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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Auflassung einer Gemeindestraße mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins; kein Bestehen einer Zufahrtsmöglichkeit zu den Grundstücken des Antragstellers im Zeitpunkt der Erlassung der VerordnungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Der antragstellende Verein ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 80/1, 80/2 und 81/2 KG Saugraben sowie des Grundstückes Nr. 222/2 KG Kasberg und betreibt auf diesen Grundstücken eine Schutzhütte.
1.2. Am 29. Mai 1996 hat der Gemeinderat der Gemeinde Brand - Laaben nach Durchführung einer örtlichen mündlichen Verhandlung folgende Verordnung erlassen und durch Anschlag kundgemacht:
"Gemäß §32 Abs5 des NÖ Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-3 werden die Grundstücke Nr. 440/1, 440/2, 441/1, 441/2 (alle EZ. 50000 in der KG. Stollberg), Nr. 164/1, 164/2, 165, 167 und 171 (alle EZ. 50000 in der KG. Gföhl) sowie Nr. 196 und 197 (beide EZ 50000 in der KG Gern) als Gemeindestraße aufgelassen und damit dem öffentlichen Gebrauch entwidmet. Die angeführten Grundstücke sind in der Plandarstellung, welche mit einem Hinweis auf die Verordnung versehen ist und im Gemeindeamt Brand - Laaben während der Amtsstunden zur Einsichtnahme aufliegt, färbig gekennzeichnet. Die Niederschrift über die örtliche Verhandlung vom 25. April 1996 bildet einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung."
2. Gegen diese Verordnung wendet sich der antragstellende Verein mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag. Er führt aus, die Verordnung nehme ihm den einzigen rechtmäßigen Zugang bzw. die einzige rechtmäßige Zufahrt zu den in seinem Eigentum stehenden Liegenschaften, auf denen er seit 1989 seine Schutzhütte betreibe. Im Jahre 1968 sei zwar ein "Interessentenweg" begründet worden, der zum Teil die als öffentliches Gut gewidmete Trasse der verfahrensgegenständlichen Straße in Anspruch nehme, und dessen Benutzung zwischen den Mitgliedern der Interessentengemeinschaft rein privatrechtlich geregelt sei. Diese habe unter anderem durch die rechtswidrige Anbringung von Fahrverbotsschildern stets danach getrachtet, ihr mißliebige Benutzer vom Weg fernzuhalten, obwohl dieser wenigstens zum Teil über öffentliches Gut führe. Die nunmehr aufgelassene Straße sei rechtlich aber weiterhin als Gemeindestraße erhalten geblieben, wenngleich die Gemeinde - vorwiegend zum Nachteil des antragstellenden Vereines - ihre tatsächliche Erhaltung vernachlässigt habe. Der antragstellende Verein weist schließlich darauf hin, daß ihm auch ein Beitritt zur erwähnten Interessentengemeinschaft keine Zufahrt zu seinen Grundstücken verschaffen würde, da der Interessentenweg diese Liegenschaften nicht erreiche, sondern vielmehr an seinem Ende in den bis zur Liegenschaft des antragstellenden Vereines führenden Abschnitt der nunmehr aufgelassenen Gemeindestraße einmünde. Gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung werden sodann im einzelnen näher dargelegte Bedenken geltend gemacht.
3. Die Gemeinde Brand - Laaben als verordnungserlassende Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des vorliegenden Antrages verlangt.
3.1. Die Gemeinde bestreitet zunächst die Sachverhaltsdarstellung des antragstellenden Vereines: Der "Gföhlerweg" verlaufe nämlich seit einer Neutrassierung in den Jahren 1966/67 nur mehr zum geringsten Teil auf der bis zur angefochtenen Verordnung als öffentliches Gut ausgewiesenen Strecke, sondern quere vielmehr die in der Verordnung bezeichneten Grundstücke nur noch an manchen Stellen, während der ursprüngliche, nunmehr aufgelassene Weg, schon lange zum Teil mit Bäumen bewachsen sei, zum Teil als Weide benutzt werde, so daß von einer Entwidmung einer tatsächlich als Straße oder Weg dienenden Fläche gar nicht gesprochen werden könne. Beim Grundstück Nr. 165 der KG Gföhl sei zwar, abgehend vom Grundstück Nr. 164/2 der KG Gföhl noch ein Weg vorhanden, der sich allerdings nicht mit dem öffentlichen Gut decke, und der im übrigen in seiner Gesamtheit völlig unbefahrbar sei.
Der antragstellende Verein sei somit schon mit seiner Sachverhaltsdarstellung insofern nicht im Recht, als er behaupte, daß der nunmehr aufgelassene Weg seit 1949 ständig von seinen Mitgliedern befahren werde und seit der Auflassung der Gemeindestraße überhaupt keine Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit zu seinen Liegenschaften mehr bestehe.
3.2. Im übrigen sei schon zur Zeit der Errichtung des auch vom antragstellenden Verein erwähnten Interessentenweges die Straße anders verlaufen als in den Karten eingezeichnet und sei die Gemeinde - abgesehen von einer Ausfallshaftung - keinerlei Verpflichtungen bezüglich des Interessentenweges eingegangen. Die Interessentengemeinschaft sei zudem nach aktenkundigen Erklärungen ihres Vertreters dazu bereit, dem antragstellenden Verein eine "Zustimmung zur Bringung seiner forstlichen Produkte" zu erteilen.
3.3. Die Gemeinde bestreitet sodann auf der Grundlage ihrer Sachverhaltsdarstellung die Antragslegitimation des antragstellenden Vereines mit der Begründung, dieser könne durch die angefochtene Verordnung in seinen Rechten nicht verletzt sein, weil der nunmehr aufgelassene Weg seine Liegenschaft tatsächlich schon lange nicht mehr erschließe.
4. Der Antrag ist nicht zulässig:
4.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).
4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß niemandem ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer öffentlichen Straße zukommt (VfSlg. 9309/1981, 10.423/1985, 14.275/1995); er hat auch in jenen Fällen die unmittelbare Betroffenheit in Rechten und mit ihr die Antragslegitimation verneint, in denen sich die behaupteten Wirkungen einer Verordnung ausschließlich als wirtschaftliche Reflexwirkungen darstellten (zB VfSlg. 8060/1977, 8670/1979).
4.3. Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in ähnlichen Zusammenhängen bei Vorliegen besonderer Konstellationen auch schon wiederholt eine solche unmittelbare Betroffenheit in Rechten angenommen: So etwa dann, wenn durch eine Verordnung dem Antragsteller die einzige rechtliche Möglichkeit genommen wird, seinen zulässigerweise verfolgten Interessen nachzugehen, weil in einem solchen Fall über eine bloß wirtschaftliche Reflexwirkung hinaus die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung berührt werden (vgl. VfSlg. 8984/1980, 9721/1983). Auch in den bereits zitierten Entscheidungen, in denen es um die Anfechtung von Verordnungen ging, mit denen öffentliche Straßen aufgelassen wurden, hat es der Verfassungsgerichtshof nicht ausgeschlossen, daß bei Vorliegen solcher besonderer Umstände der jeweilige Antrag zulässig gewesen wäre (vgl. VfSlg. 10.423/1985, 452: "Die Rechtssphäre der Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft wird jedoch dadurch nicht berührt, da die Zu- und Abfahrt für ihre Liegenschaft nach wie vor gesichert ist..."; vgl. weiters VfSlg. 14.275/1995, 340).
5. Im gegenständlichen Fall liegt aus folgenden Gründen keine besondere Konstellation im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung vor, aufgrund derer von einem Eingriff in die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins gesprochen werden könnte:
5.1. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof wurde nämlich - in Übereinstimmung mit den Planunterlagen und dem sonstigen Akteninhalt - außer Streit gestellt, daß der antragstellende Verein zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung (und auch wohl schon lange Zeit davor) Teile des in der Äußerung der Gemeinde erwähnten "Interessentenweges" benützen mußte, um (frühestens im Bereich der Wegparzelle 441/1, allenfalls aber auch erst im Bereich der Wegparzelle 164/2) auf die noch befahrbaren Teile der mit der angefochtenen Verordung aufgelassenen Gemeindestraße zu gelangen, da vor allem die Wegparzelle 440/2 infolge des mittlerweile eingetretenen Überwuchses mit Gebüschen und Bäumen als Weg nicht mehr benützt werden konnte. Hinsichtlich des erwähnten "Interessentenweges" wurde aber außer Streit gestellt, daß es sich nicht um eine öffentliche Straße im Sinne des NÖ Landesstraßengesetzes handelt (hinsichtlich derer etwa eine Beitragsgemeinschaft zu ihrer Erhaltung bestünde - vgl. §22 NÖ Landesstraßengesetz, LGBl. 8500-0, bzw. §17 NÖ Straßengesetz 1999, 8500-0), sondern um eine Bringungsanlage iS des NÖ Güter - und Seilwegegesetzes 1973, LGBl. 6620.
5.2. Auf dem Boden dieser Feststellungen konnte die angefochtene Verordnung somit in ein Recht des antragstellenden Vereins, seine Grundstücke auf dem Gemeindegebiet von Brand-Laaben über eine Gemeindestraße auf der Grundlage des Gemeingebrauches an öffentlichen Verkehrsflächen zu erreichen, nicht eingreifen, da eine solche Zufahrtsmöglichkeit im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung nicht mehr bestanden hatte. Der antragstellende Verein war vielmehr schon damals auf privatrechtliche Vereinbarungen mit den Eigentümern der nicht zum öffentlichen Gut gehörenden, oder sonst im Gemeingebrauch stehenden Wegparzellen zum Zwecke einer Zufahrt zu seinen Grundstücken über das Gemeindegebiet von Brand-Laaben (oder auf die Duldung dieser Zufahrt) angewiesen; dies geht auch aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und mit den Parteien des Verfahrens erörterten Bescheid der Gemeinde Hainfeld vom 5. März 1999 hervor, mit welchem dem antragstellenden Verein auf den in seinem Eigentum stehenden, aber bereits im Gemeindegebiet von Hainfeld gelegenen Grundstücken die Errichtung einer Schutzhütte (anstelle des vorhandenen Unterstandes für Waldarbeit und für die Bewirtung von Wanderern) bewilligt wurde und in dem festgehalten wurde, daß privatrechtliche Vereinbarungen zum Zwecke der Zufahrt abzuschließen sein würden.
6. Der Antrag erweist sich daher schon deshalb als unzulässig, weil die Verordnung nicht auf die behauptete Weise in die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins eingreift; er war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
Bodenreform, Güter- und Seilwege, Straßenverwaltung, Gemeindestraße, Widmung, VfGH / Individualantrag, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V19.1999Dokumentnummer
JFT_09999373_99V00019_00