TE Vfgh Erkenntnis 2000/6/27 B2090/99

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2000
beobachten
merken

Index

82 Gesundheitsrecht
82/04 Apotheken, Arzneimittel

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK 1. ZP Art1
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
ApothekenG §24
ApothekenG §27

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurücknahme der Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke infolge Inbetriebnahme einer neuen öffentlichen Apotheke in einer Entfernung von weniger als 4 km; keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des ApothekenG

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin betreibt eine behördlich konzessionierte öffentliche Apotheke in Guntramsdorf und eine dazugehörige Filialapotheke in Gumpoldskirchen.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1999, Zl. 7-H, nahm die Bezirkshauptmannschaft Mödling die Bewilligung zum Betrieb der Filialapotheke in Gumpoldskirchen gemäß §27 iVm. §44 Abs1 und 2 ApothekenG 1906, RGBl. 5/1907, zuletzt in der Fassung von BGBl. I 120/1998, zurück.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es wie folgt:

"Mit Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 27. Juli 1988 wurde Frau Mag. pharm. J.R. gem. §24 Abs1 Apothekengesetz die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke in 2352 Gumpoldskirchen, Wienerstraße 92, erteilt. Am 9. August 1989 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Mödling Frau Mag. pharm. J.R. die Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung der Filialapotheke im Standort 2352 Gumpoldskirchen, Wienerstraße 92. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 18. Juni 1998, Zl. GS4-2/G-18/11-98, wurde der Nachtrag zum Abtretungsübereinkommen vom 19. Februar 1998, abgeschlossen zwischen Frau Mag. pharm. J.R., Apothekerin, Hauptstraße 18a, 2353 Guntramsdorf und Frau Mag. pharm. G.R., Apothekerin, Berggasse 17/2/14, 1090 Wien, zum Betrieb der Filialapotheke in 2352 Gumpoldskirchen, Wienerstraße 92, genehmigt.

Mit Schreiben vom 16. Juli 1999 teilte Frau Mag. pharm. R.T., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F.S., der Bezirkshauptmannschaft Mödling mit, dass ihr mit Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 26. Juli 1998, GZ 262.691/0-VIII/A/4/98, die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Standort Traiskirchen, Möllersdorf, Dr.Karl Adlitzer-Straße 33, erteilt wurde und die öffentliche Apotheke mit heutigem Tag in Betrieb genommen worden sei.

Sie ersuchte gleichzeitig um Zurücknahme der Filialapotheke in Gumpoldskirchen unter Beilage eines verkehrstechnischen Gutachtens des Amtes der NÖ Landesregierung vom 11. November 1997, Zl. BD2-VG-1709/43.

Aus diesem Gutachten, welches über Auftrag des Landeshauptmannes von NÖ im Wege der Bezirkshauptmannschaft Mödling erstellt wurde, ergibt sich als kürzeste öffentliche Straßenverbindung (ganzjährig befahrbar) zwischen der Filialapotheke in 2352 Gumpoldskirchen, Wienerstraße 92, und der öffentlichen Apotheke in 2514 Möllersdorf, Dr. Karl Adlitzer-Straße 33, nachstehender Straßenzug:

Kreuzung Dr. Karl Adlitzer-Straße/Albert Schweizergasse - Albert Schweizergasse - Johann Straußstraße - Josef Deitzerstraße - Anton Hermannstraße - Wienerstraße (B 17) - Gumpoldskirchnerstraße - Gumpoldskirchnerstraße (L 4042) - Gemeindegrenze, - Wienerstraße (L 4042) - Thalernstraße - Jubiläumstraße. Die Länge der Straßenverbindung Möllersdorf, Dr. Karl Adlitzer-Straße 33 und Gumpoldskirchen, Jubiläumsstraße 41 ergab bei zweimaliger Befahrung mit einem PKW jeweils 3,350 km. Daraus ergibt sich zwingend eine Wegstrecke von Möllersdorf, Dr. Karl Adlitzer-Straße 33 nach Gumpoldskirchen, Wienerstraße 92 von zumindest weniger als 3,350 km, da der Standort Wienerstraße 92 (L 4042) näher Richtung Möllersdorf liegt als der Standort Jubiläumsstraße 41.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 27. September 1999, 7-H, wurde der Bürgermeister der Marktgemeinde Gumpoldskirchen von der beabsichtigten Schließung der gegenständlichen Filialapotheke verständigt und eingeladen, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Dieser teilte am 15. Oktober 1999 der Bezirkshauptmannschaft Mödling mit, dass ein Wegfall der Gumpoldskirchner Apotheke eine Gefährdung der medizinischen Versorgung seines Ortes darstellen würde. Gleichzeitig übermittelte er in Kopie eine Sammlung von mehr als 1800 Unterschriften von Bewohnern aus Gumpoldskirchen, welche sich gegen eine Schließung der Filialapotheke aussprechen.

Eine Erhebung im Wege der Bezirkshauptmannschaft Baden hat ergeben, dass die öffentliche Apotheke im Standort 2514 Traiskirchen, Möllersdorf, Dr. Karl Adlitzer-Straße 33, am 19. Juli 1999 in Betrieb genommen wurde.

Die Bezirkshauptmannschaft Mödling führt dazu rechtlich wie folgt aus:

Gemäß §27 Apothekengesetz 1906 ist die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke von der Behörde zurückzunehmen, wenn in der Umgebung eine neue öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wird und die Betriebsstätte der Filialapotheke von der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke nicht mehr als eine Wegstrecke von 4 km entfernt ist.

Gemäß §44 Apothekengesetz 1906 obliegt die Handhabung der Vorschriften dieses Gesetzes, insoweit das Gesetz nicht andere Anordnungen enthält oder die Kompetenz der Gerichte eintritt, in erster Instanz den politischen Bezirksbehörden (Bezirkshauptmannschaften, Kommunalämter der mit eigenen Statuten versehenen Gemeinden), in deren Bezirke die Apotheke, die Filiale oder der Notapparat sich befindet oder in Aussicht genommen ist.

Wo daher im Texte dieses Gesetzes eine Verwaltungsbehörde oder Behörde ohne nähere Bezeichnung erwähnt wird, ist darunter die zuständige politische Behörde erster Instanz zu verstehen.

Auf Grund der Konzessionserteilung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Standort Traiskirchen, Möllersdorf, Dr. Karl Adlitzer-Straße 33, durch den Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 26. Juni 1998 an Frau Mag. pharm. R. T. und die nachweisliche Inbetriebnahme dieser öffentlichen Apotheke mit 19. Juli 1999 sowie der Tatsache, dass sich diese öffentliche Apotheke in einer Entfernung von weniger als 3,350 km, somit erheblich unter 4 km, von der Betriebsstätte der Filialapotheke in 2352 Gumpoldskirchen befindet, war von der Behörde spruchgemäß zu entscheiden."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG), Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 Erstes ZPMRK), Entscheidung eines Tribunals über zivilrechtliche Ansprüche (Art6 EMRK) und Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes begehrt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

4. Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat über Einladung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des §27 ApothekenG Stellung genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die §§24 und 27 ApothekenG in dessen zuletzt geltender und hier anzuwendender Fassung lauten:

"Vierter Titel

Filialapotheken

§24. (1) Dem Inhaber einer öffentlichen Apotheke ist die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke für eine Ortschaft, in der sich keine öffentliche Apotheke oder ärztliche Hausapotheke befindet, zu erteilen, wenn diese Ortschaft nicht mehr als vier Straßenkilometer von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke entfernt ist und der Bedarf nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln besteht.

(2) Die Filialapotheke darf nur im Zusammenhang mit der öffentlichen Apotheke, für die sie bewilligt wurde, betrieben werden.

(3) Der Betrieb einer Filialapotheke unterliegt der Aufsicht des verantwortlichen Leiters der öffentlichen Apotheke, für welche die Filialapotheke bewilligt wurde. Die Arzneimittelabgabe darf nur durch diesen verantwortlichen Leiter oder sonstige vertretungsberechtigte pharmazeutische Fachkräfte (§5 Abs1) erfolgen.

(4) Die Betriebszeiten einer Filialapotheke sind unter Berücksichtigung des Bedarfes nach Anhören der Österreichischen Apothekerkammer von der Bezirksverwaltungsbehörde so festzusetzen, daß zumindest ein zeitweises Offenhalten an Werktagen gegeben ist. Eine Dienstbereitschaft außerhalb der jeweils festgesetzten Offenhaltezeiten entfällt.

(5) Filialapotheken haben als räumliche Erfordernisse mindestens eine Offizin, einen Waschraum und eine entsprechende sanitäre Einrichtung aufzuweisen. Nähere Vorschriften über die Anlage und Einrichtung dieser Räumlichkeiten hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz durch Verordnung zu erlassen.

(6) Dem Inhaber einer öffentlichen Apotheke darf nur der Betrieb einer Filialapotheke bewilligt werden.

(7) Für Filialapotheken gelten §9 Abs2 und §14 Abs1 sinngemäß.

(...)

§27. Die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke ist von der Behörde zurückzunehmen, wenn in der Umgebung eine neue öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wird und die Betriebsstätte der Filialapotheke von der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke nicht mehr als eine Wegstrecke von vier Kilometern entfernt ist. Gegen den Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

2. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet:

2.1.1. Die Beschwerdeführerin rügt vorerst die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und begründet dies folgendermaßen:

"Der Verfassungsgerichtshof leitet in nunmehr ständiger Judikatur aus dem Gleichheitssatz ein allgemeines Sachlichkeitsgebot für Gesetze ab (vgl. Korinek, Gedanken zur Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, in: FS Melichar (1983) 39; Holoubek, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, ÖZW 1991, 72). Eben diesem Sachlichkeitserfordernis genügt §27 ApG nicht:

§24 Abs1 ApG normiert die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Filialapotheke. Erforderlich sind demnach neben der räumlichen Nähe zur Betriebsstätte der Stammapotheke insbesondere das Bestehen eines 'Bedarfs nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln'. Nach der dazu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Judikatur ist ein solcher Bedarf immer dann anzunehmen, wenn von der Filialapotheke 'eine wesentliche Erleichterung der Heilmittelversorgung unter dem Gesichtspunkt der Wegersparnis' zu erwarten ist (vgl zusammenfassend VwGH 22.10.1991, 87/08/0278; Serban/Heisler, Apothekengesetz (l998) 165 f; vgl weiters jüngst VwGH 18.10.1999, 96/10/0113).

Es ist zu betonen, daß diese verwaltungsgerichtliche Auslegung der Bedarfsregelung des §24 Abs1 ApG vollkommen mit den - aus den Materialien erweislichen und durch die bisherige Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hinreichend klargestellten - Zielsetzung des Apothekengesetzgebers übereinstimmt:

Das im ApG angeordnete standardisierte Bedarfsprüfungsverfahren soll das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung sicherstellen und somit gewährleisten, daß die benötigten Heilmittel für die österr Bevölkerung stets in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, und zu erschwinglichen Preisen verfügbar sind (so bereits Puck, Die Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken - Realtypus wirtschaftlicher Gestaltungsformen, in: FS Wenger (1983) 579; VfGH 2.3.1998, G37/79 ua).

Oberste Zielsetzung des Apothekengesetzgebers ist daher die Sicherung der Heilmittelversorgung. Nur aus diesem Grund hat er ein Konzessionssystem geschaffen, das die Bewilligung zur Errichtung, und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ebenso wie die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung und Betrieb einer Filialapotheke zuvorderst vom Bestehen eines Bedarfs nach einer weiteren 'Verabreichungsstelle von Arzneimitteln' abhängig macht. Die Bestimmungen des §10 Abs1 Z2 und des §24 Abs1 ApG gleichen sich in dieser Hinsicht.

Der gegenständliche §27 ApG ist nun insofern eine systemwidrige Besonderheit, als diese Bestimmung den Bezirkshauptmann dazu verpflichtet, eine Filialapothekenbewilligung im Fall der Inbetriebnahme einer neuen öffentlichen Apotheke 'in der Umgebung' ohne Rücksicht darauf zurückzunehmen, ob am Standort der Filialapotheke weiterhin ein Bedarf an einer solchen Heilmittelabgabestelle besteht. Einzige Voraussetzung für die Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung ist nach dieser Bestimmung, daß die Betriebsstätte einer neu in Betrieb genommenen öffentlichen Apotheke von der bestehenden Filialapotheke 'nicht mehr als eine Wegstrecke von vier Kilometern entfernt ist'. Damit widerspricht §27 ApG aber der Systementscheidung des Apothekengesetzgebers, Apothekenbewilligungen vom Bedarf der Bevölkerung an weiteren Heilmittelabgabestellen abhängig zu machen; §27 ApG stellt eben nicht auf eine solche Bedarfsprüfung, sondern lediglich auf eine Entfernungsmessung ab. Die in §27 ApG normierte Schließungsvoraussetzung weicht somit ohne ersichtlichen Grund und ohne erkennbare Notwendigkeit von den wohlüberlegten und systemimmanenten Bewilligungsvoraussetzungen für Apotheken aller Art ab. Regelungen aber, die - wie die vorliegende - ohne sachliche Rechtfertigung von einem vom Gesetzgeber gewählten Ordnungssystem abweichen, sind verfassungswidrig (vgl VfSlg 8793, 13.876, 14.532; vgl weiters Bernegger, Der (allgemeine) Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und das Diskriminierungsverbot gemäß Art14 EMRK, in:

Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich3 (1997) 728 ff).

Gegen dieses Ergebnis kann insbesondere nicht eingewendet werden, daß das bisherige Versorgungspotential einer solcherart zu schließenden Filialapotheke nunmehr eben durch die 'in der Umgebung' neu in Betrieb genommene öffentliche Apotheke abgedeckt werde und somit die Frage der Bedarfsbefriedigung ohnehin in Übereinstimmung mit den sonstigen Bedarfsprüfungsverfahren des ApG entsprechend gewürdigt wird. Diese Überlegung würde nämlich nur dann zutreffen, wenn der Bedarf an einer Filialapotheke bereits dann gegeben wäre, wenn sich innerhalb eines 4 km-Radius um die Betriebsstätte der Filialapotheke keine öffentliche Apotheke befindet. Nur in diesem Fall könnte man einen apothekengesetzlichen Standard dergestalt behaupten, daß nach dem Willen des Apothekengesetzgebers eine im 4 km-Radius neu in Betrieb genommene öffentliche Apotheke jedenfalls geeignet ist, den vorher von einer Filialapotheke gedeckten Bedarf vollständig zu befriedigen.

Eine nähere Betrachtung zeigt freilich, daß der Apothekengesetzgeber gerade von der gegenteiligen Auffassung ausgeht:

§24 Abs1 ApG läßt eine Filialapotheke nämlich überhaupt nur dann zu, wenn die Betriebsstätte der Stammapotheke 'nicht mehr als vier Straßenkilometer' von der Ortschaft der Filialapotheke entfernt ist. Das aufrechte Bestehen einer öffentlichen Apotheke innerhalb des 4 km-Radius ist daher nach dem Willen des Apothekengesetzgebers nicht nur kein Hinderungsgrund, sondern gerade zu die Voraussetzung für eine Filialapothekenbewilligung und kann mithin nicht geeignet sein, den Bedarf an einer weiteren Verabreichungsstelle für Arzneimittel standardisiert zu verneinen.

Der Apothekengesetzgeber ist daher erkennbar davon ausgegangen, daß der Betrieb einer öffentlichen Apotheke im 4 km-Radius von einer Filialapothekenbetriebsstätte generell nicht ausreicht um das Bestehen eines Bedarfs nach einer weiteren Verabreichungsstelle für Heilmittel jedenfalls zu verneinen.

Mehr noch: §27 ApG stellt lediglich auf die Neuinbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke innerhalb des 4 km-Radius ab. Ob daneben andere öffentliche Apotheken bereits bestehen, ist hingegen völlig unerheblich. Dies führt in Fällen wie dem vorliegenden dazu, daß eine bereits bestehende öffentliche Apotheke die Bewilligung einer Filialapotheke in der nur wenige 100 m entfernten Nachbarortschaft nicht hindert, eine solcherart (aufgrund des vorhandenen Bedarfs) erteilte Filialapothekenbewilligung aber von der Behörde zurückgenommen werden muß, wenn in einer knapp 4 km entfernt gelegenen - verkehrsmäßig an die Filialapothekenortschaft gar nicht angeschlossenen - Gemeinde eine öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wird. Schon diese Ausführungen zeigen, daß der Bedarf an einer Filialapotheke sachgemäßerweise zuvorderst nach dem Kriterium des Bestehens einer 'besonderen Nachfragesituation' zu beurteilen ist (vgl zB VwGH 22.10.1991, 87/08/0278; 21.11.1994, 91/10/0074). Daß daher §27 ApG die Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung ohne Rücksicht auf das Fortbestehen eines solchen Bedarfs nur an den Umstand der Inbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke knüpft, ist verfassungswidrig: Die Unsachlichkeit einer solchen Regelung ist evident, ihre Systemwidrigkeit nahezu mit Händen greifbar.

Gerade im gegenständlichen Fall ist evident, daß auch nach Eröffnung der öffentlichen Apotheke in Möllersdorf nach wie vor ein Bedarf an der von mir betriebenen Filialapotheke in Gumpoldskirchen besteht: Dies erweist sich nicht nur aus einem Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde Gumpoldskirchen vom 15.10.1999, in dem für den Fall der Schließung der in Rede stehenden Filialapotheke eine eklatante Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung von Gumpoldskirchen mit Heilmitteln aufgezeigt wird, sondern auch aus einer Sammlung von mehr als 1.800 (sic!) Unterschriften von Bewohnern von Gumpoldskirchen, die sich gegen die Schließung der Filialapotheke aussprechen. Schließlich: Der Verwaltungsgerichtshof hat sich erst jüngst erneut mit der Frage des Bedarfsermittlungsverfahrens bei Filialapotheken auseinandergesetzt und - in Abkehr von seiner bisherigen Judikatur - ausgesprochen, daß '(b)ei der Erteilung einer Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke ... unter anderem zu prüfen (ist), ob die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Errichtung der Filialapotheke verringert und weniger als 5500 betragen wird' (VwGH 18.10.1999, 96/10/0113). Der Bedarf an einer Filialapotheke ist mit anderen Worten dann gegeben, wenn eine besondere Nachfragesituation vorherrscht (§24 Abs1 ApG) und die bestehenden öffentlichen Apotheken im Bewilligungsfall nicht unter die apothekengesetzlich geschützte Zahl von 5.500 zu versorgende Personen fallen würden (§l0 Abs2 Z3 ApG).

Eben dieser besondere Bedarf ist für Gumpoldskirchen aber sozusagen 'amtlich bestätigt': Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 19.10.1999, GS 4-2/G-29/4-99, wurde Frau Mag. pharm. M. P. die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Gumpoldskirchen erteilt; die Einsprüche der bestehenden öffentlichen Apotheken in Guntramsdorf, Möllersdorf, Traiskirchen und Pfaffstätten sind mangels Existenzgefährdung abgewiesen worden. Die solcherart erteilte Konzession wurde von der Konzessionärin jedoch mittlerweile aufgrund unvorhergesehener Ereignisse (eigener Gesundheitszustand der 68-jährigen Konzessionärin sowie Pflegebedürftigkeit ihres Lebensgefährten) zurückgelegt. Aufgrund dieses jüngst ergangenen Bescheids ist es evident, daß in Gumpoldskirchen der Bedarf (zumindest) für eine Filialapotheke besteht; dies insbesondere auch im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Bedarfsprüfung bei Filialapotheken. Dennoch ist die Behörde aufgrund der Bestimmung des §27 ApG gezwungen, meine bereits bestehende Filialapotheke in Gumpoldskirchen zu schließen.

Ein solcher Schließungszwang ohne jede Rücksichtnahme auf den gegebenen Bedarf an einer Heilmittelabgabestelle (hier: in Gumpoldskirchen) widerspricht den Intentionen des ApG, ist unsachlich und mithin verfassungswidrig.

Die gleichheitssrechtliche Unzulänglichkeit der Schließungsbestimmung des §27 ApG zeigt sich aber auch aus einem anderen Blickwinkel: Das ApG enthält keine Regelung, die nach der einmal erfolgten Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung eine neuerliche Bewilligung derselben Filialapotheke am selben Standort ausschließen würde. Die Zurücknahme der Bewilligung ist nämlich - wie bereits dargetan - ausschließlich an eine Entfernungsmessung geknüpft, wohingegen bei der Bewilligung einer Filialapotheke 'der Bedarf nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln' zu prüfen ist. Die in §24 ApG normierten Voraussetzungen für eine Bewilligungserteilung sind im gegenständlichen Fall gegeben. Der Wortlaut des Gesetzes ist somit eindeutig und steht einer nochmaligen Erteilung einer Filialapothekenbewilligung nicht entgegen.

Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, daß der neuerlichen Bewilligung der in Rede stehenden Filialapotheke die Rechtskraft des Rücknahmebescheids entgegenstünde: Die Annahme einer 'res iudicata' setzt nämlich Identität der Verwaltungssache voraus; die 'Sache' des Zurücknahmeverfahrens ist jedoch eine völlig andere als jene der neuerlichen Bewilligung. Die Zurücknahme einer Bewilligung und deren Erteilung sind von vornherein verschiedene 'Sachen' im Rechtssinn (es gibt in der Rechtsordnung eine Vielzahl an Beispielen, wo nach Rücknahme eines Rechts die Neuerteilung dieses Rechts ohne weiteres möglich ist; man denke nur an das Konzessions-, Berufs- und Anlagenrecht). Hinzu kommt, daß - wie gezeigt werden konnte - die Voraussetzung für die Zurücknahme ausschließlich die Entfernung ist, wohingegen für die Neubewilligung der völlig anders zu beurteilende Bedarf maßgeblich ist. Nicht zuletzt wäre auch die Annahme sach- und damit verfassungswidrig, lediglich der bisherige Inhaber der Filialapotheke sei wegen res iudicata (nur er kann ja Bescheidadressat des Schließungsbescheids sein) von einer neuerlichen Bewilligung derselben Filialapotheke am selben Ort ausgeschlossen, jeder andere 'Nachbarapotheker' könne jedoch neuerlich eine solche Bewilligung erhalten.

Auch nach Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung ist somit die neuerliche Bewilligungserteilung (auch an den bisherigen Inhaber der Filialapothekenbewilligung) zulässig.

Im konkreten Fall wäre eine solche Bewilligung auch tatsächlich neuerlich zu erteilen, weil in Gumpoldskirchen keine öffentliche Apotheke bewilligt ist, die öffentliche Apotheke in Möllersdorf als bereits bestehende öffentliche Apotheke (und somit: nicht als neu in Betrieb genommene Apotheke im Sinne des §27 ApG) anzusehen ist und ein Bedarf an dem Betrieb einer Filialapotheke in Gumpoldskirchen nachweislich besteht.

Dies bedeutet im Ergebnis, daß §27 ApG für mich verpflichtend die Bewilligungszurücknahme vorsieht, obwohl ich nachfolgend erneut einen Antrag auf Bewilligung derselben Filiale stellen darf; da die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind, wäre mir diese zweifellos auch zu erteilen. Aber: Für die Dauer des diesbezüglichen Verfahrens müßte meine - bereits bestehende, voll funktionstüchtige und von der arzneimittelsuchenden Bevölkerung stark nachgefragte - Filialapotheke geschlossen werden. Die Bevölkerung von Gumpoldskirchen wäre für die gesamte, in der Praxis meist jahrelange Dauer des neuerlichen Bewilligungsverfahrens ohne ausreichende Heilmittelversorgung. Ich müßte das Personal inzwischen kündigen, hätte sinnlose Mietaufwendungen zu tragen usw.

Dieses Ergebnis ist unsinnig und kann vom Apothekengesetzgeber nicht ernstlich gewollt sein. Dieses sinnlose Ergebnis ist allein auf die Abweichung der Voraussetzungen des §27 ApG für die Rücknahme einer Filialapothekenbewilligung von der grundsätzlichen Systementscheidung des Apothekengesetzgebers, die Existenz von Apotheken vom Bestehen eines Bedarfs abhängig zu machen, zurückzuführen. Dies ist ein weiterer Beleg für die Unsachlichkeit der in Rede stehenden Bestimmung."

2.1.2. Das Vorbringen ist im Ergebnis nicht berechtigt.

2.1.2.1. Ziel des ApothekenG ist die im öffentlichen Interesse liegende klaglose und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln. Nach dem System des ApothekenG hat die Versorgung grundsätzlich durch konzessionierte öffentliche Apotheken (vgl. §§1 und 9 leg.cit.) zu erfolgen, die entsprechend besonderen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der Betriebszeiten und des Bereitschaftsdienstes, unterliegen.

Der Verfassungsgerichtshof hat aus diesem Grund in seinem Erk. vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103/1998, Regelungsansätze des ApothekenG, die dem Existenzschutz bestehender Apotheken dienen, grundsätzlich als zulässig erkannt:

"In seiner bisherigen Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß Bedenken gegen die gesetzlich geforderte Berücksichtigung der Existenzfähigkeit bestehender Apotheken bei der Konzessionserteilung an neu zu errichtende Apotheken nicht bestehen. Diese Anforderung diene der klaglosen Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln und liege damit im öffentlichen Interesse (VfSlg. 8765/1980, 10.386/1985, 10.692/1985, 11.937/1988, 12.873/1991). Konkret nahm der Verfassungsgerichtshof an, daß die bestehenden öffentlichen Apotheken sonst ihrer Betriebspflicht allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnten (VfSlg. 10.386/1985). Er hat auch im Erk. VfSlg. 10.386/1985 die Annahme für gerechtfertigt gehalten, daß nur wirtschaftlich gesunde und starke Apotheken ein optimales Medikamentenlager halten können.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch durch die Argumente des Verwaltungsgerichtshofes im Primärantrag nicht veranlaßt, von dieser Position abzurücken. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - und auch der Verwaltungsgerichtshof nicht bezweifelt -, liegt das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, jedenfalls im öffentlichen Interesse. Dieses Ziel besteht darin, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls (unter Zitierung von Puck in FS Wenger, 577, 579) zutreffend ausführt, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar zu machen.

Der Verfassungsgerichtshof hält es für plausibel, daß dieses Ziel angesichts des konkreten rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeldes, in dem Apotheken zu arbeiten haben, Betriebe mit einer bestimmten Mindestgröße voraussetzt. Nur solche Betriebe sind bei einer Durchschnittsbetrachtung wirtschaftlich in der Lage, geschultes Personal aufzunehmen, das zur raschen Versorgung erforderliche Heilmittellager zu unterhalten, die erforderliche und erwartete Beratung der Kunden durchzuführen, die detaillierten Regeln über die Betriebspflicht und den Bereitschaftsdienst zu beachten und die erforderliche Fortbildung zu gewährleisten.

Dazu kommt, daß öffentliche Apotheken bei ihrer betrieblichen Tätigkeit in einem überdurchschnittlichen Ausmaß in ein Netz von öffentlichrechtlichen Verpflichtungen eingebunden sind und besonderen Beschränkungen etwa hinsichtlich der Betriebszeiten, des Bereitschaftsdienstes, der Werbung oder der Preisbildung unterliegen (vgl. auch VfSlg. 13.328/1993). Alle diese Anforderungen und Restriktionen sind offenbar auf den gemeinsamen Nenner zurückzuführen, daß durch die öffentlichen Apotheken der `klaglose Betrieb für die öffentliche Sanitätspflege´ (so die Formulierung des §6 Abs1 ApG) gesichert sein soll. Anders als der Verwaltungsgerichtshof ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß sich öffentliche Apotheken dadurch auch von anderen Berufen des Gesundheitswesens, etwa den freiberuflich tätigen Ärzten, unterscheiden, die derartigen Verpflichtungen und Beschränkungen nicht oder nur in gelinderem Maße unterliegen.

Die öffentliche Inpflichtnahme für bestimmte, im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben und die Betriebspflicht hat der Verfassungsgerichtshof bei Rauchfangkehrern als ausreichende Rechtfertigung dafür angesehen, diesen Unternehmen Schutz vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch in Form von weitgehenden Zugangsbeschränkungen zu gewähren. Er hat es in diesem Zusammenhang für nicht ausgeschlossen erachtet, daß im Fall eines uneingeschränkten Wettbewerbs eine freie Konkurrenz zu Lasten der gewissenhaften Besorgung der feuerpolizeilichen Aufgaben gehen könnte, wodurch öffentliche Interessen ebenfalls gravierend beeinträchtigt werden würden (VfSlg. 12.296/1990). Diese Überlegungen treffen aber auf öffentliche Apotheken, denen im Interesse eines klaglosen Betriebes für die öffentliche Sanitätspflege nicht nur eine Betriebspflicht, sondern darüber hinaus zahlreiche weitere Verpflichtungen und Restriktionen auferlegt sind, umso mehr zu."

Neben öffentlichen Apotheken läßt das ApothekenG in beschränktem Maße auch Filialapotheken (§§24 ff. leg.cit.) und ärztliche Hausapotheken (§§28 ff. ApothekenG) zu. Die ärztlichen Hausapotheken haben nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes lediglich Surrogatfunktion (s. VfSlg. 5648/1967) für die Fälle, in denen eine öffentliche Apotheke für die Versorgung der Bevölkerung nicht vorhanden ist.

Das Konzept der §§24 ff. ApothekenG für Filialapotheken ist mit dem Konzept für ärztliche Hausapotheken durchaus vergleichbar. Auch im Fall der Filialapotheken geht es um die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln, die anders nicht hinreichend gewährleistet würde.

Das Recht zum Betrieb von Filialapotheken ist vom Recht zum Betrieb einer konzessionierten öffentlichen Apotheke abgeleitet (vgl. §24 Abs1, 2 und 6 ApothekenG). Der Betrieb einer Filialapotheke soll bloß die Versorgung der Bevölkerung im näheren Umfeld einer "Stammapotheke" (vgl. §24 Abs1 ApothekenG) erleichtern. Aus diesem Grund unterliegt die Filialapotheke insbesondere nicht der strengen Betriebszeitenregelung für öffentliche Apotheken, sondern es reicht ein "zeitweises Offenhalten an Werktagen" (§24 Abs4 ApothekenG; vgl. weiters die geringeren Anforderungen an Betriebsräume nach §24 Abs5 leg.cit.). Durch diese Regelungen wird die Surrogatfunktion einer Filialapotheke ersichtlich.

Im Einklang mit diesen Systementscheidungen sieht §27 ApothekenG vor, daß die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke zurückzunehmen ist, wenn im Umfeld von vier Kilometern eine konzessionierte öffentliche Apotheke neu errichtet wird.

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen dieses System dem Grunde nach keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Er hegt insbesondere keine Bedenken dagegen, daß Filialapotheken - als quasi dislozierte Verkaufsstellen einer öffentlichen Apotheke - einer anderen zusätzlichen öffentlichen (Voll-)Apotheke, die uneingeschränkt allen apothekenrechtlichen Pflichten im Interesse optimaler Heilmittelversorgung entsprechen muß, zu weichen haben. Daran vermag auch eine allenfalls mit der Schließung der Filialapotheke verbundene Erschwerung der Versorgung im Standort dieser Filialapotheke nichts zu ändern, weil dieser Nachteil durch die Verbesserung der Versorgung eines (regelmäßig) größeren Personenkreises durch die Errichtung und den Bestand einer öffentlichen (Voll-)Apotheke, die überdies im Vergleich zur Filialapotheke zusätzlichen Betriebspflichten im öffentlichen Interesse obliegt, mehr als wettgemacht wird.

Der Verfassungsgerichtshof hegt des weiteren keine Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber dieses (suppletorische) Verhältnis zwischen (Voll-)Apotheken und Filialapotheken u.a. auch - in zulässig typisierender Weise - durch die Voraussetzung einer Mindestentfernung von vier Kilometern (§27 ApothekenG) zum Ausdruck bringt.

2.1.2.2. Die Beschwerdeführerin wäre indessen mit ihrem Vorbringen im Ergebnis im Recht, wenn dem Gesetz - wie sie meint - tatsächlich ein Inhalt zu unterstellen wäre, der innerhalb einer einmal gewählten Systementscheidung (wie hier dem Verhältnis zwischen Vollapotheken und Filialapotheken) eine unsachliche Unterscheidung einführt. Dieser Fall wäre jedenfalls dann gegeben, wenn - wie die Beschwerdeführerin behauptet - die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke im Umkreis von vier Kilometern von der Filialapotheke zwar zur Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung führen, aber nicht ausschließen würde, daß auf Antrag alsbald wieder eine Bewilligung für diese Filialapotheke erteilt werden müßte, weil bei der Bewilligungsentscheidung der Abstand von vier Kilometern von der (fremden) öffentlichen Apotheke nicht zu prüfen wäre. Eine solche Regelung wäre - hier ist der Beschwerdeführerin zweifelsohne zu folgen - schon deswegen unsachlich, weil sie dem Filialapothekenbetreiber Belastungen auferlegen würde, ohne daß dem erkennbare öffentliche Nutzen gegenüberstünden.

Indes kann dem Gesetz kein solcher Inhalt unterstellt werden, mag auch der Wortlaut des ApothekenG (in seinen §§24 und 27) auf den ersten Blick in diese Richtung deuten. Der Verfassungsgerichtshof ist vielmehr der Auffassung, daß eine sinnorientierte wie auch eine verfassungskonforme Interpretation ohne weiteres zu dem Ergebnis führt, daß die §§24 und 27 ApothekenG auch einer (erstmaligen oder neuerlichen) Bewilligung einer Filialapotheke entgegenstehen, wenn eine andere, von einem Dritten betriebene öffentliche Apotheke im Umkreis von vier Kilometern besteht.

Die von der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht behauptete Verfassungswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden generellen Normen liegt daher nicht vor.

2.2. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung greife in die verfassungsrechtlich gewährleistete Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des Ersten ZPMRK) ein und verletze das Grundrecht mangels sachlicher Rechtfertigung der mit §27 ApothekenG verbundenen Eingriffsermächtigung.

Der Verfassungsgerichtshof muß nicht abschließend entscheiden, ob die Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung nach §27 ApothekenG überhaupt in den Schutzbereich der genannten Grundrechte eingreift. Selbst wenn dies nämlich zuträfe, wäre der Eingriff nach dem vorhin Gesagten (s. II.2.1.2. oben) im öffentlichen Interesse gerechtfertigt und durch die Gesetzesvorbehalte zu diesen Grundrechten gedeckt.

2.3. Was die Rüge anlangt, die Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung sei ein Abspruch über ein "civil right" im Sinne von Art6 EMRK, weshalb die Entscheidungsbefugnis der Bezirksverwaltungsbehörde den Anforderungen des Art6 EMRK, der ein Tribunal garantiere, widerspreche, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach außerhalb des Kernbereiches des Zivilrechts - und die Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung fällt nicht in diesen Kernbereich - die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts den Garantien des Art6 EMRK gerecht wird (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 15.149/1998 mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung).

2.4. Die Beschwerdeführerin meint letztlich, daß die Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) verletze, zumal auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103/1998, ausgesprochen habe, daß die Existenzfähigkeit einer neu geschaffenen Apotheke nicht durch den Gesetzgeber garantiert, sondern in einer freien Marktwirtschaft der Einschätzung des Konzessionswerbers überlassen bleiben solle.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die bereits oben (s. II.2.1.2.) näher dargelegten öffentlichen Interessen die Eingriffsregelung des '27 ApothekenG angesichts des Gesetzesvorbehaltes zu der durch Art6 StGG verbürgten Freiheit der Erwerbstätigkeit zu rechtfertigen vermögen. Dabei ist im besonderen zu bedenken, daß die Filialapotheken den öffentlichen (Voll-)Apotheken schon angesichts der gravierenden Unterschiede in den ihnen im öffentlichen Interesse auferlegten Pflichten nicht gleichzuhalten sind, weshalb die bevorzugende Behandlung auch erst später errichteter öffentlicher (Voll-)Apotheken systemkonform ist und der Verweis auf VfSlg. 15.103/1998 deshalb ins Leere geht.

3. Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid daher in keinem der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Apotheken, Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B2090.1999

Dokumentnummer

JFT_09999373_99B02090_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten