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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §299 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der R reg. Gen. m. b. H. in B, vertreten durch Dr. Michael Buresch und Dr. Ilse Korenjak, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Gusshausstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Oktober 2000, Zl. AO 720/5- 06/2000, betreffend Aufhebung von Bescheiden (Umsatzsteuer 1994 bis 1996, Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1997, Umsatzsteuer für Juli 1998) gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Ergebnis einer bei der L. Genossenschaft, der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Genossenschaft, durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, wurde in einer Niederschrift über die Schlussbesprechung am 9. Oktober 1998 u.a. festgehalten, dass "die Bp." festgestellt habe, die L. Genossenschaft hätte im Prüfungs- und Nachschauzeitraum (von 1994 bis einschließlich August 1998) Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer gelegt, obwohl "die Lieferungen nicht ausgeführt" worden seien. Auf diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge würden nach § 11 Abs. 14 UStG geschuldet.
Gegen die im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung erlassenen Bescheide des Finanzamtes betreffend die Umsatzsteuer 1994 bis 1996 sowie die Umsatzsteuervorauszahlung Juli 1998 erhob die beschwerdeführende Genossenschaft mit Schriftsatz vom 8. April 1999 Berufung und beantragte gleichzeitig die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 1997. Die in den bekämpften Bescheiden angeführten Nachzahlungen seien laut Prüfungsbericht zum überwiegenden Teil durch so genannte Scheinrechnungen bedingt. Die "nochmalige" Vorschreibung einer nach § 11 Abs. 14 UStG geschuldeten Umsatzsteuer sei für einen Teil der in den als Scheinrechnungen bezeichneten Fakturen beschriebenen Lieferungen nicht gerechtfertigt. In den ursprünglichen Rechnungen seien Baustoffe fakturiert worden und, wie sich aus internen Buchungsbelegen ergebe, seien nachweislich auch Baustoffe ausgeliefert worden. Sowohl bei den auf den ursprünglichen, von der Betriebsprüfung als Scheinrechnungen bezeichneten, Fakturen angeführten als auch bei den tatsächlich ausgelieferten Waren habe es sich um im Wesen funktionsgleiche Waren gehandelt, welche nur - bedingt durch eine sehr weit aufgefächerte Wareneinzelbewirtschaftung - für die betriebseigene Warenbuchhaltung hinsichtlich der Warenbezeichnung noch näher spezifiziert worden seien. Die internen Umbuchungsbelege seien den Warenempfängern nicht zugestellt worden. Daher seien die Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer um im Einzelnen angeführte, aus einer die in Rede stehenden Rechnungen dokumentierenden Anlage ersichtliche Beträge zu verringern.
Das Finanzamt nahm mit Bescheid vom 17. September 1999 das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 1997 wieder auf und setzte sie dem Wiederaufnahmeantrag entsprechend fest. Weiters gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen vom 22. und vom 27. September 1999 der Berufung statt und setzte die Umsatzsteuer dementsprechend (hinsichtlich der Umsatzsteuer 1994 in einer durch Bescheid vom 30. September 1999 gemäß § 293 BAO berichtigten Höhe) fest.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidungen betreffend die Umsatzsteuer 1994 bis 1996 sowie Juli 1998 und den Wiederaufnahmebescheid betreffend Umsatzsteuer 1997 gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Im Zuge eines Betriebsprüfungsverfahrens bei der L. Genossenschaft habe sich ergeben, dass an die S. Baugesellschaft Gefälligkeitsrechnungen ohne Erbringung jeglicher Lieferungen oder sonstiger Leistungen ausgestellt worden seien. Hiebei habe es sich um Fakturen über nicht gelieferte Waren (Zement) gehandelt, während tatsächlich andere Waren (wie z.B. Ziegel, Fertigputzfliesen, Kanalrohre, Türbeschläge, aber auch Futtermittel, Videorekorder, Lautsprecherboxen usw.) an andere Abnehmer ohne Aushändigung von Rechnungen geliefert worden seien. In der "Warenbewirtschaftung" seien Berichtigungen vorgenommen worden, zumal der Bestand der nicht gelieferten Waren (Zement) nicht habe abnehmen, jener der tatsächlich gelieferten Waren hingegen nicht habe gleich bleiben dürfen. Die tatsächlich gelieferten Waren seien ohne Bezeichnung des Empfängers auf ein Verrechnungskonto gebucht worden. Weder die Artikelbezeichnungen in den Gefälligkeitsrechnungen noch der Warenwert hätten mit den Bezeichnungen und Werten auf dem fiktiven Verrechnungskonto übereingestimmt. Rechnungen über die tatsächlich gelieferten Gegenstände seien bei der L. Genossenschaft verblieben und nach außen nicht in Erscheinung getreten. Die ausgehändigten Gefälligkeitsrechnungen seien meist innerhalb des selben Voranmeldungszeitraums, in dem die tatsächlichen Lieferungen erfolgten, storniert worden. Die Gefälligkeitsrechnungen seien vom Rechnungsempfänger "verbucht und bezahlt" worden. Die in den Gefälligkeitsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sei von den Rechnungsempfängern als Vorsteuer in Abzug gebracht worden, die L. Genossenschaft habe jedoch nicht diese Umsatzsteuer, sondern die auf die tatsächlichen Lieferungen entfallende Umsatzsteuer erklärt. Bei den Empfängern der Gefälligkeitsrechnungen seien die Vorsteuern "entsprechend den Prüfungsfeststellungen" nicht anerkannt worden. Bei der beschwerdeführenden Genossenschaft seien die in den Gefälligkeitsrechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw. UStG 1994 vorgeschrieben worden. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes seien entgegen der Ansicht des Finanzamtes in den aufgehobenen Bescheiden die Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw. UStG 1994 erfüllt. Die L. Genossenschaft habe als Unternehmerin Rechnungen über nicht ausgeführte Lieferungen mit gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen an eine Baugesellschaft ausgestellt. Verbuchungen auf dem fiktiven Verrechnungskonto würden aufzeigen, dass der eigentliche Leistungsaustausch hinsichtlich anderer Gegenstände zwischen der L. Genossenschaft und nicht namhaft gemachten Empfängern ohne Aushändigung von Rechnungen stattgefunden habe. Die ausgehändigten Gefälligkeitsrechnungen würden zwar den formalen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 UStG entsprechen, jedoch mangels einer tatsächlichen Lieferung darauf abzielen, in Missbrauchsabsicht zum Vorsteuerabzug verwendet werden zu können. Im Übrigen sei schon auf Grund der unterschiedlichen Bezeichnung der Gegenstände in den Gefälligkeitsrechnungen (Zement) und auf dem fiktiven Verrechnungskonto (Ziegel usw.) nicht davon auszugehen, dass Zement an die S. Baugesellschaft geliefert worden wäre. Selbst in Fällen, in welchen in den Gefälligkeitsrechnungen Zement als handelsübliche Bezeichnung aufscheine und auch tatsächlich Zement geliefert worden sei, sei die Umsatzsteuer auf Grund der Rechnungslegung entstanden, zumal weder Menge noch der wertmäßige Betrag des gelieferten Zements mit dem abgerechneten übereinstimmten.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, dass "in diversen Fällen" Lieferungen von Waren im Auftrag der jeweiligen Baugesellschaft an dritte Personen vorgenommen worden seien, wobei die Dritten von der jeweiligen Baugesellschaft entweder zur Abholung der Liefergegenstände zur L. Genossenschaft geschickt worden oder diese Waren im Auftrag der Baugesellschaft diesen dritten Personen seitens der L. Genossenschaft zugestellt worden seien. In allen Fällen sei aber der Gegenstand der tatsächlichen Lieferung durch die jeweilige Baugesellschaft vorher bestimmt worden. Über solche Lieferungen seien an die Baugesellschaften "zur Gänze" Rechnungen ausgestellt worden, bei welchen aber in vielen Fällen die Bezeichnung des Gegenstands der Lieferung nicht genau der Bezeichnung in der Warenwirtschaft der L. Genossenschaft entsprochen habe. In bestimmten Abständen seien die entsprechenden Rechnungen im Rechnungswesen der L. Genossenschaft storniert und Belege ausgestellt worden, bei denen die Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung den Bezeichnungen in der Warenwirtschaft entsprachen. Die in dieser Art durchgeführte Berichtigung der ursprünglichen Rechnungen sei aber nur in der Warenbuchhaltung der L. Genossenschaft vollzogen worden, nicht aber gegenüber den Baugesellschaften, an welche diese Lieferungen ursprünglich fakturiert worden seien. Es seien stets Rechnungen von der L. Genossenschaft an Baufirmen ausgestellt worden, Vertragspartner seien somit zwei Unternehmer gewesen. Es sei als durchaus zulässig zu betrachten, wenn ein Unternehmer eine dritte Person zur Abholung von Waren zu einem anderen Unternehmer schicke. Es habe sich weder um Scheingeschäfte gehandelt noch sei den als Scheinrechnungen bezeichneten Fakturen kein Leistungsaustausch zu Grunde gelegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 299 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz BGBl. I Nr. 97/2002 lautete auszugsweise:
"(1) In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
a) .....
(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden."
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die in Rede stehenden Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben. Sie hat den vom Finanzamt festgestellten oder angenommenen Sachverhalt als rechtlich unzutreffend beurteilt angesehen und keine von den des Finanzamtes abweichenden - gegebenenfalls die Wahrung des Parteiengehörs erfordernden - eigenen Sachverhaltsfeststellungen getroffen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, 97/13/0165).
§§ 11 Abs. 14 UStG 1972 und UStG 1994 lauten wortgleich:
"Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, dass es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darum gehe, bei Rechnungen, welche "lediglich" hinsichtlich des Gegenstandes der Lieferung nicht richtig bezeichnet sind, nicht die Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG zur Anwendung zu bringen. Damit räumt die beschwerdeführende Genossenschaft, die zwar auch von einer "näheren Spezifikation bezüglich des Liefergegenstandes" spricht, ein, dass sich unter den in Rede stehenden Rechnungen auch solche befunden haben, welche den Liefergegenstand unrichtig bezeichnet haben, der in den Rechnungen bezeichnete Gegenstand sohin nicht geliefert wurde. Dass Berichtigungen solcher Rechnungen nicht nach außen wirksam, sondern lediglich "unternehmensintern" durch sog. Umbuchungsbelege vorgenommen wurden, ist unstrittig.
Die lt. angefochtenem Bescheid die Bescheidbehebung u.a. tragende Begründung des Fehlens der Übereinstimmung zwischen den Rechnungsangaben und den tatsächlich gelieferten Waren erweist sich somit als stichhaltig. Solcherart kann aber auch keine Rechtswidrigkeit in der aufsichtsbehördlichen Bescheidbehebung durch die belangte Behörde erkannt werden, zumal die in der Beschwerde etwa ins Treffen geführte Möglichkeit der Berichtigung der in Rede stehenden Rechnungen im Zusammenhang mit der Berichtigung der entsprechenden Vorsteuern beim Rechnungsempfänger unter Hinweis auf die - nur hinsichtlich des Streitzeitraumes ab 1. Jänner 1995 maßgebliche - Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2002, 98/13/0038) im Zuge des fortgesetzten Abgabenverfahrens zu beurteilen sein wird.
Die Aufhebung der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1997 begründet die belangte Behörde damit, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen keinen Wiederaufnahmegrund darstellen und die vom Finanzamt vorgenommene Wiederaufnahme ohne rechtsgültigen Wiederaufnahmegrund rechtswidrig sei. Damit geht die belangte Behörde davon aus, dass der im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachte Sachverhalt dem Finanzamt bereits bekannt gewesen sei, als es die Umsatzsteuer 1997 (erstmals) festsetzte. Somit sei diesbezüglich keine - für eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderliche - neu hervorgekommene Tatsache gegeben gewesen.
Die Beschwerde tritt dieser Annahme eines unveränderten Sachverhaltes betreffend Umsatzsteuer 1997 nicht entgegen, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit die von der belangten Behörde vorgenommene Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides, der sich nicht auf neu hervorgekommene Tatsachen habe stützen können, rechtswidrig wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000130211.X00Im RIS seit
22.01.2004