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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Thomas Beck, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Franz Lisztgasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 23. April 2003, Zl. Fr-89/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, ist am 8. Februar 2002 illegal nach Österreich eingereist und hat in der Folge einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. April 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan "zur Zeit" nicht zulässig sei. Über eine gegen die Abweisung im Asylteil erhobene Berufung wurde nach der Aktenlage bislang noch nicht entschieden.
Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23. Jänner 2003 wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Diesem Schuldspruch liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 10. Oktober 2002 die rechtswidrige Einreise von vier afghanischen Staatsangehörigen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert habe, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn und zwei (namentlich genannte) Mittäter, an die zumindest EUR 1.200,-- gezahlt worden seien, geschehe; und zwar habe der Beschwerdeführer die vier Geschleppten an diese Mittäter "vermittelt" und an eine weitere Person ("Fahrzeugschlepper") übergeben.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 5 iVm §§ 37 und 39 FrG ein bis 20. März 2013 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die belangte Behörde verwies zur Begründung dieser Maßnahme auf das der erwähnten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers. Bei Delikten wie der Schlepperei liege es in der Natur der Sache, dass sie üblicherweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen begangen werden und eine Wiederholungsgefahr bestehe. Diese Ansicht werde im vorliegenden Fall durch die Tatsache gestützt, dass die Tathandlungen des Beschwerdeführers (vermitteln, übergeben) den Schluss auf einen organisierten Ablauf und ein planmäßiges Zusammenwirken mehrerer Personen zulasse. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, es bestehe die Gefahr, der Beschwerdeführer könnte neuerlich als Schlepper tätig sein. Durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers wäre somit die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.
Der Beschwerdeführer habe weder berufliche noch familiäre oder sonstige Bindungen in Österreich geltend gemacht. Die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wiege nach Ansicht der belangten Behörde schwerer als die Untersagung des "vorübergehenden" Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, gelte es doch, gesetzlich verpönten Verhaltensweisen wie der Schlepperei wirksam entgegen zu treten. Aus diesen Erwägungen habe die belangte Behörde auch das ihr eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausüben können.
Unter Bedachtnahme auf die schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Schlepperunwesen sei - so die belangte Behörde abschließend - der Wegfall dieser Gefährdung vor Ablauf von (berechnet vom Datum des erstinstanzlichen Bescheides 20. März 2003) zehn Jahren nicht vorhersehbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 5 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat. "Schlepperei" begeht nach § 104 Abs. 1 FrG, wer die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn oder einen Anderen geschieht.
Der Beschwerdeführer stellt die erwähnte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ebenso wenig in Abrede wie die darauf gegründete Auffassung, es sei im Hinblick auf diesen Schuldspruch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 5 FrG erfüllt. Die Beschwerde wendet sich auch nicht gegen die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, die Umstände der Tatbegehung rechtfertigten die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Sie zeigt auch keine Umstände auf, denen unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG maßgebliche Bedeutung zukäme. Angesichts des erst relativ kurzen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) von etwas mehr als einem Jahr und mangels konkreter Anhaltspunkte für darüber hinausgehende integrationsbegründende Umstände ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung der Schlepperkriminalität, an deren Bekämpfung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht, im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten erachtete und bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib in Österreich nicht höher bewertete als das besagte öffentliche Interesse.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil dem Beschwerdeführer die Stellung als Asylwerber (mit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 AsylG) zukommt und ihm darüber hinaus Refoulement-Schutz zuerkannt wurde, was nach § 15 AsylG bei Vorliegen der dort erwähnten Voraussetzungen die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach sich zieht. Das bedeutet zwar, dass das Aufenthaltsverbot infolge des nach § 21 Abs. 2 AsylG während des Asylverfahrens bestehenden umfassenden Schutzes vor Zurück- und Abschiebung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Oktober 2000, Zl. 99/20/0406) und auch noch danach wegen der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan vorläufig nicht durch eine Abschiebung (nach Beendigung des Asylverfahrens: nach Afghanistan) zwangsweise durchgesetzt werden kann. Daraus lässt sich aber - jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden - noch nicht schließen, dass mit der Erlassung eines (auf § 36 Abs. 2 Z 5 FrG gestützten) Aufenthaltsverbotes bis zur Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden nach Afghanistan oder auch nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens zugewartet werden müsste (vgl. zu Letzterem das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 2000/21/0068). Entgegen der Beschwerdemeinung ergibt sich Gegenteiliges weder aus dem von ihr ins Treffen geführten § 21 Abs. 2 AsylG noch aus Abs. 1 dieser Bestimmung (vgl. demgegenüber § 20 Abs. 1 AsylG).
Diesen Umständen kommt aber auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung - die Kritik daran bildet den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen - keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. auch dazu das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 9. Oktober 2001). Richtig ist, dass die Bestimmung des § 36 Abs. 1 FrG der Behörde insofern Ermessen einräumt, als sie diese ermächtigt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den §§ 36 bis 38 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Sie hat hiebei in Erwägung zu ziehen, ob und gegebenenfalls welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, und sich dabei insbesondere von den Vorschriften des Fremdengesetzes leiten zu lassen. Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 36 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 98/18/0167, und zuletzt das Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2001/21/0004).
Besondere Umstände im dargestellten Sinn, die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechen könnten, vermag die Beschwerde aber nicht aufzuzeigen. Weder die Höhe der Freiheitsstrafe - die Beschwerde meint, es handle sich um eine "außergewöhnlich milde" Strafe - noch deren bedingte Nachsicht mussten die belangte Behörde zu einer anderen Beurteilung kommen lassen. Vielmehr durfte sie das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes beurteilen und sie war an die gerichtlichen Erwägungen im Rahmen der Strafbemessung oder einer bedingten Strafnachsicht nicht gebunden (vgl. aus jüngerer Zeit - ebenfalls zu einer u.a. wegen Schlepperei verhängten bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten - das hg. Erkenntnis 10. September 2003, Zl. 2003/18/0187). Entgegen der Beschwerdemeinung hat sich die belangte Behörde dabei nicht nur auf allgemein gehaltene Formulierungen beschränkt, sondern zutreffend das konkrete Tatverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die Begehung der Schlepperei unter Einbindung in eine Organisation, berücksichtigt. Angesichts des - wie erwähnt - besonders großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung der Schlepperkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2000/21/0155) ist die Ermessensübung der belangten Behörde somit vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstanden.
Schließlich kann aber auch die für notwendig erachtete Dauer des Aufenthaltsverbotes - vor dem Hintergrund der erörterten Umstände dieses Beschwerdefalles und angesichts dessen, dass nach § 39 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot wie das vorliegende auch unbefristet erlassen werden kann - nicht als rechtswidrig angesehen werden. Auch die Beschwerde vermag keine maßgeblichen Umstände ins Treffen zu führen, aufgrund derer anzunehmen wäre, die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes würden vorhersehbarerweise zu einem früheren Zeitpunkt wegfallen, wobei auch in diesem Zusammenhang angemerkt sei, dass die Fremdenbehörde an Erwägungen des Strafgerichtes bei der Strafbemessung nicht gebunden war. Entgegen der Beschwerdemeinung liegt insoweit auch kein relevanter Begründungsmangel vor.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Beschwerde ein Erfolg zu versagen und sie somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. November 2003
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003210138.X00Im RIS seit
19.12.2003