TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/24 2000/10/0170

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
NatSchG Bgld 1990 §5 litb;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 lita;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 litc;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der A GmbH in G, vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in 7033 Pöttsching, Wr. Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. September 2000, Zl. 5-N-B 1945/2-2000, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen der beschwerdeführenden Partei um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Anlage zur Gewinnung von Schotter auf den Grundstücken Nr. 5522/4, 5522/5 und 5522/28 der KG Z. gemäß §§ 5 lit. b, 6 Abs. 1 lit. a und c sowie 56 Abs. 1 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes 1990 - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 (in der Folge: Bgld NatSchG), abgewiesen.

Nach der Begründung habe die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See den entsprechenden Antrag der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 30. Dezember 1999 abgewiesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung sei von der belangten Behörde ein ergänzendes Gutachten eines Sachverständigen für Landschaftsschutz zur Frage der Beeinflussung des Landschaftsbildes und der Beeinträchtigung des Landschaftscharakters eingeholt worden, zumal das im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene Gutachten des Sachverständigen keinen Befund enthalten habe, der den betroffenen Landschaftsraum beschreibe. Das nunmehr eingeholte Gutachten laute wie folgt:

"Befund:

... Die geplante Abbaufläche befindet sich ca. 5 km nordöstlich von Gols bzw. ca. 5,5 km südwestlich von Zurndorf. Der Gebäudekomplex des Friedrichshofes liegt ca. 750 m nordwestlich. Die umliegenden Grundstücke sind intensiv landwirtschaftlich genutzt. Südlich und nördlich wird das Areal durch Güterwege begrenzt, ebenfalls südlich führt die Ostautobahn vorbei. In mittlerer Entfernung nordwestlich befinden sich im Anschluss an den Friedrichshof Schotterabbaufelder, die zum Teil in Betrieb, zum Teil stillgelegt sind. Etwa 800 m in nordöstlicher Richtung führt eine 380 kV- und eine 220 kV-Elektrofreileitung vorbei.

Das Relief stellt sich im betreffenden Landschaftsbereich als weitgezogene, flache, wellenförmige Senke dar, die von Nordwesten nach Südosten verläuft. Die Oberflächenrauigkeit ist sehr gering und fast nur im Mikrorelief vorhanden (Ackerfurchen). Gehölze fehlen im mittleren Nahbereich des Standortes zur Gänze, solche finden sich erst wieder im Bereich des Friedrichshofes bzw. südlich der Autobahntrasse.

Das geplante Abbaufeld weist eine annähernd rechteckige Fläche von ca. 4 ha mit einer Breite von 180 m und einer Länge von 220 m auf. Die max. Abbautiefe soll 5 m betragen, an drei Seiten soll ein Erdwall bis zu einer Höhe von 1,50 m über dem bestehenden Gelände errichtet werden. Die geplanten Abbaumaßnahmen sollen in drei Abschnitten erfolgen. Sie sollen insgesamt einen Zeitraum von 8 Jahren in Anspruch nehmen. ...

Das gegenständliche Areal befindet sich großräumig betrachtet im Landschaftsraum der Parndorfer Platte, die im Norden von der Leithaniederung und im Süden von der Seenplatte begrenzt wird, zu der sie relativ markant und steil über einen Wagram (Steilstufe) abfällt. Die Parndorfer Platte erstreckt sich über eine Länge von 20 km von Nordwesten nach Südosten und weist eine durchschnittliche Breite von 8 bis 10 km auf. Kennzeichnend für diesen Landschaftsraum ist, insbesondere im nordwestlichen Bereich, die gleichförmige, nahezu unendliche, bis zum Horizont reichende Ebene. Das fast ebene Gelände wird überwiegend landwirtschaftlich (ackerbaulich) genutzt. Die Ebene wird von geradlinig verlaufenden Erschließungswegen durchzogen. Diese Wege werden meist von Gehölzen, abwechselnd in Form von Hecken und Baumreihen, begleitet, die oft die Funktion von Windschutzgürteln übernehmen. Ansonsten wird das Bild der Landschaft durch einen sehr spärlichen Gehölzbestand, sporadische Einzelbäume und kleinere Gehölzgruppen geprägt. Weiter im Südosten, etwa beim Siedlungskomplex des Friedrichshofes wird das Gelände bewegter. Hier geht die Ebene in flache Senken (wie im Umfeld des betreffenden Abbaustandortes) über, die in Form von sanften Wellen mit weitgezogenen Kuppen abwechseln. Noch weiter nach Südosten hin nimmt diese bewegte Reliefformation immer mehr zu. Größere Gehölzgruppen und kleinere Wälder wirken landschaftsprägend.

Die Ortschaften liegen alle am Rande der Parndorfer Platte, entweder entlang der Leitha oder am Fuß des Wagrams. Letztere gehören jedoch bereits zum Landschaftsbereich der Seenplatte. Eine Ausnahme bilden die Ortschaften Parndorf und Neudorf, die innerhalb der Parndorfer Platte liegen. Im Inneren der Platte liegen auch die zahlreichen Gutshöfe (Meierhöfe), von denen viele nicht mehr bewirtschaftet werden und verfallen sind. Die noch bewohnten dienen wie schon seit ihrer Gründung vor allem der Verwaltung des Großgrundbesitzes. Sie stellen meist Gebäudegruppen in Form von Weilern dar. Durch die dichten Baum- und Gehölzbestände an den Rändern sind sie in der Regel gut in das Landschaftsbild eingebunden. Ansonsten ist die Landschaft frei von Gebäuden.

Im Landschaftsbild besonders wirksam werdende, störende anthropogene Elemente sind die elektrischen Freileitungen, die Autobahn und die Eisenbahntrassen. Ebenso stellen aufgelassene und sich im Betrieb befindliche Sand- und Schottergruben das Landschaftsbild und den Landschaftscharakter störende Elemente dar. ...

Gutachten:

Landschaftsbild und Landschaftscharakter im betroffenen Landschaftsraum - insbesondere im nordwestlichen und zentralen Teil der Parndorfer Platte - werden vorwiegend durch die weite Ebene mit landwirtschaftlicher (ackerbaulicher) Nutzung, Bracheflächen, durch spärliche Gehölzausstattung - Gehölzgruppen, meist in Form von Reihen oder Windschutzgürteln entlang von Wegen und kleinen Wäldern sowie Bepflanzungen im Bereich der Gutshöfe, und auch sporadische Solitärgehölze - geprägt.

Ein weiteres kennzeichnendes Element ist die weitgehende Freiheit von Bebauung, lediglich die - zum Teil nicht mehr im Betrieb befindlichen und schon verfallenen - Gutshöfe als konzentriert angeordnete Gebäudegruppen in Form von Weilern sind als Landschaftselemente vorhanden. Diese werden jedoch durch den meist dichten Gehölzbestand an ihren Rändern kaum im Landschaftsbild wirksam.

Bestehende technische Anlagen und Einrichtungen, wie die großräumigen Trassen der elektrischen Freileitungen, der Autobahn und der Eisenbahn sowie die Schotter- und Sandabbauflächen stellen in der vorwiegend durch naturräumliche Elemente geprägten Landschaft störende Elemente dar. Dies trifft auch auf die gegenständliche geplante (bzw. bereits begonnene) Anlage zu, die sich im zentralen Bereich der Parndorfer Platte befindet. Durch die große Abbaufläche wird das bestehende Relief vollkommen verändert. Dadurch und die für den Abbau erforderlichen technischen Einrichtungen sowie die neben der Abbaufläche gelagerten Materialien wird das Erscheinungsbild des betreffenden Landschaftsbereiches empfindlich gestört. Der vorherrschende Landschaftscharakter wird dadurch zweifellos nachteilig beeinträchtigt. Auf die beiliegende Fotomontage, die diesen Umstand aufgrund der begonnenen Bauarbeiten augenscheinlich unter Beweis stellt, wird hingewiesen.

Aufgrund der genannten Tatsachen kann zusammengefasst der Schluss gezogen werden, dass durch die geplanten Maßnahmen Landschaftsbild und Landschaftscharakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt werden.

Relativiert wird diese Tatsache allerdings durch die geringe landschaftliche Qualität dieses Landschaftsraumes (Fehlen von Gehölzausstattung, ausgeräumte Landschaft, intensive landwirtschaftliche Nutzung, Störfaktoren durch naheliegende technische Anlagen wie Autobahn, Elektrofreileitungen, bestehende und stillgelegte Schotterabbauflächen) sowie den begrenzten Zeitraum, in dem die Maßnahmen durchgeführt werden sollen, sowie die anschließende Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und die Rekultivierung. Das bedeutet, dass die Beeinträchtigung von Landschaftsbild und Landschaftscharakter nur für einen relativ kurzen Zeitraum wirksam werden wird."

Die beschwerdeführende Partei habe zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs im Wesentlichen ausgeführt, dass das Landschaftsbild und der Landschaftscharakter bereits durch die Autobahn- bzw. Bahntrasse, elektrische Freileitungen sowie bestehende Abbauflächen beeinträchtigt würden.

Nach Auffassung der belangten Behörde sei auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere des eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz, welches als richtig und schlüssig erachtet werde, davon auszugehen, dass durch die Errichtung der Anlage das Landschaftsbild nachteilig beeinflusst und der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt würden. Der Amtssachverständige habe in seinen Gutachten den Landschaftsbereich als freie, unbebaute Landschaft beschrieben. Landschaftsbild und Landschaftscharakter im betroffenen Landschaftsraum - insbesondere im nordwestlichen und zentralen Teil der Parndorfer Platte - würden vorwiegend durch die weite Ebene mit landwirtschaftlicher (ackerbaulicher) Nutzung, Bracheflächen, durch spärliche Gehölzausstattung - Gehölzgruppen, meist in Form von Reihen oder Windschutzgürteln entlang von Wegen und kleinen Wäldern sowie Bepflanzungen im Bereich der Gutshöfe, und auch sporadische Solitärgehölze - geprägt. Der freie Landschaftsraum werde von naturräumlichen Elementen dominiert; er sei frei von Bebauung, wobei verstreut liegende Gehöfte eine Ausnahme bildeten. Störende Landschaftselemente bildeten die Bahn- und Autobahntrasse, die elektrischen Freileitungen sowie Sand- und Schotterabbauflächen. Die geplante bzw. teilweise errichtete Anlage verändere infolge der abgelagerten Materialien und der bestehenden technischen Einrichtungen das bestehende Relief, weshalb das Landschaftsbild nachteilig beeinflusst und der Landschaftscharakter nachteilig beeinträchtigt würden. Nach dem Gutachten bliebe trotz der angeführten störenden Baulichkeiten und Anlagen der naturnahe Charakter der Landschaft weitgehend erhalten. Durch jede weitere, die Landschaft beeinträchtigende Maßnahme, wie die verfahrensgegenständliche Anlage, werde die Eingriffswirkung auf diesen Landschaftsbereich verstärkt. Die von der beschwerdeführenden Partei angeführten störenden Baulichkeiten seien nicht geeignet, die Konsensfähigkeit der verfahrensgegenständlichen Anlage zu begründen. Die geplante Maßnahme stünde infolge ihrer Wirkung auf das bestehende Landschaftsrelief im krassen Gegensatz zu dem von natürlichen Elementen geprägten Landschaftsraum, welcher durch seine Ebenen, großteils landwirtschaftlich genutzten Flächen und das weitgehende Fehlen von Baulichkeiten außerhalb von geschlossenen Ortschaften charakterisiert sei. Der neuerliche Eingriff stelle eine Verschlechterung des bestehenden Landschaftsbildes und des Landschaftscharakters dar. Die begrenzte Dauer der Beeinträchtigung von etwa 8 Jahren ändere nichts daran, dass für einen gewissen Zeitraum eine nachteilige Störung des betroffenen Landschaftsteiles erfolge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 lit. b Bgld NatSchG bedürfen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde nicht als Wohn-, Dorf-, Geschäfts-, Industrie und Betriebsgebiete, gemischte Baugebiete oder als Verkehrsflächen (§§ 14 Abs. 3 lit. a bis f, 15 Burgenländisches Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 18/1969) ausgewiesen sind, die Errichtung und Erweiterung von Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Lehm, Sand, Kies, Schotter und Torf sowie die Verfüllung solcher bereits bestehender Anlagen einer Bewilligung.

Bewilligungen im Sinne des § 5 sind gemäß § 6 Abs. 1 Bgld NatSchG zu erteilen, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme einschließlich des Verwendungszweckes nicht

a)

das Landschaftsbild nachteilig beeinflusst wird,

b)

das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtigt wird oder dies zu erwarten ist, oder

              c)              der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt wird.

Nach § 6 Abs. 3 Bgld NatSchG ist eine nachteilige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes jedenfalls gegeben, wenn durch eine Maßnahme oder ein Vorhaben

              a)              eine Bebauung außerhalb der geschlossenen Ortschaft vorgenommen werden soll, für die keine Notwendigkeit nach den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 und 5 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969, nachgewiesen werden kann (Zersiedelung),

              b)              eine Verarmung eines durch eine Vielfalt an Elementen gekennzeichneten Landschaftsraumes eintreten wird,

              c)              der Eindruck der Naturbelassenheit eines Landschaftsraumes wesentlich gestört wird,

              d)              natürliche Oberflächenformen wie Flussterrassen, Flussablagerungen, naturnahe Fluss- oder Bachläufe, Hügel, Hohlwege und dergleichen oder landschaftstypische oder historisch gewachsene bauliche Strukturen und Anlagen wesentlich gestört werden oder

              e)              freie Gewässer durch Einbauten, Anschüttungen oder ähnliche Maßnahmen wesentlich beeinträchtigt werden oder die Ufervegetation von Gewässern wesentlich aufgesplittert wird.

Gemäß § 6 Abs. 5 Bgld NatSchG kann eine Bewilligung im Sinne des § 5 entgegen den Bestimmungen der Absätze 1 bis 4 erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen. Als öffentliche Interessen gelten insbesondere solche der Landesverteidigung, des Umweltschutzes, der Volkswirtschaft und des Fremdenverkehrs, der Bodenreform und der Landwirtschaft, des Schulwesens, der überörtlichen Raumplanung, des Verkehrswesens, der öffentlichen Sicherheit, der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln oder Energie, der Gesundheit, der Wissenschaft und Forschung, des Denkmalschutzes, der wasserwirtschaftlichen Gesamtplanung und des Bergbaues.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die von der beschwerdeführenden Partei geplante bzw. teilweise errichtete Anlage verändere infolge der abgelagerten Materialien und der bestehenden technischen Einrichtungen das bestehende Relief, weshalb das Landschaftsbild nachteilig beeinflusst und der Landschaftscharakter nachteilig beeinträchtigt würden (vgl. § 6 Abs. 1 lit. a und c Bgld NatSchG).

Die beschwerdeführende Partei hält dem zunächst entgegen, dass hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abbaufelder mit Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 11. November 1997 eine bergrechtliche Gewinnungsbewilligung erteilt worden sei. Nach § 95 Abs. 2 des Berggesetzes 1975 habe die Berghauptmannschaft bei der Erteilung der Gewinnungsbewilligung auf öffentliche Interessen, insbesondere auf solche des Naturschutzes, der Raumordnung, des Fremdenverkehrs, des Umweltschutzes, der Wasserwirtschaft, des Eisenbahn- und Straßenverkehrs sowie der Landesverteidigung Bedacht zu nehmen. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG seien "Angelegenheiten des Bergwesens" in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung habe bei der Auslegung der einzelnen Kompetenztatbestände des B-VG die so genannte "Versteinerungstheorie" Anwendung zu finden. Im gegenständlichen Fall sei die für den Versteinerungszeitraum 1. Oktober 1925 bestehende einfach gesetzliche Rechtslage dahingehend gegeben, als das Bergrecht im Versteinerungszeitpunkt im Berggesetz des Jahres 1854 enthalten gewesen sei. Seine zum Versteinerungszeitpunkt geltende Fassung habe das Berggesetz durch das Verwaltungsentlastungsgesetz 1925 erhalten, das in seinem Art. 50 das Berggesetz geändert habe und am 1. September 1925 in Kraft getreten sei. Art. 50 Punkt VII des Verwaltungsentlastungsgesetzes 1925 habe an der Stelle der ursprünglichen Zuständigkeit der politischen Behörde hinsichtlich einer allfälligen Baubewilligung eine Zuständigkeit der Bergbehörde normiert, wobei die geänderte Fassung des maßgeblichen § 131 Abs. 1 folgendermaßen gelautet habe: "Zur Herstellung und zum Betriebe von Werksanlagen (§ 131a bis g) ist die Bewilligung der Bergbehörde einzuholen. Diese hat, sofern sonstige öffentliche Rücksichten bewilligt werden, vor Erteilung der Bewilligung das Einvernehmen mit der politischen oder sonst berufenen Behörde zu pflegen." Das Naturschutzwesen habe sich systematisch aus dem Baurecht der Länder entwickelt. Aus der Entwicklung der Rechtslage auf dem Gebiet des Bergwesens sei zu ersehen, dass der Begriff des Bergwesens seit jeher sehr weit gewesen sei und unter dem von der Bergbehörde zu wahrenden "öffentlichen Rücksichten" auch solche verstanden worden seien, die heute als solche des Naturschutzes angesehen würden. Die Wahrung von Naturschutzinteressen im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Bergbauanlagen gehörten daher zum Kompetenztatbestand "Bergwesen" nach Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG. Eine Kompetenz des Landes bestehe insoweit nicht.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Maßnahmen, die der Bundeskompetenz "Bergwesen" unterliegen, unter Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes einer landesrechtlichen Regelung unterworfen werden können (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 15. November 1993, Zl. 92/10/0437, und vom 22. Dezember 1997, VwSlg. 14.816/A).

Insoweit die beschwerdeführende Partei aber die Auffassung der belangten Behörde, wonach der vorherrschende Landschaftscharakter durch das verfahrensgegenständliche Vorhaben nachteilig beeinträchtigt werde, bekämpft, kommt diesem Vorbringen im Ergebnis Berechtigung zu

Unter dem "Charakter des betroffenen Landschaftsraumes" ist die beherrschende Eigenschaft der Landschaft zu verstehen; diese kann grundsätzlich auch in der völligen Unberührtheit durch Äußerungen der Zivilisation bestehen. Der "betroffene Landschaftsraum" ist jener Bereich, in dem Auswirkungen des Vorhabens auf den Charakter der Landschaft festzustellen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. September 1996, Zl. 94/10/0117, mit weiteren Hinweisen).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in landschaftsbildlicher Hinsicht die Auffassung, dass erst eine auf hinreichenden Ermittlungsergebnissen - insbesondere auf sachverständiger Basis - beruhende, großräumige und umfassende Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der Landschaft es erlaubt, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, die der Landschaft ihr Gepräge geben und daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen. Für die Lösung der Frage, ob das solcherart ermittelte Bild der Landschaft durch das beantragte Vorhaben nachteilig beeinflusst wird, ist entscheidend, wie sich dieses Vorhaben in das vorgefundene Bild einfügt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 99/10/0188, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Die Feststellung, ein Vorhaben beeinträchtige das Landschaftsbild, bedarf einer so ausführlichen Beschreibung des Bildes der Landschaft, dass die Schlussfolgerung der Störung dieses Bildes durch das Vorhaben nachvollziehbar gezogen werden kann (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 95/10/0101). Handelt es sich um einen zusätzlichen Eingriff, dann ist entscheidend, ob sich diese weitere Anlage oder Einrichtung in das vor ihrer Errichtung gegebene und durch bereits vorhandene menschliche Eingriffe mitbestimmte Wirkungsgefüge der bestehenden Geofaktoren einfügt oder eine Verstärkung der Eingriffswirkung hervorruft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 95/10/0138).

Diesen Anforderungen entsprechen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht.

Aus den der Entscheidung zu Grunde gelegten Ausführungen des Amtssachverständigen ergibt sich lediglich, dass es sich beim Landschaftsbereich der Parndorfer Platte um eine weite Ebene mit ackerbaulicher Nutzung, vereinzelten Gutshöfen mit störenden Landschaftselementen (Bahn- und Autobahntrasse, elektrische Freileitungen sowie Sand- und Schotterabbauflächen) handelt. Die nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes bzw. die nachteilige Beeinträchtigung des Landschaftscharakters wird - dem Amtssachverständigen folgend - darin erblickt, dass die geplante bzw. teilweise errichtete Anlage infolge der abgelagerten Materialien und der bestehenden Einrichtungen das gegebene Relief verändert. Dabei fehlt eine Beschreibung der (dem eingereichten Projekt entsprechend zum Vorhaben gehörenden) "abgelagerten Materialien und technischen Einrichtungen" nach Beschaffenheit und Abmessung. Ebenso fehlen Darlegungen, inwiefern das Vorhaben mit bestimmten, das Landschaftsbild bzw. den Landschaftscharakter prägenden Elementen in Widerspruch stehe. Auch eine Darstellung, in welchem Bereich Auswirkungen des Vorhabens auf den Charakter der Landschaft bzw. das Landschaftsbild festzustellen wären, ist nicht vorhanden. Was den Hinweis auf "technische Einrichtungen" anlangt, so werden diese weder nach Lage (insbesondere mit Beziehung auf das Vorhaben) und Beschaffenheit umschrieben, noch zu den maßgebenden Elementen des Landschaftsbildes bzw. des Landschaftscharakters in Beziehung gesetzt. Mangels entsprechend konkreter Feststellung ist es daher nicht möglich, die Auffassung der belangten Behörde, das Vorhaben stehe in seiner konkreten Gestaltung mit der beherrschenden Eigenschaft der betreffenden Landschaft in Konflikt und führe somit zu deren nachteiliger Beeinträchtigung und es beeinflusse das Landschaftsbild nachteilig, auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Die beschwerdeführende Partei ist auch insofern im Recht, als sie die Auffassung vertritt, die belangte Behörde habe eine Interessenabwägung im Sinne des § 6 Abs. 5 Bgld NatSchG unterlassen.

Die belangte Behörde bringt dazu in der Gegenschrift vor, es sei Sache des Antragstellers, jene konkreten Umstände vorzutragen, aus denen sich dieses öffentliche Interesse am Vorhaben ergebe. Seitens der beschwerdeführenden Partei seien diesbezüglich keine Angaben erfolgt. Solche seien auch für die belangte Behörde nicht zu erkennen gewesen.

Darauf ist zu erwidern, dass die beschwerdeführende Partei im Rahmen der Antragstellung um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung den Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 11. November 1997, mit dem ihr hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abbaufelder die bergrechtliche Gewinnungsbewilligung erteilt worden ist, vorgelegt hat. Im Zusammenhang mit berg- bzw. mineralstoffrechtlichen Flächenwidmungen und Bewilligungen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die Verwirklichung eines entsprechenden Bergbauvorhabens im betreffenden Gebiet als im öffentlichen Interesse gelegen zu beurteilen ist, wenngleich die naturschutzbehördliche Genehmigung damit nicht vorweg genommen wird, sondern die Gewichtung des öffentlichen Interesses an dem Bergbauvorhaben und seine Abwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Schutz von Natur und Landschaft im Bewilligungsverfahren der Naturschutzbehörde vorbehalten bleibt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0171).

Nachvollziehbare Feststellungen in qualitativer wie quantitativer Hinsicht über jene Tatsachen, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen des Naturschutzes abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist und über jene Tatsachen, die das öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll, sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. August 2002, Zl. 2000/10/0135).

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000100170.X00

Im RIS seit

26.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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