hat selbst die entsprechende Frist festzusetzen und ihre Vormerkung anzuordnen (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 71 Abs. 1 AVG E 43, 44 zitierte hg. Judikatur). Der Umstand, dass die Konzipientin auf die richtige Fristeintragung vertraut und somit keine Überprüfung der im genannten Eingangsvermerk vorgenommenen Fristberechnung durchgeführt hat, stellt ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden der Konzipientin, das den Beschwerdevertretern zuzurechnen ist, dar.
3. Demzufolge war der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
4. Ferner war die Beschwerde, weil diese dem Beschwerdevorbringen zufolge erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist (vgl. § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG) zur Post gegeben wurde, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 7. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180249.X00Im RIS seit
05.01.2004