TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/26 2001/20/0111

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2003
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A in N, geboren 1977, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Jänner 2001, Zl. 218.684/3- II/04/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 28. Juni 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. Juli 2000 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. August 2000 wurde dieser Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 15. September 2000 statt und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 9. Oktober 2000 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Leben sei in der Türkei in Gefahr. Er sei Kurde und habe im Dorf Bingöl gelebt. 1992/1993 sei es zu einem bewaffneten Zwischenfall mit dem Militär gekommen, bei dem sechs bis sieben Menschen gestorben seien. Danach sei der Druck verstärkt worden. Wöchentlich hätten ein- bis zweimal Befragungen stattgefunden. Die Behörde habe behauptet, dass PKK-Mitgliedern Unterschlupf gewährt und Nahrungsmittel bereitgestellt würden. Die Gendarmerie sei fallweise in das Dorf gekommen und habe auch die Älteren geschlagen. Jugendliche seien mitgenommen und auch Bekannte des Beschwerdeführers am Revier geschlagen worden. Die Gendarmerie habe vorgeschrieben, dass Nahrungsmittel nur laut Einkaufskarte gekauft werden dürfen. Darüber hinaus gekaufte Ware sei beschlagnahmt worden. Die Gendarmerie habe gesagt, die überzählige Ware würde sonst der PKK ausgefolgt. In den Jahren 1997 und 1998 habe der Beschwerdeführer seinen Militärdienst verrichtet. Zwischenzeitig seien seine Eltern nach Elazig gezogen. Während des Militärdienstes sei der Beschwerdeführer als Mensch zweiter Klasse behandelt worden. Weil er Kurde sei, habe er schwierigere Aufgaben bekommen. Türkischstämmige Soldaten seien besser behandelt worden. Die Behörde hätte weiters gesagt, die Familie sei nur nach Elazig umgezogen, weil sie die PKK unterstützt hätte. Auch in Elazig würde sie nicht bequem leben können. Im Kaffeehaus sei es zu Streitereien mit anderen Jugendlichen gekommen. Auch bei der Polizei wäre man durch die Anzeige von Schlägereien nicht zu seinem Recht gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht nach Istanbul oder in die Westtürkei gegangen, denn auch dort hätte man gemerkt, dass er Kurde sei. Einen Reisepass habe der Beschwerdeführer nicht. Er habe gehört, dass junge Kurden keinen bekämen, und habe daher keinen beantragt. Auf Befragen ergänzte der Beschwerdeführer, nach seinem Militärdienst sei er noch einbis zweimal von der Behörde befragt worden, da er an Auseinandersetzungen beteiligt gewesen sei. Es seien aber nur verbale Streitereien gewesen.

In einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 23. Oktober 2000 führte der Beschwerdeführer darüber hinaus aus, dass er unzutreffender Weise der PKK-Mitgliedschaft bezichtigt worden sei und deshalb die niederschriftlich angegebenen Konsequenzen zu erdulden gehabt hätte. Eine innerstaatliche Schutzalternative bestreite er ausdrücklich, da man als Angehöriger der kurdischen Volksgruppe auch in Istanbul bzw. der Westtürkei immer wieder mit den von ihm geschilderten Vorkommnissen zu rechnen habe und nirgends vor Übergriffen der türkischen Polizei bzw. der Gendarmerie sowie des Militärs sicher sei. Auf Grund seiner illegalen Ausreise in Verbindung mit der kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit habe er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Inhaftierung zu rechnen. Die ihm dort bevorstehende Behandlung würde aller Voraussicht nach seine psychische und physische Integrität massiv beeinträchtigen.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Befragung keinen Asylgrund vorzubringen vermocht. Die von ihm geschilderten Vorkommnisse seien in der Allgemeinsituation in der entsprechenden Region der Türkei begründet. Es läge keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Vorgangsweise des türkischen Staates vor. Außerdem bestehe eine inländische Schutzalternative, da sich der Beschwerdeführer in einen anderen Landesteil der Türkei, insbesondere in eine der Großstädte bzw. in die Mittelmeerregion, begeben könnte und dort keiner Verfolgungshandlung ausgesetzt wäre. Die vom Beschwerdeführer dargestellten Ereignisse dürften durchaus der Wahrheit entsprechen, sie seien jedoch nicht geeignet, eine Asylgewährung zu bewirken bzw. eine Rückkehrgefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz darzutun. In seiner schriftlichen Stellungnahme versuche der Beschwerdeführer, Asylrelevanz aufzuzeigen, insofern er bei seiner Einvernahme lediglich behauptet habe, dass man ihn verdächtigt hätte, die PKK mit Lebensmitteln zu versorgen, in der Stellungnahme jedoch ausführe, man hätte ihn verdächtigt, Mitglied der PKK zu sein. Bei dieser Angabe dürfte es sich um eine Steigerung des Vorbringens handeln, mit der bezweckt werde, Asylrelevanz geltend zu machen. Daher sei dieser Teil der Aussage als unglaubwürdig einzustufen. Von einer "systematischen Gruppenverfolgung" der Kurden in der Türkei könne nicht gesprochen werden. In einer Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Mai 2000 werde in Bezug auf die Verfolgungswahrscheinlichkeit darauf hingewiesen, dass, gemessen an der Gesamtzahl der Kurden, die Annahme einer Gruppenverfolgung nicht gerechtfertigt sei und auch nicht festgestellt werden könne. In der genannten Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates sei auch festgestellt worden, dass Kurden in der Türkei grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative hätten und in der Westtürkei, sofern sie politisch nicht exponiert seien, vor politischer Verfolgung hinreichend sicher seien. Bezüglich der Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Einreise in die Türkei führte die Behörde erster Instanz in der Bescheidbegründung aus, nach Aussagen von Vertretern in der Türkei tätiger Flüchtlingsbetreuungsorganisationen seien keine systematischen Repressalien der türkischen Behörden nachweisbar, wenn Personen aus dem Ausland in die Türkei zurückgeschoben werden. Die Asylantragstellung im Ausland sei strafrechtlich nicht relevant. Die Behörde erster Instanz verwies diesbezüglich auf einen "Länderbericht Türkei, ÖB Ankara, vom 16.10.2000 und Gutachten über die politische und gesellschaftliche Situation der Kurden in der Türkei, vgl. z.B. UBAS Zl. 214.850/4-IV/10/00". Außerdem sei der Beschwerdeführer im Besitz eines Personalausweises und könne damit seine türkische Staatsangehörigkeit nachweisen, weshalb er nicht mit weitergehenden behördlichen Maßnahmen durch die türkischen Behörden zu rechnen hätte. Die behördlichen Maßnahmen würden sich daher im Falle des Grenzübertrittes auf regelmäßig und üblicherweise vorgenommene Routinekontrollen beschränken. Diesbezüglich verwies das Bundesasylamt auf einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 2000.

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei trotz mehrmaliger innerstaatlicher Fluchtversuche auf Grund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe mit einer menschenunwürdigen Vorgangsweise der türkischen Behörden konfrontiert worden. Die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative entspreche nicht den Tatsachen und sei auch nicht dokumentiert. Bezüglich der Geltendmachung seiner PKK-Mitgliedschaft liege keine Steigerung sondern lediglich eine Konkretisierung bzw. Präzisierung seines Vorbringens vor. Das Bundesasylamt habe größtenteils nicht dokumentiert, woher das der erstinstanzlichen Entscheidung zu Grunde gelegte, angeblich den Tatsachen entsprechende Wissen betreffend die Türkei stamme.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, selbst unter Zugrundelegung des Vorbringens, wonach der Beschwerdeführer unzutreffender Weise der PKK-Mitgliedschaft bezichtigt worden sei, hätten weder das mündliche, vor dem Bundesasylamt am 9. Oktober 2000 erstattete Vorbringen, noch das ergänzende Vorbringen vom 23. Oktober 2000, noch die Berufungsausführungen irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Türkei dort asylrelevant verfolgt würde. Die Ereignisse, die der Beschwerdeführer in Bingöl erlebt habe, hätten sich auf wöchentlich ein- bis zweimalige Befragungen, fallweise Schläge, Restriktionen der Nahrungsmittelbeschaffung bzw. Konfiskation der Nahrungsmittel (jedenfalls aber unterhalb der existenzbedrohenden Schwelle) beschränkt. Die damals gegebene Situation bestünde für den Beschwerdeführer nicht mehr. Die Ereignisse während der Zeit des Militärdienstes habe der Beschwerdeführer lediglich unsubstanziiert vorzubringen gewusst. Auch sei diesfalls keine aktuelle Konstellation mehr gegeben. In Elazig seien keine Misshandlungen des Beschwerdeführers erfolgt. Es lägen nur bloße Beeinträchtigungen des Wohlbefindens vor, die bei weitem nicht die für eine Asylgewährung ebenso wie für eine Gewährung von Abschiebungsschutz erforderliche Eingriffsschwere erreichen würden. Gerade das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers selbst erweise daher seine (auch) geäußerten Befürchtungen, dass in der Türkei auf Grund der ihm unterstellten Nähe zur PKK sein Leben in Gefahr sei, als subjektiv überschießend bzw. objektiv unbegründet. Das Bundesasylamt habe auch die den Beschwerdeführer im Falle seiner zwangsweisen Rückkehr in die Türkei erwartende Behandlung durch türkische Staatsorgane inhaltlich zutreffend dargestellt. Die Berufungsbehörde habe in die vom Bundesasylamt genannten Erkenntnisquellen Einsicht genommen. Bei "UBAS Zl 214.850/4-IV/10/00" handle es sich freilich nicht etwa um einen Bescheid, sondern um eine dem Bundesasylamt als Organpartei zugegangene Ladung zu einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, der ein Sachverständigengutachten "Politische und gesellschaftliche Geschichte der Kurden in der Türkei" vom Jänner 2000 beigelegt gewesen sei. Dadurch, dass das Bundesasylamt diese Erkenntnisquellen dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht habe, habe es zwar einen Verfahrensmangel bewirkt. Der Beschwerdeführer habe aber Gelegenheit gehabt, in seiner Berufung den Feststellungen der Behörde erster Instanz inhaltlich entgegenzutreten, weshalb dieser Verfahrensmangel nun geheilt sei. Außerdem sei dadurch die Notwendigkeit näherer Ermittlungen für die belangte Behörde in diesem Punkt nicht mehr gegeben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ist - anders als die Behörde erster Instanz - davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer, wenn auch unzutreffender Weise, der PKK-Mitgliedschaft bezichtigt worden ist.

In dem in Kopie im Akt befindlichen, von der belangten Behörde zitierten Gutachten "Politische und gesellschaftliche Geschichte der Kurden in der Türkei" ist unter anderem Folgendes nachzulesen:

"e) PKK-Mitglieder bzw. PKK-Sympathisanten

Auf Handlungen, die geeignet sind, u.a. die Einheit des Staates zu zerstören oder einen Teil des der Herrschaft des Staates unterliegenden Staatsgebietes von der Verwaltung des Staates loszureißen, steht nach Art. 125 tStGB die Todesstrafe, die allerdings seit 1984 nicht mehr vollstreckt wurde. Die Gründung oder die Führung einer bewaffneten Vereinigung, die u. a. die in Art. 125 sStGB aufgeführten Ziele verfolgt, wird nach Art. 168 Abs. 1 tStGB mit mindestens 15 Jahren Haft, die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung nach Art. 168 Abs. 2 tStGB mit 10-15 Jahren Haft bestraft. Diese Haftstrafen werden nach Art. 5 ATG jeweils um die Hälfte erhöht.

Die Mitgliedschaft in der PKK muss in Strafverfahren nach Art. 168 tStGB (Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) nachgewiesen werden.

Der Tatbestand des Art. 168 tStGB kann nach der Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs erfüllt sein, wenn eine Person über längere Zeit wiederholt öffentlich für die Ziele der PKK eintritt, ohne sie jemals zu kritisieren, und nicht widerlegt werden kann, dass die Person Mitglied der PKK ist (Revisionsurteil im DEP-Prozess).

Zuständig sind die Staatssicherheitsgerichte. Die Polizei hat die Befugnis zu selbständigen Ermittlungen. Die Strafverfolgung ist landesweit und geschieht ohne Ansehen der ethnischen Zugehörigkeit.

Andererseits tendiert die Rechtsprechung der Staatssicherheitsgerichte und des Kassationsgerichtshofs in jüngerer Zeit zu einer engen Auslegung des Separatismus-Begriffs, so dass Verurteilungen zum Tode nach Art. 125 tStGB kaum mehr ausgesprochen werden. Allerdings werden Urteile nach Art. 168 und Art. 169 tStGB weiterhin in hoher Zahl gefällt.

...

IV. Rückkehrfragen

1. Einreisekontrollen

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jedermann, auch Ab- und Zurückgeschobene sowie abgelehnte Asylbewerber, gleich welcher Volkszugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren.

Wird hingegen der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird sie einer Routinekontrolle unterzogen, die eine Abgleichung des Fahndungsregisters nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhaltet.

Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, das er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Ausland aufgehalten hat.

Die Fragen der Vernehmungsbeamten beziehen sich regelmäßig auf: Personalienfeststellung (u.U. Abgleich mit der Personenstandbehörde und dem Fahndungsregister), Grund und Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei, Grund der Abschiebung, eventuelle Vorstrafen im Ausland, Asylantragstellung, Kontakt zu illegalen türkischen Organisationen. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt (nachts, am Wochenende) und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen dauern. Es gibt kein Zentralregister für Personenstandsangelegenheiten, das Personenstandsregister wird jeweils vor Ort geführt. Abgeschobene werden in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend festgehalten. Besteht der Verdacht einer Straftat (z.B. Passvergehen, illegale Ausreise, Wehrdienstflucht), werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Schwierigkeiten für Abgeschobene können eintreten, wenn Befragung oder Durchsuchung des Gepäcks bei den Grenzbehörden oder Recherchen bei den Heimatbehörden den Verdacht der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung der PKK oder anderer illegaler Organisationen begründen. Die Betreffenden werden dann den zuständigen Sicherheitsbehörden übergeben.

2. Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei

Nach dem Öcalan-Prozess ist davon auszugehen, dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für solche abzuschiebenden Personen besteht, die sich bisher in der Kurdenfrage engagiert haben. Während der polizeilichen Vernehmung könnten diese Personen misshandelt und gefoltert werden. In Staatssicherheitssachen darf die Polizeihaft nach der gesetzlichen Neuregelung nunmehr bei Gruppendelikten 7 Tage und im Notstandsgebiet maximal 10 Tage dauern. Für Einzeltäter bleibt es bei 48 Stunden, allerdings kann die Staatsanwaltschaft die Verlängerung des Polizeigewahrsams auf bis zu 4 Tage anordnen. Anwaltszugang ist in den ersten 4 Tagen in Staatssicherheitssachen nicht gesichert."

Die belangte Behörde hätte im Hinblick auf ihre Annahme, dem Beschwerdeführer sei eine Mitgliedschaft bei der PKK unterstellt worden, darzulegen gehabt, weshalb sie trotz der zitierten Passagen des Gutachtens zu dem Schluss gelangte, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei dort von staatlichen Organen nicht in asylrelevanter Intensität verfolgt würde. Sie ging jedoch ohne weiteres davon aus, dass für Personen, denen eine Mitgliedschaft bei der PKK vorgeworfen wird, keine asylrelevante Rückkehrgefahr besteht.

Angesichts dieses Begründungsmangels war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. November 2003

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200111.X00

Im RIS seit

25.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten