TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/21 2001/02/0067

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Veröffentlicht am 21.11.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §21;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §110 Abs3;
FrG 1997 §61;
FrG 1997 §66 Abs1;
FrG 1997 §73 Abs2;
FrG 1997 §73 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. Februar 2001, Zl. UVS- 01/25/1746/2001/5, betreffend Festnahme und Schubhaft (mitbeteiligte Partei: AG, geboren 1962, vertreten durch Dr. Eva Barki, Rechtsanwalt in Wien I, Landhausgasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Februar 2001 wurde der an diese gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten unter Berufung auf § 73 Abs. 2 und 4 FrG Folge gegeben und dessen (am 30. Jänner 2001) erfolgte Festnahme sowie die Schubhaft (seit 30. Jänner 2001) und der Schubhaftbescheid vom 30. Jänner 2001 für rechtswidrig erklärt; weiters wurde der Bund gemäß § 79a FrG gegenüber dem Mitbeteiligten zum Kostenersatz verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 74 FrG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu Recht rügt die Beschwerde zunächst, dass die belangte Behörde die Festnahme des Mitbeteiligten nur unter dem Blickwinkel des § 61 Abs. 1 FrG - und nicht nach § 110 Abs. 3 FrG - geprüft habe. Es ist zwar richtig - so die belangte Behörde in der Gegenschrift -, dass die an sie gerichtete Beschwerde auf "§ 72 FrG" gestützt wurde, doch war die belangte Behörde an diese Bezeichnung nicht gebunden; vielmehr ergibt sich nach der Aktenlage die Richtigkeit der Behauptung der beschwerdeführenden Sicherheitsdirektion, dass die Festnahme nach § 110 Abs. 3 FrG erfolgte. Auch trifft das Vorbringen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift - unabhängig von der Relevanz -, der Schubhaftbescheid habe sich in seiner Begründung "ausdrücklich auf die gemäß § 61 Abs. 1 FrG erfolgte Festnahme" gestützt, nicht zu (vgl. im Übrigen zu einem Fall einer Festnahme nach § 110 Abs. 3 FrG und die nachfolgende Schubhaft das hg. Erkenntnis vom 28. März 2003, Zl. 2001/02/0035).

Die Schubhaft wurde von der belangten Behörde in zwei Abschnitten behandelt und zwar unter I) hinsichtlich der (Festnahme und) Anhaltung bis zur Einbringung eines Asylantrages durch den Mitbeteiligten (am 2. Februar 2001) sowie unter II) hinsichtlich der Anhaltung ab Einbringung dieses Antrages.

Was zunächst die Erwägungen der belangten Behörde zu I) anlangt, so wird darin nicht dargetan, die Voraussetzungen für die Schubhaft lägen entsprechend dem § 61 Abs. 1 FrG an sich nicht vor. Vielmehr hat die belangte Behörde die Rechtswidrigkeit der Schubhaft allein darin erblickt, es sei "nicht nachvollziehbar", dass der Zweck derselben nicht durch Anwendung gelinderer Mittel (§ 66 Abs. 1 FrG) erreicht hätte werden können, zumal der Mitbeteiligte schon bei seiner ersten Einvernahme vorgebracht habe, einer seiner Söhne halte sich in Österreich auf, und es der Behörde "wohl möglich und zumutbar gewesen wäre, einen Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Sohnes anhand von Meldedaten oder anhängigen Asylverfahren festzustellen", wobei der Aufenthaltsort des Sohnes der Behörde auch bekannt sein hätte müssen (da dieser bereits am 13. Dezember 2000 einen Asylantrag eingebracht habe und dessen Einvernahme für 26. Februar 2001 geplant gewesen sei).

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser, von der belangten Behörde in Hinsicht auf den Aufenthaltsort des Sohnes des Mitbeteiligten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt den Tatsachen entsprach oder - wie in der vorliegenden Beschwerde vorgebracht - nicht, denn selbst wenn der belangten Behörde insoweit nicht entgegen getreten werden könnte, wäre für sie nichts gewonnen: Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/02/0309) liegt es nämlich - sofern der Fremde nicht minderjährig ist (was im Beschwerdefall nicht zutrifft) - im "Ermessen" der Behörde, im Einzelfall von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen; ein "Ermessensfehler" (vgl. auch dazu näher das soeben zitierte hg. Erkenntnis) der die Schubhaft verhängenden Behörde liegt aber nicht vor: Dass nämlich der Aufenthalt eines Sohnes des Mitbeteiligten in Österreich für sich allein diese Behörde - um im Sinne des Gesetzes eine Entscheidung bei der Ermessensübung zu treffen - dazu verhalten hätte müssen, von einem "gelinderen Mittel" als der Schubhaft Gebrauch zu machen, ist nicht erkennbar.

Aber auch die weitere Beurteilung der Schubhaft ab Einbringung des Asylantrages durch den Mitbeteiligten (Erwägungen der belangten Behörde unter II) ist mit Rechtswidrigkeit belastet:

Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. September 2003, Zl. 2003/02/0154), dass es des Vorliegens "aller" Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 AsylG bedarf, damit u.a. § 61 FrG betreffend die Schubhaft auf Asylwerber nicht anwendbar wäre. Es kann daher dahinstehen, ob dem Mitbeteiligten eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukam oder nicht (sodass der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1999, B 1862/98 = VfSlg. 15684/99 ins Leere geht), weil die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage nicht festgestellt hat (was in der Aktenlage auch keine Deckung fände), eine der Voraussetzungen der Z. 1. bzw. 2. des § 61 Abs. 1 AsylG (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 1998, Zl. 98/02/0044, und vom 19. November 2002, Zl. 2002/21/0155) träfen auf den Mitbeteiligten zu.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 21. November 2003

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001020067.X00

Im RIS seit

22.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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