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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren: * Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals: 99/21/0018 B 18. März 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, in der Beschwerdesache des S, vertreten durch Mag. Felix Wallner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz Ring 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. August 2002, Zl. Fr 5602/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in den hg. Beschwerdesachen Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.
Begründung
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
Mit hg. Beschluss vom 18. März 2003, Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 (EU 2003/0001 und 0002), wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:
"1. Sind die Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (RL), dahin auszulegen, dass die Verwaltungsbehörden - ungeachtet des Bestehens eines innerbehördlichen Instanzenzuges - die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ohne Erhalt der Stellungnahme einer (in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen) zuständigen Stelle nach Art. 9 Abs. 1 der RL - außer in dringenden Fällen - dann nicht treffen dürfen, wenn gegen ihre Entscheidung bloß die Erhebung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit nachgenannten Einschränkungen zulässig ist: Diesen Beschwerden kommt nicht von vornherein eine aufschiebende Wirkung zu, den Gerichtshöfen ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung verwehrt und sie können den angefochtenen Bescheid nur aufheben; weiters ist der eine Gerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) im Bereich der Tatsachenfeststellungen auf eine Schlüssigkeitsprüfung, der andere Gerichtshof (Verfassungsgerichtshof) darüber hinaus auf die Prüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschränkt?
2. Sind die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der unter Pkt. 1. genannten RL auf türkische Staatsangehörige anzuwenden, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zukommt?"
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, der Vater des Beschwerdeführers halte sich bereits seit 1987 in Österreich auf und er gehe hier "seit Jahren" - nach dem in den Verwaltungsakten liegenden Sozialversicherungsausdruck (AS 417) zumindest seit 16. Oktober 1989 - einer legalen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer sei erstmalig (am 18. Dezember) 1992 (somit im Alter von 11 Jahren) gemeinsam mit seiner Mutter nach Österreich eingereist. Aus ergänzend beigeschafften Aktenbestandteilen ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer (wie auch seiner Mutter und seinen Geschwistern) auf bei der österreichischen Botschaft in Ankara gestellten Antrag vom 10. August 1993 eine Aufenthaltsbewilligung zur Familiengemeinschaft "mit Fremden" für die Zeit vom 15. November 1993 bis 4. Februar 1994 erteilt wurde. Dem in den Verwaltungsakten befindlichen Datenausdruck aus dem Fremdenakt des Beschwerdeführers (AS 89) ist zu entnehmen, dass ihm im Anschluss daran und ohne Unterbrechung bis 1. Juli 1999 weitere (jeweils befristete) Aufenthaltsbewilligungen mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" und danach Niederlassungsbewilligungen zu jeglichem Aufenthaltszweck erteilt wurden. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände bestehen im vorliegenden Fall ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer unter den Kreis der nach Art. 7 des ARB berechtigten türkischen Staatsangehörigen fällt. Die wiedergegebenen Fragen bilden daher auch in diesem Beschwerdefall Vorfragen, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden sind.
Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 4. September 2003, Zl. 2000/21/0050).
Wien, am 19. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002210158.X00Im RIS seit
07.01.2004