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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde der K, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 25. Juni 2001, Zl. 1- 0111/01/E2, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, schuldig gesprochen, sich in der Zeit vom 13. September 1997 bis 17. September 1999 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Wegen Übertretung des § 107 Abs. 1 Z 4 iVm § 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 107 Abs. 1 FrG eine Geldstrafe von S 2.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, es stehe nach mündlicher Berufungsverhandlung fest, dass die Beschwerdeführerin im Sommer 1993 mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist und nach Ablauf dessen Gültigkeit im Bundesgebiet verblieben sei. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich, die im angelasteten Zeitraum auch sonst über keine Bewilligungen nach dem FrG oder dem Asylgesetz verfügt habe, sei daher rechtswidrig gewesen. Daran könne auch nichts ändern, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin, gleichfalls ein türkischer Staatsangehöriger, seit vielen Jahren in Österreich lebe und arbeite. Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 setze nämlich den Besitz einer Genehmigung voraus, zu diesem zu ziehen. Über eine solche Genehmigung verfüge die Beschwerdeführerin aber nicht. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ergäben sich bei der Beschwerdeführerin "keinerlei Anhaltspunkte", die ihr Verschulden ausschließen könnten. So könne insbesondere auch der Umstand, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin in Österreich aufenthaltsberechtigt sei, nicht zur Straflosigkeit der Beschwerdeführerin führen. Zur Strafhöhe verwies die belangte Behörde auf zwei einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Oktober 2001, B 1237/01-3, abgelehnt und mit Beschluss vom 23. November 2001, B 1237/01-6, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die von der Beschwerdeführerin ergänzte Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde u.a. geltend, dass sie im August 1993 mit einem gültigen "Dreimonatsvisum" in das Bundesgebiet eingereist sei und seither durchgehend acht Jahre in Österreich lebe, wo auch ihr Ehegatte seit vielen Jahren beschäftigt sei. Seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet habe sie drei eheliche Kinder in Österreich geboren, die mit ihr und ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebten. Vor diesem Hintergrund wendet die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein.
Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass die unstrittig in Österreich seit Jahren lebende Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren wiederholt auf die langjährige Beschäftigung ihres Ehegatten im Bundesgebiet hingewiesen hat. Aktenkundig sind weiters die Namen der drei Kinder der Beschwerdeführerin (vgl. Akt Seite 53 sowie die Niederschrift über die Berufungsverhandlung der belangten Behörde vom 30. Mai 2001). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 99/21/0217, unter Bezugnahme auf Vorjudikatur dargelegt, dass bezüglich des Tatbestandes des § 107 Abs. 1 Z 4 FrG ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund gemäß § 6 VStG angenommen werden müsse, wenn einer Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG im Weg steht. In einem Verwaltungsstrafverfahren nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG ist daher die Zulässigkeit einer (hypothetischen) Ausweisung des Fremden unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als Vorfrage zu prüfen (vgl. zum Ganzen auch die hg. Erkenntnisse vom 8. November 2001, Zl. 99/21/0220 und vom 26. Juni 2002, Zl. 99/21/0041).
Indem die belangte Behörde somit in unrichtiger Beurteilung der Rechtslage die privaten und familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin keiner Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK unterzogen hat (vgl. dazu auch das die Beschwerdeführerin und ihre Kinder betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2001, B 394-397/01), hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Hinblick auf die bewilligte Verfahrenshilfe abzuweisen.
Wien, am 19. November 2003
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001210179.X00Im RIS seit
12.12.2003