TE Vfgh Beschluss 2000/6/26 G38/00, B610/00

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Veröffentlicht am 26.06.2000
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
MinroG §204

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des MinroG betreffend Genehmigungen für bestehende Abbaue mangels Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs sowie mangels Verletzung in Rechten; nur wirtschaftliche Reflexwirkungen

Spruch

Der Gesetzesprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Einschreiterin - eine Gemeinde - stellt unter anderem die Anträge,

"1. zu erkennen, dass §204 Mineralrohstoffgesetz 1999, BGBl. 1 1999/38 verfassungswidrig ist, und gem. Art140 Abs3 B-VG aufgehoben wird,

2. den eventualiter angefochtenen Bescheid seinem gesamten Umfang nach aufzuheben, das Verfahren zur ergänzenden Beweisaufnahme, Sachverhaltsfeststellung und Entscheidungsfindung an die erste Instanz zurückzuverweisen und der belangten Behörde den Ersatz der Kosten aufzuerlegen,

...".

Aus dem Gesamtzusammenhang des Schriftsatzes ergibt sich, daß der erstgenannte Antrag (ungeachtet der in der Eingabe verwendeten Bezeichnung "Beschwerde") als Individualantrag gemäß Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG und der zweitgenannte Antrag als (in eventu erhobene) (Bescheid-)Beschwerde nach Art144 B-VG zu qualifizieren ist.

2. §204 Mineralrohstoffgesetz - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, lautet:

"Für bestehende und nach anderen Rechtsvorschriften des Bundes genehmigte Abbaue für mineralische Rohstoffe, die ab dem 1. Jänner 1999 zu den grundeigenen mineralischen Rohstoffen zählen, sowie in den Fällen, in denen ein Hauptbetriebsplan nach dem IV. Abschnitt des VIII. Hauptstückes des Berggesetzes 1975, BGBl. Nr. 259, in der Fassung der Berggesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 355, aus den im §138 Abs1 letzter Satz des Berggesetzes 1975 genannten Gründen nicht aufzustellen war, gelten die Genehmigungen nach §§83 und 116 als erteilt. Der Bergbauberechtigte hat der Behörde bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 Unterlagen der im §113 Abs1 Z2, 5 und 6 genannten Art vorzulegen. Auf diese Unterlagen findet §179 Abs1 und 2 Anwendung."

3.a) Die Einschreiterin weist darauf hin, daß sich in ihrem Gemeindegebiet ein Bergbau befinde, der von einer Ges.m.b.H. betrieben werde. Ein Antrag dieser Gesellschaft auf Genehmigung eines Aufschluß- und Abbaubetriebsplans für diesen Bergbau sei (mit Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 25. November 1999) wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen worden. Sie - die Gemeinde - habe diesen Bescheid mit Berufung bekämpft. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (Montanbehörde) habe - so die Formulierung der beschwerdeführenden Gemeinde - mit Bescheid vom 3. Februar 2000 "den erstinstanzlichen Bescheid ... bestätigt". (Anm.: Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde die Berufung der Gemeinde als unzulässig zurückgewiesen.) Wörtlich führt die einschreitende Gemeinde in ihrer Eingabe an den Verfassungsgerichtshof aus:

"... dieser Bescheid verletzt - unter Hinweis auf §204 MinroG - die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten in nachstehender Weise.

Die Beschwerdeführerin fühlt sich durch §204 MinroG bzw. den auf §204 MinroG gestützten Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde (wobei in diesem Verfahren der Beschwerdeführerin ex lege keine Parteistellung zukam) in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Art2 StGG und Art7 Abs1 B-VG verletzt. Weiters verletzt §204 MinroG, wie im folgenden zu zeigen sein wird, das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG. Sowohl der eventual angefochtene Bescheid der belangten Behörde als auch die Bestimmung des §204 MinroG selbst verletzen, wie weiters zu zeigen sein wird, die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Eigentum aus Art5 StGG und Art1 ZProtMRK."

Die Einschreiterin legt in der Folge ihre Bedenken gegen §204 MinroG dar und bringt in diesem Zusammenhang mit näherer Begründung auch vor, warum ihres Erachtens der bekämpfte Bescheid "im Übrigen einer denkunmöglichen Auslegung des §204 MinroG (folgt)".

b) Anschließend behauptet die einschreitende Gemeinde unter der Überschrift "Zulässigkeit der Beschwerde" (gemeint offenkundig: "Zulässigkeit des Individualantrages und der Beschwerde") unter anderem folgendes:

"Die Beschwerdeführerin ist aus den oben dargestellten Gründen schon ohne Erlassung eines diesbezüglichen Bescheides in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

§204 MinroG ist für die Beschwerdeführerin bereits ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden, weil diese Bestimmung der (...) Ges.m.b.H. ohne weiteres behördliches Verfahren ex lege die gegenständliche Abbauberechtigung einräumt."

Hinsichtlich der Zulässigkeit der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen den oben erwähnten Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (Montanbehörde) wird auf die Unzulässigkeit eines weiteren (ordentlichen) Rechtsmittels gegen diese Entscheidung und die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinbringung hingewiesen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Eingabe erwogen:

A) Zum Individualantrag:

Der Individualantrag ist unzulässig:

a) Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

Abgesehen davon, daß die vorliegende Eingabe keine klare Abgrenzung von Individualantrag einerseits und (Bescheid-)Beschwerde andererseits vornimmt, wird nicht ausreichend dargetan, warum die Einschreiterin die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Individualantrages als erfüllt erachtet. Der (bloßen) Feststellung, §204 MinroG sei für die antragstellende Gemeinde bereits ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden, "weil diese Bestimmung der (...) Ges.m.b.H. ohne weiteres behördliches Verfahren ex lege die gegenständliche Abbauberechtigung einräumt", kommt für sich allein betrachtet kein Begründungswert in der Frage des unmittelbaren Eingreifens dieser Norm in die Rechtssphäre der Gemeinde zu.

b) Dazu kommt, daß die Gemeinde eine Verletzung in ihren Rechten nicht nachweisen kann: So heißt es zwar in dem Schriftsatz, daß die Einschreiterin durch §204 MinroG im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz "insbesondere" deshalb "beeinträchtigt" werde, weil sie "als Gemeinde mit einem Bereich der Tourismus-Klasse I gerade in diesem gegenständlichen sensiblen Bereich einen Bergbau im Tagbaubetrieb im Ausmaß von etwa 8,5 Hektar dulden muss, welcher durch seine Bruchwand bereits jetzt deutlich sichtbar im gesamten Ortsgebiet als 'Kulisse' von unübersehbarem Ausmaß existiert", während andere Gemeinden (aus näher dargelegten Gründen) von solchen Nachteilen nicht betroffen seien. Auch wird in der Eingabe vorgebracht, daß "jeder Eingriff in die Unberührtheit dieser Landschaft ... zwangsweise die Erwerbsaussichten der Gemeinde als Tourismusort" schädige und "damit deren Vermögen und Eigentum".

Wenngleich der Verfassungsgerichtshof nicht verkennt, daß der Abbau von mineralischen Rohstoffen in einem Tourismusgebiet beispielsweise zu optischen Beeinträchtigungen führen kann, handelt es sich dabei doch nur um allfällige wirtschaftliche Reflexwirkungen bzw. faktische Folgewirkungen, die keinen Eingriff in die rechtlich geschützte Interessenssphäre der Gemeinde darstellen (vgl. zB. VfSlg. 11.730/1988, 13.113/1992, 14.320/1995).

c) Der Individualantrag ist somit gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

B) Zur Beschwerde:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als auch in Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid die Verfassungswidrigkeit des §204 MinroG behauptet wird, hat sie - sofern diese Norm im Wege des (ein Rechtsmittel zurückweisenden) Bescheides überhaupt Rechtswirkungen für die beschwerdeführende Gemeinde entfaltete - schon allein vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Parteistellung (vgl. z.B. VfSlg. 5271/1966, 9523/1982, 10.844/1986, 11.934/1988, 12.240/1989, 12.465/1990, 13.013/1992, 14.512/1996) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Bergrecht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G38.2000

Dokumentnummer

JFT_09999374_00G00038_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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