TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/24 2002/10/0092

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §861;
AVG §47;
ForstG 1975 §37 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §37 Abs4;
WWSGG §1 Abs1;
WWSGG §1 Abs2;
WWSGG §5 Abs1;
WWSGG §6;
WWSLG Tir 1952 §45;
WWSLG Tir 1952 §49;
WWSLG Tir 1952 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde 1.) des N,

2.) des K, 3.) des H und 4.) des R, alle in Pertisau, alle vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. April 2002, Zl. IIIa2-1480/2, betreffend Schonungslegung nach § 37 Abs. 3 ForstG (mitbeteiligte Partei: E in Pertisau, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2001 beantragte die mitbeteiligte Partei unter Anschluss eines Lageplanes bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) die Schonungslegung einer Fläche von ca. 1 ha auf der Waldparzelle 963/1, KG E, die mit einer Weideservitut belastet sei. Die zur Schonungslegung beantragte Fläche stamme aus einem Kahlschlag; das Holz sei in zwei Etappen, 1995 und 1999 geschlägert worden. Die beantragte Schonungsfläche entspreche ca. 1/10 der Waldfläche, die sich im Eigentum der mitbeteiligten Partei befinde. Um den Jungwuchs vor Weidevieh zu schützen, solle eine Umzäunung mit zwei Stacheldrähten erfolgen.

Die BH beraumte eine mündliche Verhandlung an, in der der forsttechnische Amtssachverständige ein Gutachten erstattete. Diesem zufolge wurde die Schlagfläche im Frühjahr 2001 mit den Baumarten Fichte, Lärche und Laubhölzern aufgeforstet; gleichzeitig sei eine Einzäunung vorgenommen worden. Auf der aufgeforsteten Fläche stelle sich überdies Naturverjüngung, vor allem der Laubhölzer Ahorn und Buche, ein. Das im Zuge der Aufforstung gesetzte Laubholz falle teilweise wieder aus. Der gesamte Bereich sei intensiver Beweidung ausgesetzt. Vom forstfachlichen Standpunkt sei es daher zur Sicherung der Aufforstung unbedingt notwendig, eine Einzäunung vorzunehmen, die so lange weidesicher sein sollte, bis die Aufforstung als gesichert gelte. Dies dürfte 10 bis 15 Jahre dauern. Sollte bereits vorher eine Sicherung erfolgt sein, so könnte die Einzäunung nach einvernehmlicher Begehung und Erstattung eines Gutachtens auch früher aufgehoben werden. Die Schonungsfläche müsste mit Tafeln "Schonungsfläche" gekennzeichnet, die Abzäunung weidesicher erhalten werden.

Der Erstbeschwerdeführer als Obmann der Agrargemeinschaft Pertisauer Heimweide sprach sich gegen die beantragte Ausweisung als Schonungsfläche aus. Würde diese Fläche der Weide entzogen, so bedeute das eine derartige Einschränkung des Weiderechtes, dass sich die Waldweide überhaupt erübrige und zum Teil sogar von einer Existenzbedrohung für die einzelnen Weideausübungsberechtigten gesprochen werden könne.

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2001 nahm die Agrarbehörde zum Antrag der mitbeteiligten Partei Stellung. Sie brachte vor, es sei ihr mitgeteilt worden, dass die mitbeteiligte Partei mittlerweile schon 7/10 ihrer servitutsbelasteten Fläche aufgeforstet und die Aufforstung durch Einzäunung gesichert habe. Die in Rede stehende Schonungsfläche stelle "das nächste Zehntel" der servitutsbelasteten Flächen der mitbeteiligten Partei dar. Unter Berücksichtigung des anlässlich einer agrarbehördlichen Verhandlung am 27. April 1956 abgeschlossenen Vergleiches, wonach sich die Eigentümer (ausgenommen die Bundesforste) der servitutsbelasteten Grundstücke im Gebiet der Pertisauer Heimweide und zwar der so genannten Bodenlussen verpflichtet hätten, höchstens 10 % der Gesamtfläche des in ihrem Eigentum stehenden, zu den Bodenlussen gehörenden Servitutsgebieten zum Schutz der Forstkulturen zu verzäunen, sehe die Agrarbehörde keinen Anlass, eine Einzäunung oder Verpflockung gemäß § 6 Abs. 1 WWSG 1952 anzuordnen. Die Vorgangsweise der mitbeteiligten Partei sei mit der zwischen Weideberechtigten und servitutsbelasteten Grundeigentümern gebotenen Rücksichtnahmepflicht nicht vereinbar; für die Weide würde nämlich nur mehr unerträglicher Weideboden übrig bleiben. Dem Schonungslegungsantrag der mitbeteiligten Partei könne daher aus der Sicht der Weideberechtigten nur zugestimmt werden, wenn ein - näher beschriebener - Grundtausch zu Stande komme.

Der forsttechnische Amtssachverständige führte in Ergänzung des erstatteten Gutachtens aus, die auf dem Grundstück Nr. 963/1 eingezäunte und damit in Schonung gelegte Fläche sei nunmehr genau ermittelt worden; sie weise ein Ausmaß von 8.850 m2 auf. Die mitbeteiligte Partei sei Eigentümer zweier Grundstücke im Bereich der so genannten Bodenlussen. Diese beiden Grundstücke wiesen eine Gesamtwaldfläche von 90.087 m2 auf, sodass die derzeit zu Schonungszwecken eingezäunte Fläche die Grenze von 10 % nicht überschreite. Allerdings seien Teile des Grundstücks Nr. 963/1 im Laufe der letzten 40 bis 50 Jahre nach Schadensereignissen bzw. nach Endnutzungen zum Schutz der Aufforstungen immer wieder eingezäunt worden.

Im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten u.a. die beschwerdeführenden Parteien eine gemeinsame Stellungnahme und brachten vor, die mitbeteiligte Partei habe 7/10 der Fläche nicht auf einmal eingezäunt, sondern jeweils nacheinander für das Weidevieh abgegrenzt. Auf Grund des daraus resultierenden verstärkt auftretenden forstlichen Bewuchses sei eine ordnungsgemäße Beweidung fast nicht mehr möglich, insbesondere dann nicht, wenn neuerlich eine weitere Teilfläche eingezäunt und der Beweidung vorenthalten werde. Die Vorgangsweise der mitbeteiligten Partei habe eine negative Vorbildwirkung für andere weideservitutsbelastete Grundeigentümer. Wenn die mitbeteiligte Partei den Weideberechtigten vorwerfe, sie hätten große Wald- und Weideflächen für Sportstätten und Baugründe verpachtet bzw. verkauft, so sei darauf hinzuweisen, dass die Agrargemeinschaft Pertisauer Heimweide im Jahre 1959 eine Alm gekauft habe, um ca. ein Drittel der Weiderechte von den weidebelasteten Flächen auf die Alm übertragen zu können. Der Golfplatz habe im Übrigen seit jeher bestanden und es seien für seine Erweiterung lediglich solche Grundflächen verpachtet worden, auf denen die Ausübung der Weide wegen des starken forstlichen Bewuchses ohnedies nur schwer möglich gewesen sei. Die beschwerdeführenden Weideberechtigten würden in der Schonungslegung im beantragten Umfang eine wesentliche Beeinträchtigung der Ausübung ihrer Weiderechte erblicken.

Mit Bescheid der BH vom 4. März 2002 wurde der mitbeteiligten Partei die forstrechtliche Genehmigung zur Schonungslegung eines Teiles der Gp. 963/1, GB E, im Ausmaß von 1 ha, nach Maßgabe des Befundes und des vorgelegten, gekennzeichneten und zu einem wesentlichen Bescheidbestandteil erklärten Lageplanes unter Einhaltung von im Einzelnen genannten Vorschreibungen, u. a. betreffend die Dauer der Festlegung als Schonungsfläche und die Einzäunung der Fläche, erteilt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es sei aus dem Gutachten der Bezirksforstinspektion Schwaz eindeutig zu ersehen, dass die zu Schonungszwecken eingezäunte Fläche 10 % der Gesamtfläche der Bodenlussen nicht überschreite. Ohne weidesichere Einzäunung könne eine Wiederinstandbringung des Waldes schwerlich vorgenommen werden. Der hier befindliche Wald sei aber für das Siedlungsgebiet Pertisau am Achensee von enormer Wichtigkeit. Anzumerken sei, dass eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Weideausübung in Anlehnung an die beantragte Golfplatzerweiterung anstehe; dabei werde ein Ablöseverfahren unerlässlich sein.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben gleich lautende Berufungen und brachten vor, es werde im Falle der beantragten Schonungslegung die Ausübung der Waldweide überhaupt in Frage gestellt; es könne von einer Existenzbedrohung für die einzelnen Weideausübungsberechtigten gesprochen werden. Die mitbeteiligte Partei habe in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten rund 7/10 der in Rede stehenden Grundparzelle zwar nicht auf einmal, aber nacheinander eingezäunt und der Beweidung vorenthalten. Durch den verstärkt auftretenden forstlichen Bewuchs sei eine ordnungsgemäße Beweidung von einmal eingezäunt gewesenen Flächen fast nicht mehr möglich.

Mit Bescheid des LH von Tirol vom 9. April 2002 wurden die Berufungen abgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, im von der Erstbehörde eingeholten forstfachlichen Gutachten sei die Schonungslegung der bereits aufgeforsteten Teilfläche befürwortet worden. Sache der Forstbehörde sei es weder, über die Schonungslegungen, die in der Vergangenheit erfolgt seien, abzusprechen, noch über Gefahren oder Auswirkungen für die zukünftige Weideausübung; dies sei Sache der Agrarbehörde. Zwar seien allfällige Bestimmungen einer Servitutenregulierungsurkunde gegenüber den forstrechtlichen Normen vorrangig. Allerdings könne sich die Berufungsbehörde der Auffassung, diese Bestimmungen brächten eine Beschränkung, maximal 10 % der jeweils eigentümlichen Waldflächen aufzuforsten, zum Ausdruck, "nicht unbedingt anschließen". Der aus Anlass eines Naturereignisses im Jahre 1956 abgeschlossene Vergleich würde zwar die Servitutenregulierung aus 1889 ändern; er sei allerdings weder bescheidmäßig abgesichert worden, noch sei er aus dem Grundbuch ersichtlich. Überdies spreche der Inhalt des Vergleichs über die Anordnung einer zeitbedingten Beschränkung und nicht für eine auch heute noch maßgebliche Ergänzung bzw. Einschränkung der Servitutenregulierung aus 1889. Ein Vorrang der Wiederaufforstungsverpflichtung entgegenstehender weiderechtlicher Bestimmungen bestehe daher nicht. Schließlich werde die Beschränkung auf 10 % ohnedies nicht überschritten, weil nach dem Grundbuchsstand die - im Einzelnen genannten - Waldgrundstücke der beschwerdeführenden Parteien ein Ausmaß von 124.289 m2 aufwiesen, sodass eine Aufforstung von 1 ha darunter liege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 ForstG darf durch die Waldweide die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen (§ 6 Abs. 2) nicht gefährdet werden.

In zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte (Schonungsflächen), darf die Waldweide gemäß § 37 Abs. 3 ForstG nicht ausgeübt werden. Die Weidetiere sind von den Schonungsflächen fern zu halten. Auf Antrag des Waldeigentümers oder des Weideberechtigten hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die im § 12 festgelegten Grundsätze den Umfang, die Dauer und die Kennzeichnung der Schonungsflächen durch Bescheid festzulegen.

Gemäß § 12 ForstG sind zur Gewährleistung der günstigen Wirkungen des Waldes im öffentlichen Interesse nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes folgende Grundsätze zu beachten:

a)

Waldboden ist als solcher zu erhalten;

b)

Waldboden ist so zu behandeln, dass die Produktionskraft des Bodens erhalten und seine Wirkungen (§ 6 Abs. 2) nachhaltig gesichert bleiben;

              c)              bei Nutzung des Waldes ist unter Berücksichtigung des langfristigen forstlichen Erzeugungszeitraumes und allenfalls vorhandener Planungen vorzusorgen, dass Nutzungen entsprechend der forstlichen Zielsetzung den nachfolgenden Generationen vorbehalten bleiben.

Die für Weiderechte in Einforstungswäldern (das sind gemäß § 32 Abs. 1 ForstG Wälder, auf denen Nutzungsrechte im Sinn des § 1 Abs. 1 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, lasten) geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden werden gemäß § 37 Abs. 4 ForstG durch die Regelungen der Abs. 1 und 3 nicht berührt.

Die beschwerdeführenden Parteien wenden gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Voraussetzungen für eine Schonungslegung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Fläche seien im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG erfüllt, ein, es sei anlässlich der agrarbehördlichen Verhandlung am 27. April 1956 eine Regelung betreffend Schonungslegung bzw. Einzäunung von Grundflächen dahin getroffen worden, dass höchstens 10 % der Gesamtfläche der jeweiligen Grundeigentümer bzw. der zu den "Bodenlussen" gehörenden Servitutsflächen zum Zweck des Schutzes der Forstkulturen eingezäunt werden dürfen. Diese Regelung sei unter Zugrundelegung der Servitutenregulierungsurkunde vom 2. Mai 1889 erfolgt und - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - ohne zeitbedingte Beschränkung wirksam. Da die Vereinbarung vor der Agrarbehörde abgeschlossen worden sei, sei sie als Ergänzung der Servitutenregulierungsurkunde aus 1889 rechtswirksam und genieße den Vorrang gegenüber § 37 Abs. 1 und 3 ForstG. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde komme es auf die Gesamtwaldfläche der Grundstücke der mitbeteiligten Partei im Bereich der Bodenlussen an, die ein Ausmaß von 90.087 m2 aufweise. Die Schonungslegung einer Fläche im Ausmaß von 1 ha liege daher klar über der 10 %-Grenze. Darüber hinaus hätten auch die in der Vergangenheit eingezäunte Flächen mit berücksichtigt werden müssen, zumal eine Weideausübung auf einmal eingezäunten Flächen auch nach der Entfernung der Einzäunung de facto nicht mehr möglich sei. Schließlich sei eine Einzäunung im konkreten Fall zur Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht unbedingt notwendig; ein Nebeneinander von Waldweide und Waldwirtschaft sei möglich. Eine Aufforstung oder eine die Weide behindernde Bewirtschaftung von Weideboden sei überhaupt nur zulässig, wenn die Agrarbehörde dies aus Gründen der Landeskultur bewillige. Landeskulturelle Gründe, die eine Einzäunung von weiteren Flächen im gegenständlichen Weidegebiet erforderlich machten, seien nicht erkennbar. Bei genauer Prüfung und Feststellung jener Flächen, die die mitbeteiligte Partei seit 1956 eingezäunt habe, wäre vielmehr klar zu Tage getreten, dass die 10 %-Grenze bereits weit überschritten worden sei; die mitbeteiligte Partei habe ca. 70 % ihrer vom Weiderecht belasteten Fläche bereits eingezäunt. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liege schließlich in der Beiziehung eines befangenen Amtssachverständigen. Der forsttechnische Amtssachverständige sei nämlich Eigentümervertreter eines näher bezeichneten Stiftungsfonds, der gleichfalls Aufforstungen und Einzäunungen auf weidebelasteten Flächen vornehme, ohne sich an die 10 %-Klausel zu halten. Es liege daher auf der Hand, dass es dem beigezogenen Amtssachverständigen an der erforderlichen Objektivität mangle.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurden im genehmigten und hinterlegten Regulierungsvergleich vom 2. Mai 1889 zu Gunsten im Einzelnen angeführter berechtigter Güter u.a. das Servitutsrecht der - näher beschriebenen - Weide auf dem in Rede stehenden Grundstück auch für die Zukunft ausdrücklich anerkannt und zugestanden. Dies u.a. unter der Bedingung, dass bei Ausübung der Waldweide die jeweiligen forstgesetzlichen Bestimmungen zu beachten sind und dass bei allfälligen Schonungs- und Bannlegungen in den belasteten Waldungen für den Entgang der Weide eine Vergütung nicht angesprochen werden darf, wenn nicht spätere Gesetze das Gegenteil bestimmen.

Laut einer vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz am 27. April 1956 aufgenommenen Verhandlungsschrift wurde "zur Schaffung endgültiger und klarer Verhältnisse in der Ausübung der Servitutsweiderechte" ein Vergleich geschlossen. Diesem zufolge verpflichteten sich die Eigentümer der servitutsbelasteten Grundstücke im Gebiet der Pertisauer Heimweide und zwar der so genannten Bodenlussen - mit Ausnahme der österreichischen Bundesforste - unter Zugrundelegung der Servitutenregulierungsurkunde vom 2. Mai 1889 "ausdrücklich und rechtsverbindlich nur höchstens 10 % der Grundfläche des in ihrem Eigentum stehenden, zu den Bodenlussen gehörenden Servitutsgebietes zum Zwecke des Schutzes der Forstkulturen zu verzäunen. Eine derartige Verzäunung darf weiters nur von reinen Holzschlagflächen oder aus der Herkunft einer Naturkatastrophe erfolgen und muss von der zuständigen Bezirksforstinspektion für forstlich notwendig befunden werden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 37 Abs. 4 ForstG bereits mehrfach ausgesprochen, dass nach dieser Bestimmung die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden Vorrang vor dem Weideverbot des § 37 Abs. 3 leg. cit. genießen, sofern das Weiderecht ohne Beschränkung, insbesondere ohne Bedachtnahme auf forstpolizeiliche Vorschriften, eingeräumt wurde; dieser Vorrang lasse das Verbot der Waldweide nach § 37 Abs. 3 ForstG zurücktreten. Ist hingegen nach den Bestimmungen der Regulierungsurkunde das Weiderecht "unter Beachtung der forstpolizeilichen Beschränkungen" auszuüben, kommt die durch § 37 Abs. 4 ForstG normierte Ausnahme vom Waldweideverbot des § 37 Abs. 3 ForstG nicht zum Tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0100, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Wie dargestellt, bestimmte die Regulierungsurkunde aus 1889, dass "bei Ausübung der Waldweide die jeweiligen forstgesetzlichen Bestimmungen zu beobachten" sind. Wären diese Bestimmungen unverändert aufrecht, käme im Beschwerdefall im Sinne der zitierten hg. Judikatur die Ausnahme vom Waldweideverbot des § 37 Abs. 3 ForstG nicht zum Tragen.

Dies ist der Fall:

Regulierungsurkunden wurzeln nämlich, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, im öffentlichen Recht. Ihr Inhalt ist einer Abänderung durch Parteienvereinbarung nur insoweit zugänglich, als die die Einforstungsrechte regelnden Rechtsvorschriften dies vorsehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/07/0156, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im vorliegenden Fall wurde allerdings zwecks Änderung der Servitutenregulierungsurkunde aus 1889 weder ein Verfahren zur Neuregulierung im Sinne des § 9 Abs. 2 des Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl. Nr. 21/1952, durchgeführt, noch wurden die im Vergleichswege beschlossenen Regelungen im Sinne des § 45 dieses Gesetzes in einer Servitutenurkunde niedergelegt. Dem Vergleich aus 1956 fehlt nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde selbst die gemäß § 49 Wald- und Weideservitutengesetz erforderliche behördliche Genehmigung; er vermochte daher keine Änderung der Regulierungsurkunde aus 1889 zu bewirken.

Die von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführte Beschränkung der Schonungslegung bzw. Einzäunung zum Schutz der Forstkulturen auf maximal 10 % der Gesamtservitutsfläche des jeweiligen Eigentümers im Bereich der Bodenlussen hat daher in Bestimmungen einer, nach § 37 Abs. 4 ForstG allein maßgeblichen Regulierungsurkunde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1998, Zl. 98/10/0162) keine Grundlage. Die 1956 im Vergleichsweg beschlossenen Bestimmungen über die Ausübung der Weiderechte sind keine "für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen einer Regulierungsurkunde" im Sinn des § 37 Abs. 4 ForstG; sie genießen daher keinen Vorrang gegenüber den Bestimmungen der §§ 37 Abs. 1 und 3 ForstG.

Im Übrigen wäre für den Standpunkt der beschwerdeführenden Parteien selbst dann nichts gewonnen, wollte man von einem Vorrang der Vergleichsbestimmungen betreffend die 10 %-Klausel gegenüber dem Verbot der Waldweide nach § 37 Abs. 3 ForstG ausgehen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nämlich der erstbehördliche Bescheid und damit auch der Abspruch über das Ausmaß der Schonungslegung übernommen, das hier allerdings nicht schlechthin mit 1 ha bestimmt wird; vielmehr erfolgte die Bezeichnung der Schonungsfläche auch durch den Verweis auf einen Lageplan, in dem die betroffene Fläche eingezeichnet ist. Dieser planlichen Darstellung zufolge ist eine Fläche im Ausmaß von 8.850 m2 betroffen (vgl. die Darlegungen der Bezirksforstinspektion in der Bescheidbegründung). Der solcherart in der Umschreibung des Ausmaßes der spruchgemäß betroffenen Fläche einmal mit 1 ha, einmal mit 8.850 m2 gelegene Mangel wird durch Heranziehung der Bescheidbegründung saniert. Diese macht nämlich deutlich, dass es um die Schonungslegung einer in der Natur bereits bestehenden, im erwähnten Lageplan eingezeichneten Aufforstungsfläche geht, die unbestrittenermaßen eine Fläche von 8.850 m2 aufweist. Dass aber unter Zugrundelegung einer Fläche von 8.850 m das 10 %-Ausmaß im Sinne des Vergleiches aus 1956 überschritten wäre, behaupten die beschwerdeführenden Parteien selbst nicht.

Sie meinen vielmehr, es müsse unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren und Jahrzehnten von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen Einzäunungen und der daraus resultierenden Dichte des forstlichen Bewuchses, abgesehen vom Verstoß gegen die 10 %- Klausel, von einer § 32 Abs. 1 ForstG widersprechenden Waldbewirtschaftung durch die beschwerdeführende Partei gesprochen werden, weil die Ausübung der Einforstungsrechte der beschwerdeführenden Parteien nicht mehr gewährleistet seien.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien mit diesem Vorbringen die sachverhaltsmäßigen Grundlagen der Entscheidung nach § 37 Abs. 3 ForstG in Zweifel ziehen, ist ihnen Folgendes zu entgegnen:

Die belangte Behörde ist auf der Grundlage des eingeholten forsttechnischen Gutachtens zur Auffassung gelangt, dass durch die Waldweide auf der in Rede stehenden Fläche die Gefahr einer Schädigung der nach einem Kahlschlag vorgenommenen Wiederaufforstung besteht; würde die Waldweide nicht befristet unterbunden, sei die (weitere) Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen gefährdet.

Diesen Annahmen sind die beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren weder konkret, noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten; es ist auch nicht ersichtlich, dass die Grundlagen der behördlichen Annahme unzutreffend wären. Wenn die belangte Behörde daher davon ausging, es seien die Sachverhaltsvoraussetzungen für eine Festlegung von Schonungsflächen im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG erfüllt, so ist das nicht als rechtswidrig zu beanstanden.

Im Übrigen übersehen die beschwerdeführenden Parteien bei ihrem Vorbringen, die Waldweide sei auch nach Beendigung der Einzäunung zufolge der sich aus der Schonungslegung ergebenden Dichte des forstlichen Bewuchses behindert bzw. sogar unmöglich, dass derartige Behinderungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Vielmehr ist die "Schaffung und Erhaltung einer entsprechend lockeren Bestockung im Wald" Gegenstand einer Regulierung von Weiderechten nach dem Wald- und Weideservitutengesetz (vgl. § 13 lit. m dieses Gesetzes). Der Hinweis auf Behinderungen der Waldweide durch die "in den letzten Jahren und Jahrzehnten" von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen Einzäunungen ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend.

Zum Vorbringen, der beigezogene Amtssachverständige sei befangen gewesen, ist schließlich auf die hg. Judikatur hinzuweisen, wonach die Befangenheit eines Verwaltungsorgans nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998), 167, referierte hg. Judikatur).

Dies ist - wie dargelegt - nicht der Fall.

     Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war

gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

     Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-

Aufwandersatzverordnung 2003. Das Umsatzsteuer betreffende

Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die

Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 24. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002100092.X00

Im RIS seit

29.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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