TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/18 2001/05/0244

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Veröffentlicht am 18.11.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Dr. Heinz Keinert in Linz, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. April 2001, Zl. BauR- 011286/17-2001 Pe/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Bad Leonfelden), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR  1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das gegenständliche Bauverfahren beruht auf dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 30. Dezember 1993, mit welchem er dem Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs 1 der OÖ BauO 1976 auftrug, die unmittelbar entlang der Straßengrundgrenze der Eisenhandstraße auf der Parzelle Nr. 620/23 konsenslos errichtete Einfriedungsmauer aus 25 cm starkem beiderseitig verputztem Massivmauerwerk abzutragen.

Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, Zl. 96/05/0019, den Bescheid der belangten Behörde, mit welchem der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den im Instanzenzug bestätigten Bauauftrag keine Folge gegeben worden war, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Auf dieses Erkenntnis wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

In Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes hob die Vorstellungsbehörde in der Folge den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad Leonfelden vom 29. Mai 1995 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Partei.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 änderte der Gemeinderat den erteilten Bauauftrag dahingehend ab, dass die undurchsichtige, geschlossene, freistehende Einfriedungsmauer mit einer geringsten Höhe von 1,20 m bzw einer maximalen Höhe von 1,50 m in der gesamten Länge sowie im Vorgartenbereich gegen Nachbargrundgrenzen bis zu einer Tiefe von 2 m von der Straßengrundgrenze so abzuändern sei, dass die Mauer über einen max 60 cm hohen massiven Sockel hinaus gemäß § 29 Abs 2 Z 2 OÖ BauTG herzustellen ist.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Der Berufungsbescheid entspreche den Vorgaben im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf aufrechten Bestand der bewilligten, hilfsweise nicht bewilligungsbedürftigen bzw zur Bewilligung beantragten, angezeigten und sonst als zulässig anzuerkennenden bzw zu duldenden Einfriedungsmauer an der Straßengrundgrenze und auf Nichterlassen eines Auftrages nach § 61 OÖ BauO, § 29 BauTG mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen verletzt. Der Beschwerdeführer begehrt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs 1 VwGG reicht die Bindung an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur so weit, als die belangte Behörde bei Erlassung des Ersatzbescheides keine andere Rechts- oder Sachlage vorfindet, wie etwa im Fall ergänzender, in rechtserheblicher Weise anders lautender Ermittlungsergebnisse des zweiten Rechtsganges oder nach einer mittlerweile eingetretenen und auf anhängige Verfahren bereits anzuwendenden Gesetzesänderung.

In obigem Bauauftragsverfahren erging der Bescheid erster Instanz zu einem Zeitpunkt, als noch die Oö. BauO 1976 in Kraft stand. Gemäß § 58 Abs. 1 Oö. BauO 1994 sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen. An dieser Rechtslage hat sich auch durch die zwischenzeitig in Kraft getretene OÖ Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl. Nr. 70/1998, nichts geändert. Nach Artikel II Abs 3 erster Satz OÖ BauO-Novelle, LGBl. Nr. 70/1998, sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen.

Die Baubehörde zweiter Instanz hat daher zu Recht § 61 OÖ BauO 1976 ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 61 Abs 1 OÖ BauO 1976 setzt voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw ist. Für die Klärung der Frage, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung eines Abbruchauftrages möglich ist, ist, wie im Vorerkenntnis ausgeführt, nach dem klaren Wortlaut des § 61 Abs 1 letzter Satz OÖ BauO 1976 die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich. Dass die Mauer im Zeitpunkt ihrer Errichtung nicht bewilligungspflichtig war, wurde schon im Vorerkenntnis klargelegt, weshalb ein Wiederherstellungsauftrag auch nur auf die Bestimmung des § 61 Abs 5 OÖ BauO 1976 gestützt werden kann. Weil der dort genannte "rechtmäßige Zustand", so wie beim Begriff der "maßgeblichen Rechtslage" im § 61 Abs 1 OÖ BauO 1976, jener ist, der im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages, hier also im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 27. Dezember 2000, gilt, ist im gegenständlichen Fall § 29 OÖ Bautechnikgesetz idF LGBl. Nr. 67/1994 (OÖ BauTG) maßgeblich. Trotz der Bewilligungsfreiheit der Mauer nach der OÖ BauO sind daher die Grundsätze des § 29 OÖ BauTG einzuhalten. Die gegenständliche Bestimmung lautet:

"§ 29

Einfriedungen, Lärm- und Schallschutzwände

(1) Einfriedungen unterliegen als bauliche Anlagen den allgemeinen Erfordernissen des § 3.

(2) Soweit in anderen Rechtsvorschriften oder im Bebauungsplan nichts anderes festgelegt ist, dürfen Einfriedungen

1. eine Höhe von 2 m über dem Erdboden, und zwar über dem jeweils höher gelegenen natürlichen Gelände, nicht überschreiten, außer der Verwendungszweck erfordert eine größere Höhe,

2. gegen Verkehrsflächen sowie im Vorgartenbereich gegen Nachbargrundgrenzen bis zu einer Tiefe von 2 m von der Straßengrundgrenze nicht als geschlossene Mauern, Planken oder in ähnlicher undurchsichtiger Bauweise ausgeführt werden; der massive Sockel solcher Einfriedungen darf höchstens 60 cm hoch sein.

(3) Für Lärm- und Schallschutzwände gelten die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 sinngemäß mit der Maßgabe, dass die im Abs. 2 Z. 1 festgelegte Höhenbeschränkungen nur überschritten und von der im Abs. 2 Z. 2 vorgeschriebenen Bauausführung nur abgewichen werden darf, soweit dies zur Erreichung eines ausreichenden Lärmschutzes erforderlich ist.

(4) Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden, sowie Stützmauern einschließlich allfälliger Absturzsicherungen gelten nicht als Einfriedungen oder Lärm- und Schallschutzwände im Sinn dieses Landesgesetzes."

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Vorerkenntnis unter Anwendung dieser Bestimmung die gegenständliche Mauer lediglich als Einfriedung angesehen und auch ausdrücklich ausgesprochen, dass die errichtete Mauer keine Lärm- oder Schallschutzwand ist, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen oder errichtet worden ist (§ 29 OÖ Abs. 4 BauTG). Gerade darauf beruft sich der Beschwerdeführer aber zunächst. Er bringt vor, dass nach § 1 Abs 3 Z 13 OÖ BauO 1998 die BauO im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar sei und stützt sich hinsichtlich der von ihm errichteten Mauer ausdrücklich auf § 14 OÖ LStraßenG.

Gemäß § 14 OÖ LStraßenG kann die Straßenverwaltung Vorsorge gegen Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr dadurch treffen, dass auf fremden Grundstücken mit Zustimmung des Eigentümers von der Straßenverwaltung geeignete Vorkehrungen (Baumaßnahmen an Gebäuden, Einbau von Lärmschutzfenstern und dergleichen) getroffen oder veranlasst werden. Danach errichtete Wände sind in straßenrechtlicher Hinsicht zu beurteilen. Hier handelt es sich aber nicht um eine Vorsorgemaßnahme der Straßenverwaltung, sondern der Grundeigentümer hat aus eigenem eine Mauer errichtet. Er kann sich auf den Tatbestand des § 29 OÖ Abs. 4 BauTG, wie schon im Vorerkenntnis ausgeführt, nicht mit Erfolg berufen.

Der Beschwerdeführer führt in den Beschwerdegründen aus, die Einfriedung sei von vornherein als Lärm- und Schallschutzwand gedacht gewesen. Er beruft sich damit auf § 29 Abs 3 OÖ BauTG, wonach für Lärm- und Schallschutzwände die in § 29 Abs 2 Z 1 und 2 OÖ BauTG festgelegten Höhenbeschränkungen nur überschritten und von der vorgeschriebenen Bauausführung nur abgewichen werden darf, soweit dies zur Erreichung eines ausreichenden Lärmschutzes erforderlich ist. Im Vorerkenntnis ist auf diese Frage nicht Bezug genommen worden, da der Beschwerdeführer kein diesbezügliches Vorbringen erstattete.

Der Beschwerdeführer bringt (wie auch in der Vorstellung) vor, dass der Verkehr auf der vorbeiführenden Eisenhandstraße erheblich gestiegen sei. Motoren und Räder von Fahrzeugen seien die Hauptlärmquellen, weiters bestünden Beeinträchtigungen durch Staub, Spritzwasser, Streumaterial und Blendwirkung durch Scheinwerfer. Dazu führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die Einreichunterlagen im angefochtenen Bescheid aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Schallschutzwand nach der bezogenen Gesetzesstelle handle.

Zur abschließenden Klärung der Frage, ob die von § 29 Abs 2 Z 2 OÖ BauTG abweichende Ausführung für einen ausreichenden Lärmschutz hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Lärmimmissionen erforderlich ist, ist aber eine weitere Beweisaufnahme unerlässlich. Nur durch ein Sachverständigengutachten kann geklärt werden, ob die Mauer über ihren Charakter als Einfriedung hinaus nur auf Grund der gewählten Ausführung einen ausreichenden Lärmschutz gewährleistet.

Die Frage der Bewilligungspflichten nach sonstigen gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa § 18 OÖ LStraßenG, ist im gegenständlichen Verfahren unbeachtlich.

Der Beschwerdeführer rügt, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Gemeinderatssitzung, bei der die Berufungsentscheidung getroffen wurde, beigewohnt hat. Dazu genügt der Hinweis auf § 64 Abs. 2 OÖ Gemeindeordnung 1990, wonach das befangene Mitglied eines Kollegialorganes auf Verlangen der Beratung zur Erteilung von Auskünften beizuwohnen hat. Aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 15. November 2000 ergibt sich, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei bezüglich des gegenständlichen Falles lediglich zur Auskunftserteilung anwesend war und an der Abstimmung nicht teilgenommen hat.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer, dass im Spruch des Berufungsbescheides vom 27. Dezember 2000 als Gegenstand der Abänderung ein früherer, später aufgehobener Berufungsbescheid, aber nicht der erstinstanzliche Bescheid angeführt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat Fehlzitate und Schreibfehler - auch bei Unrichtigkeiten im Vornamen oder Namen von Bescheidadressaten - schon wiederholt als unbeachtlich, d.h. als dem richtigen Bescheidverständnis selbst dann nicht im Wege stehend angesehen, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen wurde (Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/05/0246). Der vom Beschwerdeführer beanstandete Hinweis auf den Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 29. Mai 1995 ist als Klammerausdruck lediglich als Beifügung zu sehen und steht dem richtigen Bescheidverständnis nicht entgegen, wonach der erstinstanzliche Bescheid vom 30. Dezember 1993 abgeändert wurde. Der Beschwerdeführer ist daher durch diese fehlerhafte Bezeichnung in keinem Recht verletzt.

Da die belangte Vorstellungsbehörde allerdings die aufgezeigten Mängel der Sachverhaltsaufnahme nicht wahrgenommen hat, war ihr Bescheid aus diesem Grund gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs 2.

Wien, am 18. November 2003

Schlagworte

Inhalt des Spruches Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001050244.X00

Im RIS seit

10.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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