TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/24 2003/10/0050

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;

Norm

SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der H in Wien, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 5/5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 2002, MA 15-II-H 27/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 21. Mai 2002 die Gewährung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG).

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialreferat, vom selben Tag wurde ihr eine Geldaushilfe für den Zeitraum vom 21. Mai bis zum 18. Juli 2002 in Höhe von EUR 328,90 zuerkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass diese Geldaushilfe weder die tatsächlich anfallenden Energiekosten noch ihren sonstigen Bedarf decke.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. November 2002 wurde der Beschwerdeführerin darauf hin eine Geldaushilfe für den genannten Zeitraum in Höhe von EUR 364,65 zuerkannt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin vom 25. Februar 2002 bis zum 23. März 2003 Notstandshilfe von täglich EUR 9,37 beziehe. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter bewohnten als Hauptmieter eine 60m2 große Gemeindewohnung; die monatliche Miete betrage EUR 176,84. Von der Magistratsabteilung 50 sei für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. März 2003 pro Monat eine Wohnbeihilfe in Höhe von EUR 62,80 gewährt worden. Miete und Wohnbeihilfe seien bei der Berechnung je zur Hälfte zu berücksichtigen. Die Wohnung werde mit Fernwärme beheizt. Die Akontozahlungen für jeweils zwei Monate (u.a. für Mai/Juni fällig im Juni, für Juli/August fällig im August) würden seit dem Jahr 2002 EUR 95,93 betragen. Der halbe Teilbetrag werde der Beschwerdeführerin entsprechend den Bestimmungen des § 5 Abs. 4 der Richtsatzverordnung in analoger Anwendung der Bestimmungen über die Gewährung von Heizkostenbeihilfen in Wohnungen mit Zentralheizung - somit nur in jenen Monaten, in denen die Kosten tatsächlich fällig würden - gewährt. Im verfahrensgegenständlichen Berechnungszeitraum sei somit im Juni 2002 die Heizkostenbeihilfe für die Akontozahlung Mai/Juni 2002 zuzuerkennen. Bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs sei der Richtsatz für einen Alleinunterstützten in Höhe von EUR 390,33 zu Grunde gelegt worden. Die geltend gemachten Strom- und Gaskosten seien bereits bei der Richtsatzbemessung berücksichtigt und könnten folglich nicht durch anlassbezogene Einzelleistungen gedeckt werden; § 13 Abs. 6 WSHG sei daher nicht anzuwenden. Da es sich bei den Richtsätzen um Pauschalbeträge handle und der Gesetzgeber keine Aufschlüsselung nach Teilleistungen vorgenommen habe, sei es der Verwaltungsbehörde verwehrt, eine solche Aufschlüsselung vorzunehmen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 12 WSHG trifft folgende Regelung:

"Der Lebensunterhalt umfasst insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß."

§ 13 WSHG lautet auszugsweise:

"(1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) (...)

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. (...)

(5) (...)

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

(...)"

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass die Kosten für Strom und Gas automatisch bereits bei der Bemessung des Richtsatzes berücksichtigt seien. Auch ein Aufwand, der vom Wesen her bereits im Richtsatz enthalten sein solle, könne ein "vom Richtsatz nicht gedeckter Bedarf" im Sinn des § 13 Abs. 6 WSHG sein. Diese Bestimmung zähle nämlich demonstrativ auf, welcher Bedarf nicht vom Richtsatz gedeckt sei; daneben seien aber auch für jeden anderen Aufwand, den der Richtsatz de facto nicht abdecke, zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu gewähren. Wenn daher der Richtsatz nicht ausreiche, weil Sonderausgaben anfielen, so seien diese Sonderausgaben - auch wenn es sich um Aufwendungen im Rahmen des § 13 Abs. 3 WSHG handle - gemäß § 13 Abs. 6 WSHG durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken.

Mit diesem Vorbringen befindet sich die Beschwerdeführerin nicht im Recht.

Gemäß § 12 WSHG umfasst der Lebensunterhalt "insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse"; zu den persönlichen Bedürfnissen gehören auch "die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß". Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts müssen gemäß § 13 Abs. 1 WSHG unter Anwendung von Richtsätzen bemessen werden; die Höhe der Richtsätze ist gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. so festzusetzen, dass der monatliche Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege und Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß der Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben gedeckt ist.

Aus der Gegenüberstellung von § 12 und § 13 Abs. 3 leg. cit. ergibt sich, dass durch die Richtsätze - sowie durch deren allfällige Überschreitung nach § 13 Abs. 4 leg. cit. - weder Unterkunft, Bekleidung (soweit es nicht deren Instandsetzung betrifft), Hausrat und Beheizung noch die in § 12 leg. cit. nicht ausdrücklich genannten, dem Lebensunterhalt zuzurechnenden Bedürfnisse erfasst sind. Um den Lebensunterhalt im Sinn des § 12 leg. cit. in vollem Umfang zu sichern, trifft § 13 Abs. 6 leg. cit. daher die Regelung, dass der "nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung" durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken ist, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Weder der Systematik des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (EB zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Regelung der Sozialhilfe, Blg Nr. 17/72) ist ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 13 Abs. 6 leg. cit. darüber hinaus beabsichtigt hätte, zur Deckung der in § 13 Abs. 3 leg. cit. genannten Bedürfnisse neben der Überschreitung des Richtsatzes (§ 13 Abs. 4 leg. cit.) auch die Erbringung weiterer Geld- und Sachleistungen zu ermöglichen. Über den Richtsatz hinausgehende Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege und Wäschereinigung sowie des Aufwandes für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben können somit ausschließlich gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. erbracht werden (vgl. dazu zB das Erkenntnis vom 15. September 2003, Zl. 2003/10/0059, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Da die in § 13 Abs. 3 WSHG angeführten Bedürfnisse auch den zu ihrer Befriedigung erforderlichen Energiebedarf umfassen, ist der diesbezügliche Verbrauch von Strom und Gas bereits vom Richtsatz gedeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2003, Zl. 2002/10/0236); die Erbringung von Leistungen nach § 13 Abs. 6 WSHG zur Deckung dieses Energiebedarfs ist daher unzulässig. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass auch im Rahmen des in § 13 Abs. 3 WSHG angeführten Bedarfs eine Prüfung der individuellen Bedürfnisse vorzunehmen sei. Die belangte Behörde habe auch im Rahmen des grundsätzlich vom Richtsatz abzudeckenden Bedarfes nach § 13 Abs. 3 WSHG individuell zu prüfen, ob der Sonderbedarf der Beschwerdeführerin durch die im Verordnungsweg festgelegten Durchschnittsbedarfssätze gedeckt sei. Die belangte Behörde hätte unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse prüfen müssen, ob im konkreten Fall der Bedarf der Beschwerdeführerin im Richtsatz enthalten sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung und darauf gestützten mangelfreien und vollständigen Feststellungen wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Bedarf in die Bemessung des Richtsatzes nicht (oder zumindest nicht in dieser Höhe) eingeflossen sei und durch den Richtsatz nicht gedeckt sei. Die belangte Behörde hätte Feststellungen über die Höhe des Richtsatzes und über die notwendigen Ausgaben der Beschwerdeführerin machen und diese dem Einkommen der Beschwerdeführerin gegenüber stellen müssen. Sie wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, dass das Einkommen der Beschwerdeführerin ihren gewöhnlichen monatlichen Bedarf in keiner Weise abdecke. Die belangte Behörde habe es jedoch unter Missachtung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht verabsäumt, die Höhe der monatlichen Ausgaben der Beschwerdeführerin festzustellen. Auf die Offenlegung des Bedarfs der Beschwerdeführerin in der Berufung sei die belangte Behörde nicht eingegangen; bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass weder Strom- noch Gaskosten im Richtsatz enthalten seien und der monatliche Bedarf der Beschwerdeführerin insgesamt wesentlich höher sei als der gewährte Richtsatz.

Soweit diese Ausführungen nicht nur eine Wiederholung der oben wiedergegebenen Überlegungen zur vermeintlichen Anwendbarkeit des § 13 Abs. 6 WSHG zur Deckung der in § 13 Abs. 3 WSHG angeführten Bedürfnisse darstellen, sondern auf eine Erhöhung des Richtsatzes gemäß § 13 Abs. 4 WSHG abzielen, ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, dass eine solche Richtsatzerhöhung nur dann möglich ist, wenn "infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden" ein erhöhter Bedarf besteht. Es kommt daher nicht darauf an, in welcher Höhe der Sozialhilfeempfänger Ausgaben tatsächlich tätigt, sondern darauf, ob auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht eine Situation vorliegt, die sich von der im Allgemeinen bestehenden Bedarfslage eines Hilfesuchenden deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten Bedarf begründet (vgl. zB die hg Erkenntnisse vom 5. Mai 2003, Zl. 2002/10/0195 und Zl. 2003/10/0017). Dass bei der Beschwerdeführerin ein im Vergleich zu anderen Sozialhilfebeziehern erhöhter Bedarf (insbesondere an Gas und Strom) bestünde, ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde auch nicht behauptet.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003100050.X00

Im RIS seit

20.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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