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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des Q, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. September 2002, Zl. Fr-198/02, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und Zurückweisung der Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Ghana, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid im Instanzenzug ab und wies zugleich die Berufung gegen den genannten Bescheid als verspätet zurück.
Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei am 29. Dezember 2001 illegal nach Österreich eingereist und es sei nach seiner niederschriftlichen Vernehmung mit Bescheid vom 31. Dezember 2001 ein bis 29. Dezember 2006 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der Beschwerdeführer habe seine Angaben mit seiner Unterschrift bestätigt, wobei ihm die beabsichtigte Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Kenntnis gebracht worden sei; er habe auch die Übernahme des Aufenthaltsverbotsbescheides bestätigt. Damit gehe sein Vorbringen, dass er von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotsbescheides keine Kenntnis erlangt hätte, ins Leere. Mit Übernahme des Bescheides habe er auch Kenntnis über dessen Inhalt erlangt. Er könne keinesfalls glaubhaft machen, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens träfe. Ohne das Hinzutreten eines konkreten Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation eines in Schubhaft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Fremden hinausgehe, sei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen.
Der Beschwerdeführer habe den Bescheid am 31. Dezember 2001 erhalten und die Berufung erst am 10. Februar 2002 erhoben, weshalb diese als verspätet zurückzuweisen sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2003, B 1652/02-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der nach Vorlage der Verwaltungsakten über die ergänzte Beschwerde erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass ihm zwar bei seiner Vernehmung am 30. Dezember 2001 die Absicht der Behörde, über ihn ein befristetes Aufenthaltsverbot zu verhängen, mit Hilfe eines Dolmetschers zur Kenntnis gebracht worden sei, dass er jedoch beim Erhalt des Bescheides am 31. Dezember 2001 weder über den Spruch noch über die Begründung eine verständliche Erklärung erhalten hätte. Unrichtig sei daher die behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit Übernahme des Bescheides auch Kenntnis über dessen Inhalt erlangt habe.
Diese Mängelrüge ist nicht berechtigt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist so zu verstehen, dass dem Beschwerdeführer mit Hilfe eines Dolmetschers bekannt gegeben worden sei, dass beabsichtigt sei, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, und er somit bei Übernahme des Bescheides gewusst habe, dass es sich um das angekündigte Aufenthaltsverbot handle. Sollte die belangte Behörde mit dem "Inhalt" - siehe oben - des Bescheides nicht nur dessen Spruch, sondern auch dessen Begründung gemeint haben, so bezog sie sich offenbar darauf, dass - wie der Niederschrift zu entnehmen ist - dem Beschwerdeführer mit Hilfe des Dolmetschers auch die Gründe für das beabsichtigte Aufenthaltsverbot mitgeteilt worden sind. Abgesehen davon fehlt der geltend gemachten Mängelrüge die Relevanz. Es genügt nämlich, dass dem Fremden bewusst gewesen sein muss, rechtlich bedeutsame Schriftstücke erhalten zu haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 96/21/0430). Dies ist vorliegend zweifellos zu bejahen, wurde doch dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in verständlicher Weise mitgeteilt.
Betreffend den an einen Fremden anzulegenden Sorgfaltsmaßstab sprach der Gerichtshof wiederholt aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0110), dass selbst die Tatsache, dass der der deutschen Sprache nicht mächtige Fremde sich in Schubhaft befindet, ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes nicht ausreicht, die Wiedereinsetzung zu bewilligen. Der Beschwerdeführer befand sich gar nicht in Schubhaft und verweist zur Darlegung eines Hinderungsgrundes lediglich darauf, dass er physisch erschöpft gewesen und sofort nach Aushändigung des Bescheides nach Traiskirchen überstellt worden sei. Damit wird aber in keiner Weise dargetan, dass er auch in den folgenden Tagen gehindert gewesen wäre, sich Kenntnis vom Inhalt des Bescheides zu verschaffen. Es kann somit dem Beschwerdeargument nicht zugestimmt werden, dass der Beschwerdeführer sich in einer ungünstigeren Position als ein Schubhäftling befunden habe.
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass das Asylgesetz 1997 in seinem § 29 fordert, Bescheiden, die einem der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen Asylwerber zuzustellen sind, eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in einer ihm verständlichen Sprache anzuschließen. Es sei nach Meinung des Beschwerdeführers verfassungswidrig, dies in der vergleichbaren Situation eines eben erst eingereisten und mit einem Aufenthaltsverbot bedachten Fremden nicht zu fordern. Diese Ansicht wird jedoch vom Verwaltungsgerichtshof (der im Erkenntnis vom 1. August 2000, Zl. 98/21/0196, diese Bestimmung ausdrücklich nicht auf Ausweisungsbescheide - und somit auch nicht auf Aufenthaltsverbotsbescheide - als anwendbar bezeichnete) nicht geteilt; auch der Verfassungsgerichtshof (der wie eingangs erwähnt die Behandlung der vorliegenden Beschwerde ablehnte) sieht offenkundig diesbezüglich keine Verfassungswidrigkeit.
Schon deswegen führt das Beschwerdeargument, die belangte Behörde hätte in verfassungskonformer Auslegung dem Beschwerdeführer Spruch und Begründung des Aufenthaltsverbotsbescheides in einer ihm verständlichen Weise zur Kenntnis bringen müssen, die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Dass die Berufung verspätet eingebracht wurde, wird in der Beschwerde nicht bekämpft, weshalb ihr auch diesbezüglich der Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. November 2003
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003210090.X00Im RIS seit
19.12.2003