TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/18 2001/05/0104

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Veröffentlicht am 18.11.2003
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L82002 Bauordnung Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Krnt 1992 §21 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1.) des Hubert Pucher und 2.) des Gerhard Pucher, beide in Spittal/Drau, vertreten durch Dr. Gisulf Konrad, Rechtsanwalt in 8580 Köflach, Hauptplatz 12, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. Februar 2001, Zl. 8 B-BRM-226/3/2001, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Spittal/Drau, vertreten durch den Bürgermeister, 2. IMO-Markt Gesellschaft m.b.H. in Wolfsberg, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, 3. ADEG Österreich Handels-AG, Zentrale Kärnten, 9800 Spittal/Drau, St. Peterstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Kärnten insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.004,28 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. März 1995 wurde der zweitmitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung zur Errichtung eines Verbrauchermarktes auf Grundstücken der KG St. Peter/Edling erteilt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. März 1995 wurde der drittmitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung eines Großhandelsmarktes auf denselben bzw. unmittelbar anrainenden Grundstücken der KG St. Peter/Edling erteilt.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Grundstücken mit darauf errichteten Wohnhäusern, die ca. 180 m bzw. 200 m von den zu bebauenden Grundstücken der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien entfernt sind.

Mit Eingabe vom 5. Mai 1995 beantragten die Beschwerdeführer die Zuerkennung der Parteistellung im baurechtlichen Bewilligungsverfahren der mitbeteiligten Bauwerber.

Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde je vom 25. August 1995 wurden diese Anträge als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. Dezember 1995 als unbegründet abgewiesen. Die Kärntner Landesregierung wies mit Bescheid vom 20. Juni 1996 die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

Mit hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1996, Zl. 96/05/0206, wurde der letztgenannte Bescheid der Kärntner Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil Parteistellung einem Anrainer gemäß § 21 Abs. 2 Kärntner Bauordnung 1992 (BO) jedenfalls dann zukommt, wenn seine Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden können. Maßgebend ist allein die Möglichkeit einer Verletzung der den Nachbarn zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte. Nicht maßgebend ist für die Parteistellung, ob nachteilige Einwirkungen auch tatsächlich eintreten, vielmehr dient die Parteistellung gerade der Beteiligung an einem Verfahren, in dem u.a. das Eintreten der Rechtsverletzung geprüft wird. Mangels entsprechender Sachverhaltsgrundlagen konnte diese Rechtsfrage jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Im zitierten Erkenntnis wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Schon im Hinblick auf die durch den Lageplan und die Baubeschreibung dokumentierte Bewilligung des Kundenparkplatzes ist davon auszugehen, dass für Anrainer durch die bewilligten Bauvorhaben eine Immissionsbelastung (z.B. durch Lärm) entstehen kann. Ob durch die vorgesehenen Betriebsabläufe in den bewilligten Bauvorhaben im Rahmen ihres Verwendungszweckes weitere, die Anrainer belastende Immissionen entstehen, kann mangels entsprechender sachverständiger Ausführungen derzeit nicht beurteilt werden. Ob die von den bewilligten Bauwerken ausgehenden Immissionen die Grundstücke der Beschwerdeführer derart belasten, dass dadurch subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer im Sinne der obigen Rechtsprechung beeinträchtigt werden können, lässt sich auf Grund des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht beurteilen. ..."

Mit Bescheid vom 4. Februar 1997 hob in der Folge die Kärntner Landesregierung den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Spittal/Drau vom 21. Dezember 1995 auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Spittal/Drau unter Hinweis auf das vorgenannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zurück.

Der Stadtrat der Stadtgemeinde Spittal/Drau hob mit Bescheid vom 26. Februar 1997 im Grunde des § 66 Abs. 2 AVG die Bescheide des Bürgermeisters je vom 25. August 1995 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Spittal/Drau vom 12. Juni 1998 wurde der Antrag der Beschwerdeführer vom 5. Mai 1995 auf Zuerkennung der Parteistellung als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Spittal/Drau vom 19. November 1998 als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde der letztgenannte Bescheid von der Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 23. April 1999 - wegen Vorliegens von Begründungsmängeln - aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Mit Eingabe vom 9. November 1999 beantragten die Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde, weil der Stadtrat mit der Entscheidung über die Berufung säumig geworden sei.

Über Auftrag des zuständig gewordenen Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstattete der Amtssachverständige ein Gutachten vom 15. Februar 2000 zur Frage, ob die Beschwerdeführer durch das Bauvorhaben der zweit- und drittmitbeteiligten Partei auf den erwähnten Grundstücken durch Niederschlagswässer, die im Bereich der Betriebsliegenschaften anfallen, beeinträchtigt werden können. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu folgender Schlussfolgerung:

"Durch die Errichtung der Bauwerke ADEG/OBI wird die anfallende Niederschlagsmenge für das umliegende Gelände nicht erhöht.

Die am Betriebsgelände anfallenden Oberflächenwässer werden über entsprechende Anlagen auf Eigengrund zur Versickerung gebracht. Auf Grund der höhenmäßigen Situierung und des Grundwasserabflusses in Richtung Süden (lt. Gutachten Intergeo) sowie des vorbeschriebenen Höhenunterschiedes zwischen Betriebsgelände einerseits und der Zgurner Wohnhäuser andererseits und des Umstandes, dass im Bereich der Betriebe ADEG/OBI Manipulationsflächen bis zu 80 cm tiefer als das umliegende Gelände (Auffangbeckenfunktion) liegen, ist die Möglichkeit der Beeinträchtigung der ca. 200 m entfernt liegenden Grundstücke und Bauwerke der Brüder Pucher durch derartige Wässer auszuschließen.

Weiters liegen bereits Gutachten und Beweisaufnahmen für Grundwasserspiegelmessungen und eventuelle Auswirkungen der Betriebsgebäude auf die Wohnsiedlungsobjekte der Ortschaft Zgurn vom Büro INTERGEO vor, die derartige negative Einflüsse ausschließen.

Bei außergewöhnlichen Ereignissen, die ein katastrophales Ausmaß, wie im Nov. 1996 erreichen, können aber nach wie vor alle Objekte (auch ADEG und OBI) von übertretenden Wassermassen aus dem Absetzbecken (Wässer des Zgurnbaches und der Bachableitung aus dem Bereich Krieselsdorf), von den Niederschlägen an sich und von den Hangwässern der Autobahnböschung betroffen sein. Für diesen Fall kann die Ursache aber nicht die Errichtung der Betriebsbauten sein."

Die Beschwerdeführer erstatteten zu diesem Gutachten mit Schriftsatz vom 22. März 2000 eine Stellungnahme.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 28. April 2000 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 12. Juni 1998 als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch

Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Die Beschwerdeführer erstatteten zum ergänzenden Gutachten Äußerungen und legten ein Privatgutachten zur Frage, ob das Bauvorhaben der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien die Grundstücke der Beschwerdeführer nachteilig beeinträchtigen könnten, vor. Mit diesem Gutachten setzte sich der Amtssachverständige in seiner abschließenden Stellungnahme vom 31. Jänner 2001 auseinander.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Schon im Gutachten vom 15. Februar 2000 habe der Amtssachverständige festgestellt, dass die Gebäude der Beschwerdeführer in ca. 205 m Luftlinie bzw. 203 m Luftlinie von der nordöstlichsten Grundstücksgrenze des hier zu beurteilenden Betriebsareals entfernt lägen und sich zwischen diesem Areal und den Grundstücken der Beschwerdeführer eine Geländesenke befinde und in dieser Geländesenke zwei Bäche (Zgurnbach und eine Bachableitung aus dem Bereich Krieselsdorf) in ein Absetzbecken fließen, welches nordwestlich der ADEG- und OBI-Märkte liege. Ferner gehe aus diesem Gutachten hervor, dass sich zwischen diesem Absetzbecken und den ADEG- und OBI-Märkten der ehemalige Zufahrtsweg zur Ortschaft Zgrun befinde und dieser Weg durch sein höher gelegenes Niveau eine Abflussbarriere zum östlich davon gelegenen Geländeschnitt mit den in Rede stehenden Märkten bilde. Die beiden genannten Bäche seien bei Regen mit normalen Niederschlagsmengen sowie im Falle der Schneeschmelze jeweils nur Rinnsale, bei starken und lange anhaltenden Regenfällen führten sie zufolge ihres großen Einzugsgebietes reichlich Wasser. Dies werde von den Beschwerdeführern und auch vom Privatgutachter völlig verschwiegen. Ursache der von ihnen behaupteten Überschwemmungen seien aber gerade diese Bäche bei starken Regenfällen. Der Amtssachverständige habe in seiner Äußerung zum Privatgutachten auch darauf hingewiesen, dass der in der Fotodokumentation festgestellte Kanal im Ortschaftsweg nördlich der gegenständlichen Betriebsstätten liege und die Künettenauffüllung mit Wasser von Oberflächen- und Stauwässern aus dem Bereich des Absatzbeckens und aus einer Sättigung der gesamten Grundstücksflächen in der Beckenlage stamme. Somit sei aber eine Beeinträchtigung der Grundstücke der Beschwerdeführer durch allein von den gegenständlichen Bauvorhaben herrührende Abwässer auszuschließen; dies habe auch der Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 15. Februar 2000 ausdrücklich hervorgehoben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer soll die belangte Behörde nicht erkannt haben, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde bei der Berufungsentscheidung nicht gesetzmäßig zusammen gesetzt gewesen sei. Mitglieder des Gemeinderates hätten bereits "als Stadträte in dieser Sache einen negativen Berufungsbescheid erlassen".

Mit diesem Vorbringen machen die Beschwerdeführer das Vorliegen einer Befangenheit von Mitgliedern des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde bei Beschlussfassung der Berufungsentscheidung im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG geltend. Nach dieser Gesetzesstelle haben sich im Berufungsverfahren Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unterer Instanz mitgewirkt haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG nur dann vor, wenn das im Berufungsverfahren handelnde Organ in unterer Instanz an der Erlassung des Bescheides mitgewirkt hat, d.h. wenn der Bescheid ganz oder teilweise auf einem Willensakt des betreffenden Organs basiert. Keineswegs liegt aber dieser Befangenheitsgrund vor, wenn Gemeinderäte in einem früheren Berufungsverfahren eine Entscheidung getroffen haben (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 111 ff zu § 7 AVG, S. 177 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall war zu klären, ob den Beschwerdeführern in den mit Baubewilligungsbescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. März 1995 und 16. März 1995 abgeschlossenen Bauverfahren Parteistellung zukommt. Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ist die belangte Behörde auf Grund des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit der Berufungsbehörde zum Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführer in den von ihnen relevierten subjektivöffentlichen Rechten durch die bewilligten Bauvorhaben nicht berührt sein können.

Abgesehen davon, dass auf Grund der nicht als unschlüssig zu erkennenden vorliegenden Gutachten der Amtssachverständigen die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar dargelegt hat, dass durch die Entsorgung der Ab- und Niederschlagswässer der bewilligten Bauvorhaben Grundstücke der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigt werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Vorerkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0206, schon klar gestellt, dass Anrainern kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zukommt, dass durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt (Grundwasserspiegel) und die Wasserqualität nicht beeinträchtigt werden.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Amtssachverständige in seinem Gutachten logisch begründet darauf hingewiesen hat, dass auf den Grundstücksflächen der zweit- und drittmitbeteiligten Partei die anfallende Niederschlagsmenge auch bei Ausführung der bewilligten Bauvorhaben mengenmäßig gleich bleibt und daher keinerlei Kausalzusammenhang zwischen einer allenfalls mangelhaften Versickerungsanlage und den Grundstücken der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien bestehen und Einwirkungen auf das Grundwasser im Bereich der Liegenschaften der Beschwerdeführer, deren Wohnhäuser im Übrigen höher liegen als die Betriebsobjekte, auszuschließen sind.

Die Verletzung anderer durch die Bauordnung gewährleisteter subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001050104.X00

Im RIS seit

10.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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