TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/26 2000/18/0062

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Veröffentlicht am 26.11.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38;
FrG 1997 §44;
SGG §12 Abs1;
SMG 1997 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Februar 2000, Zl. SD 61/00, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Februar 1998 (zugestellt am 20. Februar 1998) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen (u.a.) aus, dass der seit etwa 1971 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer im Zeitraum von 1975 bis Jänner 1997 insgesamt neunmal rechtskräftig verurteilt worden sei. So sei er im Jahr 1975 wegen Körperverletzung, im Jahr 1978 wegen gefährlicher Drohung, im Jahr 1979 neuerlich wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung, im Jahr 1984 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, im Jahr 1989 wegen schweren Betruges, im Jahr 1993 wegen fahrlässiger Körperverletzung, im Jahr 1994 wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung und im Jahr 1995 wegen Verstrickungsbruches bestraft worden. Zuletzt sei über ihn vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 30. Jänner 1997 wegen gefährlicher Drohung und Inverkehrsetzens einer großen Menge Heroin sowie des unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Suchtgiften gemäß § 12 Abs. 1 und 3 Z. 3, § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz - SGG, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden, weil er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, einer beschäftigungslosen österreichischen Staatsbürgerin, etwa 200 g reines Heroin zuerst erworben und dann verkauft bzw. zu verkaufen versucht habe, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie selbst Suchtgift konsumiert habe und gegenüber zwei ihn einvernehmenden Polizeibeamten den Straftatbestand der gefährlichen Drohung erfüllt habe. (Laut diesem Urteil hat der Beschwerdeführer von April bis 19. Mai 1996 rund 45 g Heroin und von Anfang Juni bis Anfang November 1996 insgesamt zumindest 150 g Heroin jeweils an mehrere Personen verkauft und bis zum 16. November 1996 rund 20 g Heroin durch Bereithalten zu verkaufen versucht, wobei er diese Taten in Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der in § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge ausmachte. Darüber hinaus hat er in der Zeit von Herbst 1995 bis 6. November 1996 Suchtgift in einer großen Menge erworben und besessen und am 7. November 1996 zwei Polizeibeamte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.)

Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass der Beschwerdeführer geschieden und für vier Kinder, von denen sich zwei bei Großeltern in Tunesien und zwei bei seiner geschiedenen Ehegattin in Österreich befänden, sorgepflichtig sei und keiner geregelten Beschäftigung in Österreich nachgehe.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Februar 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. November 1999 auf Aufhebung des vorgenannten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 FrG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermocht habe, dass sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten, und weder in seiner privaten noch in seiner familiären Situation relevante Änderungen eingetreten seien. Sein Vorbringen, er hätte sich seit der letzten, drei Jahre zurückliegenden Verurteilung wohlverhalten, sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Suchtmittelgesetz - SMG unterzogen und diese Therapie erfolgreich abgeschlossen sowie die Zusicherung, eine Arbeitsstelle zu erlangen, und damit die Möglichkeit, sowohl seinen Lebensunterhalt zu bestreiten als auch seinen Unterhaltspflichten nachzukommen, sei nicht geeignet, darzutun, dass das maßgebliche, durch sein Verhalten beeinträchtigte öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte Dritter durch seine persönlichen Interessen überwogen würde. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, wenn er auch seit seiner letzten Verurteilung nicht gerichtlich straffällig geworden sei, in geradezu beharrlicher Weise gegen das FrG verstoßen, indem er das Bundesgebiet trotz des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes nicht verlassen und die zur Sicherung der Abschiebung verhängte Schubhaft zweimal durch Hungerstreik vereitelt habe. Auch durch diese Verhaltensweise habe er sehr augenfällig gezeigt, dass er sich keineswegs mit der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere den fremdenrechtlichen Bestimmungen, verbunden fühle.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. (weiterhin) zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich scheint, um die vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund der §§ 37 und 38 leg. cit. zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben. Allerdings kann bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2003, Zl. 2003/18/0248, mwN.)

2. Dem besagten Aufenthaltsverbot liegt u.a. zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, der bereits im Zeitraum von 1975 bis 1995 achtmal wegen Begehung strafbarer Handlungen, wie in I.1. angeführt, rechtskräftig verurteilt worden war, im Jahr 1996 neuerlich straffällig wurde, indem er von April bis 19. Mai 1996 rund 45 g Heroin und von Anfang Juni bis Anfang November 1996 insgesamt zumindest 150 g Heroin jeweils an mehrere Personen verkaufte sowie rund 20 g Heroin durch Bereithalten bis zum 16. November 1996 zu verkaufen versuchte. Hiebei handelte es sich um eine Menge an Suchtgift, die zumindest das 25-fache einer großen Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SGG - somit einer Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen - ausmachte. Darüber hinaus hat er in der Zeit von Herbst 1995 bis 6. November 1996 eine große Menge Suchtgift erworben und besessen und am 7. November 1996 zwei Polizeibeamte gefährlich bedroht. Wegen dieser Delikte wurde er vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 30. Jänner 1997 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit ihrem Vorbringen, dass diese Straftaten bei Erlassung des angefochtenen Bescheides schon vier Jahre zurückgelegen seien und dem Beschwerdeführer zwecks Inanspruchnahme einer Therapie nach § 11 SMG eine bedingte Strafnachsicht gewährt worden sei, welche Therapie auch erfolgreich abgeschlossen worden sei, wobei er sein Wohlverhalten während der gesamten Probezeit unter Beweis gestellt habe, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der seit der Begehung dieser Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um einen Wegfall oder doch eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit annehmen zu können, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer während seines inländischen Aufenthaltes wiederholt straffällig geworden ist und ihn selbst acht rechtskräftige Verurteilungen nicht davon abhalten konnten, im Jahr 1996 (wie oben dargestellt) in massiver Weise und in Bezug auf das Vergehen der gefährlichen Drohung neuerlich straffällig zu werden. Auch irrt die Beschwerde mit ihrer Ansicht, dass die Verwaltungsbehörden im Sinn der Einheitlichkeit der Rechtsordnung an die Beurteilung des Verhaltens eines Straftäters durch die Strafgerichte im Zusammenhang mit der Setzung einer Probezeit gebunden seien. Nach ständiger hg. Rechtsprechung haben vielmehr die Fremdenpolizeibehörden die Frage des Gerechtfertigtseins eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme unabhängig von den die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0201, mwN).

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Aufrechterhaltung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes unter dem Blickwinkel des § 36 Abs. 1 FrG weiterhin gerechtfertigt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

3. Auch das weitere Vorbringen, dass der Beschwerdeführer nur in Österreich familiäre Bindungen, insbesondere zu seinen Kindern, besitze sowie in seinem Geburtsland keine Unterkunft oder Beschäftigung annehmen könnte und daher seinen Sorgepflichten nicht nachkommen könnte, wobei er in Österreich in einer Pizzeria sofort als Pizzakoch zu arbeiten beginnen könnte und damit für seine wirtschaftliche Existenz wie auch die seiner minderjährigen Kinder gesorgt wäre, ist nicht zielführend.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass er auf Grund des Aufenthaltsverbotes nicht mit seiner Lebensgefährtin und seinen vier Kindern in Österreich zusammen leben dürfe und er seinen Sorgepflichten gegenüber seinen Kindern nur in Österreich nachkommen könnte, behauptet er Umstände, die er bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid geltend gemacht hat und worauf von der belangten Behörde bereits anlässlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides Bedacht zu nehmen war. Im Rahmen der Beurteilung des vorliegend angefochtenen Bescheides kann jedoch, wie bereits dargelegt (oben II. 1.), die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotsbescheides nicht mehr überprüft werden. Soweit das genannte Beschwerdevorbringen jedoch darauf abzielt, dass infolge des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, dessen Aufhebung er anstrebt, eine Verstärkung seiner persönlichen Bindungen und seines Interesses an einem weiteren Aufenthalt in Österreich eingetreten sei, zeigt sie ebenso keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG auf. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer - was von der Beschwerde nicht bestritten wird - die zur Sicherung der Abschiebung verhängte Schubhaft zweimal durch Hungerstreik vereitelt und somit in beharrlicher Weise dem Aufenthaltsverbot durch seinen inländischen Aufenthalt zuwider gehandelt hat, sodass die aus seinem Aufenthalt in Österreich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes resultierenden persönlichen Interessen an Gewicht erheblich gemindert sind, ist die auf Grund seiner zahlreichen Straftaten sich ergebende große Gefährdung öffentlicher Interessen, wie oben II. 2. dargestellt, nach wie vor gegeben. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes begegnet daher auch im Licht des § 37 Abs. 1 und 2 FrG keinem Einwand.

4. Ferner ist das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte nicht die im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geltenden fremdenpolizeilichen Bestimmungen anzuwenden gehabt, sondern die seither eingetretenen Gesetzesänderungen beachten müssen, verfehlt, wurde doch das gegenständliche Aufenthaltsverbot von der belangten Behörde nach den - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Bestimmungen des FrG erlassen und ist insoweit bis zur Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides keine Änderung der Rechtslage eingetreten.

5. Entgegen der Beschwerdeansicht kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich sei.

6. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000180062.X00

Im RIS seit

30.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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