TE Vwgh Beschluss 2003/11/25 2003/17/0305

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Veröffentlicht am 25.11.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2003/17/0306

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, 1.) über den Antrag des M K in T (Bundesrepublik Deutschland), vertreten durch Mag. Werner Hammerl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Oberer Stadtplatz 40, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. September 2003, Zlen. UVS-05/K/44/5972/2003/3, UVS-05/V/44/5973-5992/2003, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit von Übertretungen des Wiener Parkometergesetzes, sowie 2.) in der Beschwerdesache gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit ihrem Bescheid vom 1. September 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers deshalb zurück, weil dieser dem an ihn gerichteten Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG betreffend das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages nicht entsprochen habe.

Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers nach den Angaben in der Beschwerde am 12. September 2003 zugestellt. Die vorliegende Beschwerde wurde am 28. Oktober 2003, somit verspätet, zur Post gegeben. In dem im selben Schriftsatz gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Beschwerdeführer diesbezüglich entscheidungswesentlich vor, sein ausgewiesener Vertreter sei durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme der Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen. Die sonst sehr ordentliche und vor allem zuverlässige Kanzleiangestellte G.S., "welche mit der Eintragung und Überwachung der Fristen im Kanzleifristenbuch beauftragt" sei, habe auf Grund eines Übertragungsfehlers als Fristende nicht den 23. Oktober 2003, sondern den 27. Oktober 2003 als letzten Tag der Einbringungsfrist notiert. Diese Versäumung sei auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen. Die Kanzleiangestellte, der das Versehen unterlaufen sei, sei bereits seit dem Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei als außerordentlich gewissenhaft und zuverlässig bekannt, vor allem, was die Termine und Fristen anbelange. Infolge dessen sei ihr auch bislang nicht ein einziger Fehler bei der ihr übertragenen Aufgabe unterlaufen, sodass dieses jetzige Fehlverhalten als unvorhergesehenes Ereignis zu qualifizieren sei. Darüber hinaus werde die Kanzleiangestellte bezüglich ihrer Aufgaben auch vom ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers laufend überwacht; dieser habe bislang keinerlei "Verfehlungen" feststellen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag und die Prozessvoraussetzungen in der Beschwerdesache in dem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG (iVm § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a und e VwGG) zuständigen Strafsenat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen innerhalb jenes Rahmens zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 9. Juli 1998, Zl. 98/03/0188, mwN).

Gleichfalls ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten ist dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht dem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Aufgaben, die ihm gegenüber seinen Klienten erwachsen, auch insoweit erfüllen muss, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muss gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Vorsicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versehens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom 29. September 2000, Zl. 2000/02/0191).

Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt nur rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf, ohne die gebotene Sorgfaltspflicht (Überwachungspflicht) zu verletzen. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang gleichfalls wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich auch nicht nur auf stichprobenartige Proben beschränken. Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. zum Ganzen abermals den bereits zitierten hg. Beschluss vom 29. September 2000 mwN).

Im Beschwerdefall hat der Rechtsanwalt nach den Darlegungen des Antrages die Berechnung der Beschwerdefrist nicht selbst vorgenommen, sondern dies seiner Kanzleiangestellten überlassen. Auch hat er selbst weder auf die richtige Berechnung noch auf die richtige Eintragung des Endes der Beschwerdefrist im konkreten Einzelfall abzielende Maßnahmen gesetzt. Schon aus den Behauptungen des Antrages geht somit hervor, dass im Beschwerdefall der einschreitende Rechtsanwalt die Frist nicht selbst berechnete und überdies kein auf die Überprüfung der Eintragung der von ihm nicht selbst ermittelten Fristen gerichtetes (ausreichendes) Kontrollsystem bestand, sodass bei dieser Sachlage nicht davon gesprochen werden kann, dass nur ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorlag, das den minderen Grad des Versehens nicht überstiegen hat (vgl. wiederum den hg. Beschluss vom 29. September 2000).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war demnach gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.

Die gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet zur Post gegebene Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z 1 leg. cit. ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003170305.X00

Im RIS seit

02.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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