TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/26 2000/18/0101

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Veröffentlicht am 26.11.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E05100000;
E3L E05204020;
E3L E20100000;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

11997E017 EG Art17;
11997E018 EG Art18;
11997E043 EG Art43;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
EURallg;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §37 Abs1 lita;
FinStrG §38 Abs1 lita;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des F, vertreten durch Mag. Georg Riha, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kaiserstraße 67, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Dezember 1999, Zl. SD 1002/99, betreffend Versagung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Dezember 1999 wurde dem Beschwerdeführer die Ausstellung des (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: am 8. September 1999) beantragten Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF BGBl. Nr. 507/1995 (im Folgenden: PassG), versagt.

Der Beschwerdeführer sei am 24. Jänner 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, 2 und 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz - SGG, des Vergehens nach § 16 Abs. 1 leg. cit. und des Vergehens des Schmuggels als Beteiligter nach den §§ 11, 35 Abs. 1, § 38 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz sowie des Vergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a leg. cit. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und einer Geldstrafe von S 500.000,-- rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er im Zeitraum von 1993 bis 1995 über 312 kg Haschisch, über 1 kg Kokain, 4.500 LSD-Trips, 1.200 Stück Ecstasy und über 2,1 kg Marihuana verkauft habe. Weiters habe er einen anderen beauftragt, insgesamt rund 300 kg Haschisch und zumindest 1 kg Marihuana aus den Niederlanden nach Österreich zu schmuggeln, und habe er ca. 30 kg Haschisch und 1 kg Marihuana zum Zweck des Weiterverkaufs bereit gehalten. Es handle sich dabei um eine Übermenge, das sei mehr als das 25-fache einer großen Menge, die allein schon geeignet sei, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe seit 1986 Haschisch konsumiert. Wegen der Folgen einer HIV-Erkrankung sei er als nicht haftfähig befunden worden. (Laut erstinstanzlichem Bescheid vom 5. November 1999, auf dessen Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen wird, sei der Beschwerdeführer am 5. November 1996 wegen Haftuntauglichkeit aus dem Strafvollzug entlassen worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 8. Juli 1999 sei ihm sein Reisepass entzogen worden, nachdem er am 3. Juli 1997 angegeben habe, diesen verloren zu haben. Der Reisepass sei nach Ausschreibung am 22. März 1999 im Zug einer Einreisekontrolle an der Grenzübergangsstelle Nickelsdorf bei dem Beschwerdeführer sichergestellt worden.(

Am 29. August 1997 sei der Beschwerdeführer in Deutschland von deutschen Beamten festgenommen worden, als er versucht habe, ca. 1,9 kg Haschisch und 0,2 kg Marihuana von Amsterdam nach Österreich zu schmuggeln. Wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln sei er vom Schöffengericht Würzburg am 22. Oktober 1997 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (laut erstinstanzlichem Bescheid: unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren( rechtskräftig verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer lasse diesen Sachverhalt zwar unbestritten, er wende jedoch ein, die Annahme der Behörde, dass er seinen neuen Reisepass zu einer kriminellen Tätigkeit nützen wollte, wäre nicht gerechtfertigt, weil er vor seiner ersten Verurteilung nicht ins Ausland gereist wäre und daher seinen Reisepass nicht verwendet hätte, um Suchtgift in großen Mengen nach Österreich einzuführen, und dass er nachher nur "leichte" Drogen für den Eigengebrauch zusammen mit seinem Lebensgefährten geschmuggelt hätte, um seine Schmerzen zu lindern.

Die Versagung eines Reisepasses stelle eine vorbeugende Sicherheitsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten dar. Der Handel (des Beschwerdeführers) mit Suchtgift, vor allem in direkter Beteiligung am Schmuggel und in dem Umfang, wie bei der genannten ersten Verurteilung festgestellt, lasse eine solche Sicherungsmaßnahme zur Vermeidung der Gefahr eines Missbrauchs des Reisepasses zu solchen Zwecken dringend geboten erscheinen. So habe auch das spätere Verhalten des Beschwerdeführers gezeigt, dass er sich von der Suchtgiftszene nach wie vor nicht gelöst habe und im August 1997 Suchtmittel - sei es auch für den Eigenbedarf zur Schmerzlinderung - geschmuggelt habe und nach Österreich habe bringen wollen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung von deren Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 6. März 2000, B 254/00).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird vom Beschwerdeführer der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

2. Die Beschwerde bringt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen vor, dass Art. 17 EGV das Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Niederlassung im Sinn des Art. 43 EGV garantiere, diese Regelungen als unmittelbar anzuwendendes primäres Gemeinschaftsrecht die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG zurückdrängten und diese Gesetzesbestimmung somit nicht anwendbar sei.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Art. 17 und 43 der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. November 1997; EGV) haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 17 (ex-Artikel 8)

(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht.

(2) Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.

...

Artikel 43 (ex-Artikel 52)

Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen."

Die - offensichtlich von der Beschwerde mit ihrer Bezugnahme auf Art. 17 EGV weiters angesprochene - Bestimmung des Art. 18 EGV lautet:

"Artikel 18 (ex-Artikel 8a)

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2) Der Rat kann Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 erleichtert wird; sofern in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, beschließt er gemäß dem Verfahren des Artikels 251. Der Rat beschließt im Rahmen dieses Verfahrens einstimmig."

Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. März 1998, Zl. 97/18/0424, dargelegt hat, ergibt sich aus den in dieser Entscheidung zitierten Regelungen des Gemeinschaftsrechtes, dass die Entziehung des für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit verbundene Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union jedenfalls dann zulässig ist, wenn es sich hiebei um eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit handelt, wobei für Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein darf. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 99/18/0260).

Diese Erwägungen sind auch für die Beurteilung der Zulässigkeit der Versagung eines Reisepasses heranzuziehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, obwohl er am 24. Jänner 1996 u.a. wegen Suchtgifthandels und Schmuggels als Beteiligter zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und einer Geldstrafe von S 500.000,-- rechtskräftig verurteilt worden war und nachdem er am 5. November 1996 aus dem Strafvollzug vorzeitig entlassen worden war, am 29. August 1997 versucht, ca. 1,9 kg Haschisch und 0,2 kg Marihuana von Amsterdam nach Österreich zu schmuggeln. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 14 Abs. 1 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei und im Hinblick darauf die Ausstellung eines Reisepasses an den Beschwerdeführer zu versagen sei, auch unter dem Blickwinkel der von der Beschwerde ins Treffen geführten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen keinen Bedenken.

4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000180101.X00

Im RIS seit

24.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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