TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/7 2000/18/0046

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Veröffentlicht am 07.11.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des F, geboren am 1967, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer, Dr. Stefan Hoffmann und Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Jänner 2000, Zl. St 120/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Jänner 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (die Erstbehörde) habe (in ihrem Bescheid vom 13. April 1999) folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer habe am 31. Jänner 1991 - nach sichtvermerksfreier Einreise - im Bundesgebiet einen ordentlichen Wohnsitz begründet. In seinem Heimatland habe er einen weiteren ordentlichen Wohnsitz behalten. Auf Grund des am 1. März 1991 gestellten Antrages des Beschwerdeführers sei diesem am selben Tag ein bis 31. Jänner 1992 befristeter Sichtvermerk erteilt worden. In der Folge seien ihm weitere Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz und am 19. Dezember 1997 eine bis 19. März 1999 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden.

Am 14. November 1995 sei ihm die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedroht worden, weil er mit Strafbescheid der Erstbehörde vom 16. Oktober 1995 wegen Übertretung nach "§ 99/1/a iVm § 5/1" StVO bestraft worden sei. Er habe am 17. September 1995, gegen 0.25 Uhr, in alkoholbeeinträchtigtem Zustand (1,16 g/l = Promille) seinen PKW auf öffentlichen Straßen gelenkt. Mit Bescheid vom 29. September 1995 sei ihm die Lenkerberechtigung für die Dauer von vier Wochen entzogen worden.

Der Beschwerdeführer habe versprochen, sich in Zukunft wohlzuverhalten und keine schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen mehr zu setzen. Im Hinblick darauf sei ihm die Aufenthaltsbewilligung verlängert worden. Am 18. März 1999 habe er einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung (Aufenthaltszweck: unselbstständige Erwerbstätigkeit) eingebracht.

Im Rahmen der Erhebungen zu diesem Antrag sei bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer am 19. Dezember 1999 (richtig: 1998), gegen 0.20 Uhr, erneut in alkoholisiertem Zustand (1,8 g/l = Promille) seinen PKW auf öffentlichen Straßen gelenkt habe. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 7. Jänner 1999 sei ihm die Lenkerberechtigung auf die Dauer von neun Monaten rechtskräftig entzogen worden und eine Nachschulung angeordnet worden. (Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde mit Bescheid der Erstbehörde vom 2. September 1999 über den Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 16.000,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 336 Stunden, verhängt.(

In der Berufung vom 22. April 1999 gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, sich bereits seit mehr als acht Jahren in Österreich aufzuhalten. Seine strafbaren Handlungen würden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen. Nach Ablauf der Führerscheinentzugsdauer wäre jedenfalls davon auszugehen, dass er sich nunmehr wohlverhalten würde. Im Bundesgebiet hielten sich auch seine Ehefrau und seine Kinder und darüber hinaus noch weitere Verwandte auf. Er wäre im Bundesgebiet integriert, dies sowohl an seinem Arbeitsplatz als auch hinsichtlich seiner Freizeitbeschäftigung (Tätigkeit in verschiedenen Vereinen), und er wäre - mit Ausnahme von berufsbedingten kurzen Arbeitslosigkeiten während des Winters - ständig einer unselbstständigen Beschäftigung nachgegangen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass in Anbetracht der zweimaligen rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers nach § 99 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 StVO zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht sei.

Angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit sei fremdenpolizeiliches Handeln dringend geboten. Weder eine rechtskräftige Bestrafung nach § 5 StVO noch eine niederschriftliche Ermahnung hätten ausgereicht, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer derartiger Delikte abzuhalten. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in nicht unbedeutender Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Es sei daher nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991, also seit ca. neun Jahren, im Bundesgebiet mit seiner Familie auf und gehe hier einer Erwerbstätigkeit nach. Ihm sei eine der Dauer dieses Aufenthalts entsprechende Integration, dies in erster Linie auch in beruflicher Hinsicht, zuzubilligen, und er sei in privater Hinsicht in verschiedenen Vereinen tätig, weshalb von einer verstärkten Integration ausgegangen werden könne. Dem Beschwerdeführer sei jedoch vorzuwerfen, mittlerweile zweimal in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sodass das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Zudem sei sein Gesamtfehlverhalten "doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung" das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 leg. cit. habe Gebrauch gemacht werden müssen.

Die von der Erstbehörde festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu beanstanden, weil erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde. Auch entspreche diese Dauer der Tilgungsfrist hinsichtlich seiner Verwaltungsstrafen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde im Grund des § 37 vorgenommene Interessenabwägung. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten beiden Verwaltungsübertretungen lägen Jahre auseinander und hievon der letzte Vorfall bereits über ein Jahr zurück. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes am 19. Dezember 1998 sei der Beschwerdeführer bereits fast acht Jahre lang in Österreich aufhältig gewesen, wobei gemäß § 35 Abs. 2 FrG ein Fremder nach acht Jahren Aufenthalt nur noch auf Grund einer gerichtlichen rechtskräftigen Verurteilung ausgewiesen werden dürfe. Wie er schon in seiner Berufung ausgeführt habe, hielten sich in Österreich auch seine Ehefrau und seine drei minderjährigen Kinder, wovon zwei bereits hier geboren worden seien, sowie weitere Verwandte auf.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG war zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass er sich seit Jänner 1991 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hier einer geregelten Beschäftigung nachgeht und mit seiner Ehegattin und seinen (drei minderjährigen) Kindern zusammenlebt. Laut den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen sind seine Ehegattin und seine drei am 3. Mai 1989, 2. Jänner 1992 und 21. Oktober 1994 geborenen Kinder seit Jänner 1992 "bzw. seit Geburt" im Bundesgebiet aufhältig. Diesen sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und insbesondere seiner Familienangehörigen an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht - auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen - gegenüber, dass er am 17. September 1995 und 19. Dezember 1998 jeweils in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt von 1,16 Promille und 1,8 Promille) ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr gelenkt hat. Wenn auch mit diesen beiden Verfehlungen des Beschwerdeführers eine wesentliche Beeinträchtigung des einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. März 2001, Zl. 98/18/0158, mwN) verbunden ist, so ist das darin begründete öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers doch nicht von solchem Gewicht, dass dem gegenüber die vorgenannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und insbesondere seiner Familienangehörigen in den Hintergrund träten oder lediglich gleich zu gewichten wären.

Dies hat die belangte Behörde, die dem Beschwerdeführer neben den beiden genannten Verwaltungsübertretungen kein weiteres Fehlverhalten angelastet hat, im Rahmen der Abwägung nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG verkannt und den angefochtenen Bescheid daher insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. (Das dem in den Verwaltungsakten enthaltenen Bescheid der Erstbehörde vom 26. April 2000 zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers - laut diesem Bescheid habe er am 14. April 2000, nachdem ihm erst am 13. April 2000 seine Lenkerberechtigung wieder erteilt worden sei, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (2,06 Promille Blutalkoholkonzentration) einen LKW gelenkt - konnte ebenso wie die von ihm am 29. März 2000 verübten Straftaten (vgl. das zu den Verwaltungsakten im Nachhang übermittelte Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. September 2000) von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht berücksichtigt werden, was dazu führt, dass dieses Fehlverhalten auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden konnte.)

3. Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 7. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000180046.X00

Im RIS seit

01.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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