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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31990L0387 ONP-RL Einführung Art2 Z5 idF 31997L0051;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des FP in M, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Februar 2003, Zl. VwSen-390108/11/Kl/An, betreffend Übertretung des Telekommunikationsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe "von einem Endgerät (Mobiltelefon) der Marke/Type Alcatel HC-400 ohne SIM-Karte mit der Seriennummer 330014531706450" wiederholt den Notruf 112 beim Gendarmerieposten Braunau am Inn angerufen und nach Melden des diensthabenden Gendarmeriebeamten entweder die Telefonverbindung sofort getrennt oder den Beamten beschimpft und dadurch die Gendarmeriebeamten grob belästigt. Damit habe er "das Endgerät (Mobiltelefon)" missbräuchlich verwendet und es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 104 Abs. 1 Z. 5 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Z. 2 Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 26/2000, verhängt. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten und als erwiesen angenommenen insgesamt 194 Anrufe im Zeitraum vom 9. März 2001 bis zum 24. Mai 2001wurden nach Datum und Uhrzeit detailliert angeführt.
Die belangte Behörde stellte im Wesentlichen fest, dass ab März 2001 von ein und derselben Person die Notrufnummer des Gendarmeriepostens Braunau gewählt und oft über lange Zeiträume - bis zu Stunden - blockiert worden sei, indem die Nummer gewählt und bei Abheben und Auflegen dann sofort wieder gewählt worden sei und dies in sehr kurzer Aufeinanderfolge. Teilweise sei bei den Anrufen auch vom Anrufer gesprochen worden. Während eines derartigen Anrufes am 24. Mai 2001 sei durch Organe des Fernmeldebüros der Berufungswerber gepeilt worden, bei einer vom Berufungswerber gestatteten freiwilligen Nachschau in seinem Haus sei eine Originalverpackungsschachtel für das Handy gefunden worden, mit dem der Anruf am 24. Mai 2001 erfolgt sei. Die Stimme des Beschwerdeführers, der am 24. Mai 2001 gepeilt worden sei, stimme mit jener Stimme überein, "die als Störanrufer im Zeitraum zwischen März und Mai 2001 jeweils bei den Störanrufen durch die jeweiligen Beamten aufgezeichnet" worden sei. Nach der Peilung am 24. Mai 2001 sei ein Störanruf dieser Stimme nicht mehr erfolgt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 75 Abs. 1 Z. 2 TKG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lautet:
"§ 75. (1) Funkanlagen und Endgeräte dürfen nicht missbräuchlich verwendet werden. Als missbräuchliche Verwendung gilt: ...
2. jede grobe Belästigung oder Verängstigung anderer Benützer."
§ 104 Abs. 1 Z. 5 TKG lautet:
"§ 104. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 3.633,-- zu bestrafen, wer ...
5. entgegen § 75 Abs. 1 eine Funkanlage oder ein Endgerät missbräuchlich verwendet."
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass nach dem diesbezüglich klaren Gesetzeswortlaut des § 75 Abs. 1 Z. 2 TKG nicht jede Belästigung tatbestandlich sei, sondern nur eine grobe Belästigung, welche im Betätigen des Anrufes und dem sofortigen Auflegen nach dem Melden des anderen Teilnehmers nicht erblickt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Tatbestand des § 75 Abs. 1 Z. 2 TKG - anders als § 75 Abs. 1 Z. 1 und 4 TKG - nicht auf eine Nachrichtenübermittlung abstellt, sondern auf den Umstand einer groben Belästigung durch Verwendung der Funkanlage oder des Endgerätes. Diese grobe Belästigung kann, muss aber nicht durch den Inhalt der (allenfalls) übermittelten Nachricht gegeben sein; auch anonyme Anrufe, bei denen der Anrufer sofort nach Melden des anderen Teilnehmers auflegt, können eine grobe Belästigung iSd § 75 Abs. 1 Z. 2 TKG darstellen (vgl. auch OGH 18. Oktober 1994, 4 Ob 99/94, SZ 67/173). Dass mehrere innerhalb kurzer Zeit getätigte anonyme Anrufe im Hinblick auf ihre Vielzahl und auf ihre rasche Aufeinanderfolge als grobe Belästigung des Angerufenen anzusehen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 16 Abs. 2 Z. 2 Fernmeldegesetz 1993 ergangenen Erkenntnis vom 23. Oktober 1996, Zl. 96/03/0183, ausgesprochen.
Im beschwerdegegenständlichen Fall werden dem Beschwerdeführer 194 grundlose Anrufe zur Notrufnummer 112 innerhalb eines Zeitraumes von März bis Mai 2001 zu verschiedensten Tages- und Nachtzeiten zur Last gelegt. Anrufe zu dieser Rufnummer müssen ausnahmslos und unverzüglich entgegengenommen werden (vgl. § 5 Abs. 4 SPG, wonach die Einsatzzentralen rund um die Uhr für Notrufe erreichbar zu sein haben), Betreiber von Notrufdiensten haben den Betrieb 7 Tage die Woche und 24 Stunden pro Tag sicherzustellen und mit einer personellen Besetzung auszustatten, dass keine nennenswerten Wartezeiten auftreten (Anlage 2, Teil E Nr. 5.3 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Numerierung, BGBl. II Nr. 416/1997). Vor diesem Hintergrund kann es nicht zweifelhaft sein, dass die wiederholte Herstellung der Verbindung zu einer Notrufnummer, ohne dass eine entsprechende Rechtfertigung aufgrund eines Notfalles gegeben ist, den Tatbestand der groben Belästigung im Sinne des § 75 Abs. 1 Z. 2 TKG verwirklicht.
2. Der Beschwerdeführer vermeint auch, dass ein weiteres Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung nicht erfüllt sei, weil es sich bei einem "Handy" nicht um ein Endgerät im Sinne der Legaldefinition des § 3 Z. 2 TKG handle und die Verwaltungsübertretung nur mit einer Funkanlage oder mit einem Endgerät begangen werden kann.
§ 3 Z. 2, 3, 6 und 9 TKG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung lauten:
"§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet ...
2. „Endgerät'' eine Einrichtung, die unmittelbar an die Netzabschlusspunkte eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden soll oder die mit einem öffentlichen Telekommunikationsnetz zusammenarbeiten und dabei unmittelbar oder mittelbar an die Netzabschlusspunkte eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden soll;
3. „Funkanlage'' elektrische Sende- oder Empfangseinrichtungen, zwischen denen eine beabsichtigte Informationsübertragung ohne Verbindungsleitungen mittels elektromagnetischer Wellen stattfinden kann; ...
6. "Netzabschlusspunkt'' alle physischen Verbindungen und technischen Zugangsspezifikationen, die Bestandteile des öffentlichen Telekommunikationsnetzes sind und die für den Zugang zu diesem Netz und zur effizienten Kommunikation mittels dieses Netzes erforderlich sind. ...
9. "öffentliches Telekommunikationsnetz'' die Telekommunikationsinfrastruktur, mit der Signale zwischen definierten Netzabschlusspunkten über Draht, über Richtfunk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Weg übertragen werden und die unter anderem für die Erbringung öffentlicher Telekommunikationsdienste genutzt wird;"
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass ein Anschluss an die Netzabschlusspunkte eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes nicht vorliege; die Nomenklatur in den von der Behörde erster Instanz zitierten Richtlinien vermöge an der Legaldefinition des § 3 Z. 2 TKG nichts zu ändern, werde doch darin nicht von indirekten Anschlüssen über Funksysteme gesprochen. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass der Netzabschlusspunkt eines Mobilnetzes bei der Teilnehmereinrichtung ("Handy") selbst liegt; dieses stellt den "physischen Anschlusspunkt, über den der Benutzer Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen erhält" (so die Begriffsbestimmung des Netzabschlusspunktes in Art. 2 lit. e der Richtlinie 1999/5/EG über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität, ABl. Nr. L 91 vom 9.4.1999, S. 10) dar. Dieser Netzabschlusspunkt muss sich nicht an einem bestimmten Standort befinden; ein öffentliches mobiles Telefonnetz ist in Anhang I Abschnitt 3 der Richtlinie 97/33/EG über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation, ABl. Nr. L 199 vom 26.7.1997, S. 32, definiert als "ein öffentliches Telefonnetz, dessen Netzabschlusspunkte sich nicht an festen Standorten befinden."
Die Sende- und Empfangseinrichtung des Mobiltelefons ist im Sinne der Legaldefinition des Netzabschlusspunktes in § 3 Z. 6 TKG für den Zugang zum Netz erforderlich und ist Bestandteil des öffentlichen Telekommunikationsnetzes iSd § 3 Z. 9 TKG. Dass die Sende- und Empfangseinrichtung im Eigentum des Teilnehmers steht, ändert daran nichts, dient doch die Festlegung des Netzabschlusspunktes der Abgrenzung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes nur "für die Zwecke der hoheitlichen Funktion" (Art. 2 Z. 5 der Richtlinie 90/387/EWG zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP), ABl. Nr. L 192 vom 24.7.1990, S 1; idF der Richtlinie 97/51/EG, ABl. Nr. L 295 vom 29.10.1997, S. 23).
Der Ansicht des Beschwerdeführers, die Verwaltungsübertretung könne mit einem "Handy" nicht begangen werden, kann daher nicht gefolgt werden, so dass die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides nicht besteht.
3. Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Ablehnung seines Beweisantrages auf Einholung einer Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn. Mit der beantragten Auskunft sollte der Beweis dafür erbracht werden, dass dem Beschwerdeführer "im Tatzeitraum und auch die Jahre vorher" die Lenkerberechtigung niemals entzogen worden wäre. Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung entzogen worden ist, im Zusammenhang mit der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht relevant ist. Sie hat daher auch keine Feststellungen betreffend Führerschein oder Lenkerberechtigung getroffen. Die Ablehnung des vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrages auf Einholung einer Auskunft der Bezirkshauptmannschaft belastet den angefochtenen Bescheid daher nicht mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da es auf die Beweistatsachen nicht ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 98/18/0291).
4. Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer ferner geltend, dass seinem Beweisantrag zur Auswertung der von der Gendarmerie auf Tonband aufgezeichneten Telefonate nicht gefolgt worden sei. Das Tonband wäre jedenfalls geeignet gewesen, ein für ihn günstigeres Verfahrensergebnis zu bewirken.
Dem Beschwerdeführer wurden belästigende Anrufe im Zeitraum zwischen 9. März und 24. Mai 2001 zur Last gelegt. Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass der von den Störanrufen betroffene Gendarmerieposten der Behörde erster Instanz eine Kassette mit einer Aufnahme vom 18. September 1999 sowie mit einer zu einem unbekannten Zeitpunkt gemachten Aufnahme übermittelt hatte. In einer Stellungnahme des Gendarmeriepostens wird dazu ausgeführt, dass es sich bei der nicht datierten Aufnahme um jenen Tatbestand handle, der der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis angezeigt worden war. Aus den in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde vorgelegten Auszügen aus einem Strafakt des LG R, Zl. 10 Hv x, ergibt sich, dass dort ein Telefonat vom 17. Jänner 1999, zu dem eine Tonbandaufzeichnung vorlag, gegenständlich war.
Die belangte Behörde hat den beantragten Beweis nicht aufgenommen und dazu im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die Tonbandaufzeichnungen aus einer Zeit vor der gegenständlichen Tatbegehung stammten und kein unmittelbarer Zusammenhang zu den im Straferkenntnis vorgeworfenen Anschuldigungen bestehe. Auch könne die Identifizierung der Tonbandstimme nicht den Beweis für die Tatbegehung oder Nichtbegehung zu den im Spruch angeführten Zeitpunkten liefern.
Die Tonbandaufzeichnungen betreffen unstrittig nicht die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Tathandlungen, sondern wurden mehr als eineinhalb Jahre davor erstellt. Dem Beschwerdeführer kann daher nicht darin gefolgt werden, dass die belangte Behörde ihm durch die Ablehnung seines Beweisantrages die Möglichkeit genommen hätte, unter Beweis zu stellen, dass seine Stimme mit der des Anrufers nicht ident sei und er somit nicht der Täter sei. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt, kann die Identifizierung der Tonbandstimme nicht den Beweis für die Tatbegehung oder Nichtbegehung zu den im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Zeitpunkten liefern. Da das angebotene Beweismittel somit untauglich ist, über die relevante Tatfrage einen Beweis zu liefern, hat die belangte Behörde den Beweisantrag zur Auswertung der Tonbandaufzeichnungen zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. November 2003
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003030079.X00Im RIS seit
22.12.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008