TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/21 2000/02/0002

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Veröffentlicht am 21.11.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §36 Abs3 litA idF 1996/411;
AlVG 1977 §36 Abs3 litA idF 1998/I/006;
AlVG 1977 §36 Abs3 litA lita idF 1995/297;
ASVG §5 Abs2 litc;
NotstandshilfeV §5 Abs2 idF 1996/240;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der HS in H, vertreten durch Dr. Hans Kröppl, Rechtsanwalt in Kindberg, Hauptstraße 7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 24. November 1999, Zl. LGS600/ALV/1218/1999-Gra/Pa, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mürzzuschlag (kurz: AMS Mürzzuschlag) vom 18. Oktober 1999 wurde gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis 31. Oktober 1998 widerrufen "bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und die beschwerdeführende Partei gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 52.531,-- (im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch aushaftender Restbetrag von S 37.858,--) verpflichtet.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe für den Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis 31. Oktober 1998 die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zu Unrecht bezogen, weil sie dem AMS nicht mitgeeilt habe, dass sie bereits ab 1. Jänner 1996 eine Unfallrente von der AUVA erhalte. Der Rückforderungsbetrag werde in monatlichen Raten zu S 1.040,-- vom laufenden Leistungsbezug einbehalten.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung. Darin führte sie u.a. aus, dass nach § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG nur die Hälfte einer gesetzlichen Unfallversorgung als eigenes Einkommen auf die Notstandshilfe anzurechnen sei, sofern diese Bezüge auf Grund der Regelung des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG überhaupt anzurechnen seien. Die Beschwerdeführerin habe sowohl in den Jahren 1996 bis 1998, als auch im Jahre 1999 lediglich ein Einkommen in Form einer monatlichen Unfallrente bezogen. Der dem Einkommen anrechenbare Betrag sei wegen der niedrigen Rente jedenfalls unter der Höchstgrenze des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG gelegen gewesen.

Mit Bescheid vom 24. November 1999 gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe die ihr ab 1. Jänner 1996 gebührende Unfallrente der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt der Regionalen Geschäftsstelle des AMS Mürzzuschlag nicht gemeldet. Die beschwerdeführende Partei sei daher der ihr obliegenden Meldepflicht nicht nachgekommen. Da es sich um kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit handle, sei die Geringfügigkeit nicht maßgeblich und in jedem Fall eine Anrechnung vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, richtig sei, es entspreche der aktuellen Rechtslage, dass nur ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, welches die Geringfügigkeitsgrenze des gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrages nicht übersteige, nicht auf die Notstandshilfe anzurechnen sei, weil § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der aktuell gültigen Fassung explizit das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit nenne. Diese Bestimmung sei erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 6/1998 vom 9. Jänner 1998, Inkrafttretensdatum 10. Jänner 1998, eingeführt worden. In der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 sei keinesfalls die Rede davon, dass ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit dieser Regelung unterliege, sondern jedes Einkommen und somit auch jenes aus einer Unfallrente.

Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist nach § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden. Zu diesen Bestimmungen des Abschnittes 1 zählen u.a. auch die vorzitierten Regelungen des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der geltend gemachte Anspruch auf Notstandshilfe zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2000/08/0196).

§ 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995, die bis 30. April 1996 in Kraft war, lautete:

"Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:

a) Das Einkommen aus einer vorübergehenden Beschäftigung, das innerhalb eines Monats erzielt wird, ist, soweit es die im § 5 Abs. 2 lit. c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge übersteigt, zur Hälfte anzurechnen.

b) Das sonstige Einkommen des Arbeitslosen, das er neben seiner Notstandshilfe erzielt, ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen."

§ 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996, die vom 1. Mai 1996 (vgl. § 79 Abs. 33 AlVG) bis 9. Jänner 1998 in Kraft war, lautete:

"Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:

Das Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen sind die im  12 Abs. 3 lit. g angeführten Einkommen sowie ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt."

Mit Art. V Z. 1 der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 wurde in § 36 Abs. 3 lit. A AlVG der Ausdruck "§ 5 Abs. 2 lit. c ASVG" durch den Ausdruck "§ 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat" ersetzt.

§ 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 6/1998 (in Kraft getreten am 10. Jänner 1998) lautet:

"Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:

Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt."

Nach § 5 Abs. 2 der Verordnung betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung), BGBl. Nr. 352/1973, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 325/1995 (im Kraft gewesen bis 29. Mai 1996), ist das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats aus einer vorübergehenden Beschäftigung erzielt, soweit es den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag übersteigt, zur Hälfte anzurechnen. § 12 Abs. 3 lit. a AlVG bleibt dadurch unberührt. Als vorübergehende Beschäftigung gilt eine Arbeit, die für einen kürzeren Zeitraum als für eine Woche vereinbart wurde.

Nach § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung in der Fassung der am 30. Mai 1996 in Kraft getretenen Verordnung BGBl. Nr. 240/1996 ist ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, auf die Notstandshilfe nicht anzurechnen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 97/08/0153, zu § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 sowie zu § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 240/1996 ausgeführt hat, gilt der Ausschluss geringfügiger Einkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe nach dem klaren Wortlaut der angeführten Bestimmungen nicht nur für Einkommen, die aus einer Beschäftigung erzielt werden.

Im Gegensatz dazu stellt das AlVG hinsichtlich der zu beachtenden Geringfügigkeitsgrenze in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 in § 36 Abs. 3 lit. A in der lit. a auf ein " Einkommen aus einer vorübergehenden Beschäftigung" und in § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr. 6/1998 auf ein "Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit" ab.

Da sich die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage hinsichtlich des Zeitraumes, in dem die Novelle BGBl. Nr. 411/1996 anzuwenden war, nicht mit der Frage auseinander setzte, wie hoch während dieses Zeitraumes die Unfallrente der Beschwerdeführerin war und ob diese in diesem Zeitraum - wie die Beschwerdeführerin bereits in der Berufung behauptete - unter der genannten Geringfügigkeitsgrenze blieb, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser - mangels Trennbarkeit des in einem Gesamtbetrag pauschal festgesetzten Rückforderungsbetrages - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. November 2003

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000020002.X00

Im RIS seit

22.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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