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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §35 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1984, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Anwaltssocietät in 4020 Linz, Harrachstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Juli 2003, Zl. St-94/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 8. September 1992 in Österreich auf und sei im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck.
Am 30. September 2002 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Suchtmittelgesetz (SMG), § 15 StGB, § 28 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon acht Monate unbedingt, verurteilt worden. Das Urteil sei am 4. Oktober 2002 in Rechtskraft erwachsen.
Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von März bis Dezember 2001 gewerbsmäßig Suchtgift in großen Mengen - mehr als 15.000 Stück Ecstasy-Tabletten, etwa 45 kg Marihuana, 540 Gramm Speed, 25 Gramm Kokain und 13 Gramm Heroin - dadurch in Verkehr gesetzt habe, dass er das Suchtgift an eine große Anzahl von Abnehmern verkauft habe. Im Mai 2001 habe er Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten, mit dem Vorsatz erwerben wollen, dass es in Verkehr gesetzt werde. Weiters habe er in der Zeit von Sommer 1999 bis Dezember 2001 in "unzähligen" Fällen Suchtgift erworben und besessen.
Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.
Der Beschwerdeführer habe über mehrere Monate in vielen Fällen Straftaten in Bezug auf große Mengen qualitativ hochwertigen Suchtgifts begangen. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität stelle dieses Verhalten eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Dabei sei neben der Häufung der Straftaten auch der Umstand gravierend zu werten, dass den Beschwerdeführer nicht einmal eine Anzeige wegen Cannabiskonsum am 1. September 2001 von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen habe abhalten können.
Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seinen Eltern und den beiden Schwestern in Österreich. Er habe nach Beendigung seiner Schulpflicht eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur begonnen, welche er durch seine Haft habe unterbrechen müssen. Ab März 2003 sei er wieder beschäftigt. Neben der familiären sei somit auch die wirtschaftliche Integration des Beschwerdeführers gegeben. Hingegen werde das Gewicht der sozialen Integration des Beschwerdeführers durch seine Straftaten erheblich gemindert.
Den sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe die aus den schweren Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Aufenthalt im Inland gegenüber. Im Hinblick auf die massive Beeinträchtigung öffentlicher Interessen auf Grund des gesamten Fehlverhaltens erscheine die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten. In diesem Sinn habe bei der Interessenabwägung den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots ein größeres Gewicht beigemessen werden müssen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen die - nicht bekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, keine Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von März bis Dezember 2001 mehr als 15.000 Stück Ecstasy-Tabletten, etwa 45 kg Marihuana, 540 Gramm "Speed" sowie 25 Gramm Kokain und 13 Gramm Heroin in Verkehr gesetzt. Dabei hat er diese überaus große Suchtgiftmenge an eine große Anzahl von Abnehmern verkauft, wobei er gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vorgegangen ist. Im Mai 2001 hat er weitere 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten mit dem Vorsatz zu erwerben versucht, dass dieses Suchtmittel in Verkehr gesetzt werde. Darüber hinaus hat er von Sommer 1999 bis Dezember 2001 in vielen Fällen Suchtgift - für den Eigenkonsum - erworben und besessen. Von diesen strafbaren Handlungen hat er sich auch durch die unstrittig am 1. September 2001 erfolgte Anzeige wegen Suchtgiftkonsums, durch die ihm jedenfalls die Verwerflichkeit seines Verhaltens vor Augen geführt worden ist, nicht abhalten lassen.
Dieses gesamte Fehlverhalten zeigt, dass vom Beschwerdeführer ungeachtet seines jugendlichen Alters bei Tatbegehung eine große Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht. Im Hinblick darauf, dass sich die bei Suchtgiftdelikten besonders große Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/18/0127) beim Beschwerdeführer insoweit verwirklicht hat, als er über einen längeren Zeitraum in vielen Angriffen gewerbsmäßig große Suchtgiftmengen verkauft hat, ist der seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum von etwa 19 Monaten viel zu kurz, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur erheblich gemindert anzusehen. Ebenso führt der Umstand, dass der Beschwerdeführer seit März 2003 wieder einer Beschäftigung nachgeht, zu keiner relevanten Verminderung der von ihm ausgehenden Gefahr, hat ihn die Berufstätigkeit (als Lehrling) doch auch bisher nicht davon abgehalten, in der beschriebenen Weise straffällig zu werden.
Dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde habe die in der bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe zum Ausdruck kommende positive Prognose des Strafgerichts nicht berücksichtigt, ist entgegenzuhalten, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots unabhängig von den die Strafbemessung und die teilbedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hat, wobei sich schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG ergibt, dass auch eine teilbedingt nachgesehen Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 2001/18/0242).
Aus den dargestellten Erwägungen ist die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit September 1992, also seit fast elf Jahren, berücksichtigt. Weiters hat sie ihm die Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern und zwei Schwestern sowie die Berufstätigkeit im Inland zugute gehalten. Die vorgebrachten Umstände, dass der Beschwerdeführer ausgezeichnet Deutsch spreche und seinem Vater die Verleihung der Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden sei, bewirken keine entscheidende Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten erheblich gemindert werde, hat die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2001/18/0127).
Den von der belangten Behörde dennoch zu Recht als "sehr gewichtig" bewerteten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus den gravierenden Straftaten des Beschwerdeführers resultierende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf den gewerbsmäßigen Verkauf großer Suchtgiftmengen in vielen und über einen längeren Zeitraum verteilten Angriffen durch den Beschwerdeführer kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Lebensverhältnisse in Kroatien hätten sich seit seiner Ausreise infolge des Bürgerkrieges erheblich geändert, er habe dort keinerlei Kontakte, ist entgegenzuhalten, dass von § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0039). Der Beschwerdeführer macht daher mit der Rüge, die belangte Behörde habe sein Vorbringen betreffend seine mangelnde Verwurzelung in Kroatien nicht berücksichtigt, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.
4. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Bestimmung des § 35 Abs. 2 FrG steht der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen der Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist und sein weiterer Aufenthalt - wie oben 2. dargestellt - die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
5. Schließlich bestand für die belangte Behörde keine Veralassung, im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG zukommenden Ermessens von der Erlassung des vorliegend mit zehn Jahren bemessenen Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 7. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180250.X00Im RIS seit
04.12.2003