Index
E1E;Norm
11997E043 EG Art43;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Graf, Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache der Fa. T GmbH in B, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist, Dr. Peter Csoklich und Dr. Gregor Schett, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 2- 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 17. November 1998, RV-113.97/1-6/97, betreffend Körperschaftsteuer für 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland. Sie betreibt in Österreich eine Betriebsstätte, mit der sie in Österreich der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. In der für das Jahr 1995 abgegebenen Körperschaftsteuererklärung deklarierte sie S 7,195.478,-- als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und machte darin einen Verlustabzug gemäß § 8 Abs. 4 Z. 3 KStG in der Höhe von S 4,232.905,-- geltend. Das Finanzamt verweigerte bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1995 den beantragten Verlustabzug. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. November 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 1995 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin stellte im Berufungsverfahren außer Streit, dass die in der österreichischen Betriebsstätte in den Jahren 1991 und 1992 erlittenen Verluste Deckung in den in den betreffenden Jahren in Deutschland erzielten Gewinnen gefunden haben und die zusammengerechneten Verluste aus der österreichischen Betriebsstätte der Jahre 1993 und 1994 kleiner waren als der im Jahr 1994 in Deutschland erzielte Gewinn der Beschwerdeführerin. Den angefochtenen Bescheid begründete die belangte Behörde im Wesentlichen, dass sich aus der Bestimmung des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 das Gebot eines vorrangigen Verlustausgleichs mit ausländischen Einkünften ergebe. Der österreichische Verlustvortrag sei somit lediglich subsidiär, wobei sich aus dieser Subsidiarität ergebe, dass auch in Jahren nach der Entstehung des Verlustes vorrangig ein rechnerischer Verlustvortrag mit ausländischen Einkünften vorzunehmen sei. Beim Steuerausländer werde somit die Verlustverwertung vorrangig demjenigen Staat überlassen, der das Gesamteinkommen besteuert. Nur wenn dieses zur Aufnahme der Verluste nicht ausreichen sollte, sei eine subsidiäre Verwertung in Österreich möglich. Der Verfassungsgerichtshof habe diese den Verlustabzug einschränkende Bestimmung grundsätzlich für verfassungskonform erachtet. Die begehrte Verlustverrechnung wäre nur dann durchzuführen, wenn das österreichisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen ein dem Art. 24 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens entsprechendes Betriebsstättendiskriminierungsverbot enthielte. Dann dürfte eine österreichische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nicht schlechter gestellt werden als ein österreichisches Unternehmen. Österreichische Unternehmen seien berechtigt, die in den österreichischen Betriebsstätten entstandenen Verluste auf Einkünfte späterer Jahre vorzutragen, soweit im Verlustentstehungsjahr bzw. in den Folgejahren eine Verrechnung mit positiven inländischen oder ausländischen Einkünften nicht möglich gewesen sei. Im Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland sei zwar die sogenannte Befreiungsmethode vorgesehen, dieses Abkommen enthalte jedoch kein
Betriebsstättendiskriminierungsverbot. Daher sei im vorliegenden Fall eine Verlustverwertung nur nach inländischem Recht möglich, sodass die einschränkende Bestimmung des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 wirksam werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Abs. 6 EStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 lautet:
"Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur
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wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und
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soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln."
§ 102 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. in der genannten Fassung lautet:
"Sonderausgaben (§ 18) sind abzugsfähig, wenn sie sich auf das Inland beziehen. Soweit Sonderausgaben bereits nach § 70 Abs. 2 und 3 berücksichtigt wurden und ein Antrag im Sinn des Abs. 1 Z. 3 gestellt wird, sind sie bei der Veranlagung anzusetzen. Der Verlustabzug (§ 18 Abs. 6 und 7) steht nur für Verluste zu, die in inländischen Betriebsstätten entstanden sind, die der Erzielung von Einkünften im Sinn von § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 dienen. Er kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hat."
Der Verfassungsgerichtshof hatte mit Erkenntnis vom 16. Juni 1995, G 191, 192/94, Slg. 14.449, den letzten Satz des § 102 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, mit der Begründung als verfassungswidrig aufgehoben, dass die angeordnete Rückwirkung für das Jahr 1989 gleichheitswidrig sei. Die Einschränkung des Verlustvortrages für Steuerausländer wurde ausdrücklich als verfassungskonform bezeichnet. Mit der genannten Novelle BGBl. Nr. 201/1996 wurde die Bestimmung des § 102 Abs. 2 Z. 2 letzter Satz EStG 1988 ohne Rückwirkung (ab dem Kalenderjahr 1990) beschlossen.
In Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige konnten Verluste aus ausländischen gewerblich tätigen Betriebsstätten gemäß § 2a Abs. 3 des deutschen Einkommensteuergesetzes bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte abziehen, soweit die Einkünfte aus der ausländischen Betriebsstätte durch ein Doppelbesteuerungsabkommen befreit waren, der Verlust Gewinne aus anderen Betriebsstätten desselben Staates überstieg und ein Antrag gestellt wurde. Die Verlustberücksichtigung galt auch im Körperschaftsteuerrecht. Für bestimmte Fälle war eine Rückverrechnung der Verluste vorgesehen. (Vgl. zum Ganzen Kohlhauser/Damböck in RdW 1996, 501.)
Die Beschwerdeführerin erachtet sich ua. in ihrem Recht auf Nichtanwendung des § 102 Abs. 2 Z. 2 letzter Satz EStG, auf "EUkonforme" Auslegung, bzw. Gewährung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, vormals Art. 52 EGV) dahingehend verletzt, dass die erstgenannte Bestimmung einer Verrechnung (Verlustabzug, Verlustvortrag) von Verlusten aus einer inländischen Betriebsstätte nicht entgegenstehe, wenn im Ansässigkeitsstaat keine Möglichkeit zur (endgültigen) Verwertung des Verlustvortrags besteht.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist es verwehrt zu prüfen, ob allenfalls die behauptete Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch Versagung des Abzuges von Verlusten eingetreten ist, weil die belangte Behörde sachverhaltsmäßig nicht geprüft hat, ob ein österreichischer Betriebsstättenverlust tatsächlich für alle streitgegenständlichen Jahre zum Ausgleich zugelassen worden ist oder ob dieser Verlust wegen einer tatsächlich vorgenommenen Nachversteuerung in der Bundesrepublik Deutschland letztlich nicht steuerwirksam geltend gemacht werden konnte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999140011.X00Im RIS seit
03.02.2004