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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des H H und 2. der C H, beide in B, vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. März 2002, Zl. Ve1-550-3045/1-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Baurechtsangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. B B, 2. E B, beide in B, beide vertreten durch Dr. Markus Zoller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, 3. Gemeinde B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben insgesamt dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den 1. und
2. Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. August 2000 wurde den Erst- und Zweitmitbeteiligten die Baubewilligung für einen Um- und Zubau zum bestehenden Gebäude auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück Nr. 116 KG B unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Bereits mit Eingabe vom 17. Juli 2000 hatten die Beschwerdeführer den Antrag gestellt, ihre Parteistellung im Bauverfahren festzustellen sowie ihnen Akteneinsicht in die Bauakten zu gewähren. Daraufhin erging an die Beschwerdeführer zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters folgendes, ohne Zuhilfenahme automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestelltes, mit 5. September 2000 datiertes Schreiben:
"Zu Ihrer Eingabe vom 17.07.2000 (mittels FAX) und dieselbe am 18. 07. 2000 per Einschreiben wird mitgeteilt, dass nach Vornahme von planlichen Abänderungen, die ursprüngliche Baueingabe betreffend, der bewilligte Stand so aussieht, dass auf dem das Bauverbot betreffenden nördlichen Grundstücksteil keine Bauvorhaben bzw. -maßnahmen mehr vorgesehen sind.
Laut § 25 Absatz 2 ist Nachbarstatus der Eigentümer von Gst. 110 GB. R (H H und C) deshalb nicht gegeben, weil ihr Grundstück durch 'kein anderes Grundstück mit einer Breite von höchstens 5 m als ein Straßengrundstück' getrennt ist. Eine unmittelbare Angrenzung ( von Gst. 110) an den Bauplatz liegt ohnehin nicht vor.
Deshalb keine Parteistellung samt allen Folgerungen.
Der Bürgermeister:
Gemeindesiegel und (unleserliche) eigenhändige Unterschrift."
Gegen diese Erledigung erhoben die Beschwerdeführer "zur Vermeidung von Säumnisfolgen" Berufung.
Da die Berufungsbehörde mit ihrer Entscheidung säumig wurde, erhoben die Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieses zu Zl. 2001/06/0141 anhängig gewesene Verfahren wurde infolge Nachholung des versäumten Bescheides mit Beschluss vom 5. März 2002 eingestellt.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 11. Januar 2002 wurde die von den Beschwerdeführern gegen die Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. September 2000 erhobene Berufung mit der wesentlichen Begründung als unzulässig zurückgewiesen, bei der bekämpften Erledigung handle es sich nicht um einen mit Rechtsmittel bekämpfbaren Bescheid.
Gegen diesen Bescheid des Gemeindevorstandes vom 11. Januar 2002 erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2002 wies die belangte Behörde diese Vorstellung als unbegründet ab.
Nach Darstellung des Verfahrensganges führte sie begründend aus, ein Antrag auf Feststellung sei auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig, wenn die Erlassung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen sei. Da die Parteistellung im Baubewilligungsverfahren von entscheidender Bedeutung sei, sei deren Feststellung für die Beschwerdeführer von erheblichem rechtlichem Interesse. Ein Antrag auf Feststellung der Parteistellung sei im Baubewilligungsverfahren somit zulässig und ein solcher Antrag von der Behörde mittels Bescheid zu erledigen.
Um eine schriftliche Erledigung einer Behörde als Bescheid qualifizieren zu können, müssten die in den §§ 58 ff AVG 1991 festgelegten Formvorschriften gegeben sein. Seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so sei entweder der Bescheid mangelhaft, oder es liege ein Nichtbescheid vor. Merkmale eines Bescheides seien zum einen die ausdrückliche Bezeichnung des Schriftstückes als Bescheid, weiters die Bezeichnung der Behörde, das Datum und der Adressat, an den sich der Bescheid richte, zudem der Spruch, der den wichtigsten Bestandteil des Bescheides darstelle, da nur dieser Teil des Bescheides rechtliche Geltung erlange. Der Spruch müsse begründet werden und darüber hinaus habe der Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten, in der der Partei mitgeteilt werde, ob und wenn ja, wie dieser Bescheid im Instanzenzug bekämpft werden könne. Abschließend sei der Bescheid gemäß § 18 AVG 1991 vom Genehmigenden zu unterfertigen und falls der Name nicht leserlich sei, dieser in leserlicher Form beizufügen. Doch nicht alle diese Voraussetzungen seien wesentliche Bescheidmerkmale, sodass bei ihrem Fehlen ein Schriftstück nicht als Bescheid zu qualifizieren sei. Das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 05. September 2000 werde nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet. Die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid sei nur dann nicht wesentlich, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Geltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lasse, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt habe. In jenem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lasse, sei die Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter essentiell. Im gegenständlichen Schreiben werde eingangs die Formulierung "mit diesem Schreiben wird mitgeteilt" gewählt, wodurch nicht zweifelsfrei zum Ausdruck komme, dass die Behörde mit diesem Schreiben den Antrag der nunmehrigen Vorstellungswerber bescheidmäßig habe erledigen wollen. Aus dieser Formulierung ergebe sich weiters, dass der zweite Absatz des Schreibens nicht als Spruch eines Bescheides gewertet werden könne, da diese Formulierung den Eindruck erwecke, es handle sich lediglich um eine Mitteilung. Enthalte ein Verwaltungsakt keinen oder keinen ordnungsgemäßen Spruch, so fehle ihm der Normcharakter und damit auch die Rechtsqualität eines Bescheides. Darüber hinaus seien gemäß § 58 Absatz 2 AVG 1991 Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen werde. Die ebenfalls im zweiten Absatz enthaltenen Ausführungen könnten keinesfalls die gesetzlich geforderte Begründungspflicht erfüllen, womit auch diesem Bescheidmerkmal nicht entsprochen worden sei. Außerdem fehle dem Schreiben eine Rechtsmittelbelehrung. Aus der Bestimmung des § 61 AVG 1991 über die Folgen einer fehlenden oder mangelhaften Rechtsmittelbelehrung sei allerdings abzuleiten, dass die Rechtsmittelbelehrung kein wesentliches Bescheidmerkmal sei, da auch dann ein Bescheid vorliege, wenn die Rechtsmittelbelehrung fehle. Darüber hinaus sei das Schreiben des Bürgermeisters mit einem Stempel der Gemeinde B versehen und mit "der Bürgermeister:" unterfertigt worden, daneben befinde sich eine unleserliche Unterschrift ohne leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden. Eine mangelnde Beifügung des Namens des Bürgermeisters als Genehmigenden verhindere die Bescheidqualität der behördlichen Erledigung nicht, dies allerdings nur dann, wenn alle übrigen für das Vorliegen eines Bescheides erforderlichen Merkmale gegeben seien. Da das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 5. September 2000 mehrere der geforderten Voraussetzungen, die für die Bescheidqualität essentiell seien, nicht erfülle, könne dieses Schreiben nicht als Bescheid qualifiziert werden. Der Gemeindevorstand habe in seiner Berufungsentscheidung vom 11. Januar 2002 somit zu Recht festgestellt, dass die Berufung nicht zulässig sei, da das angefochtene Schreiben des Bürgermeisters vom 5. September 2000 nicht als Bescheid qualifiziert werden könne und daher auch kein Rechtsmittel dagegen zulässig sei.
Abschließend werde noch darauf hingewiesen, dass aus diesem Grund der am 17. Juli 2000 gestellte Antrag auf Akteneinsicht und auf Feststellung der Parteistellung der nunmehrigen Vorstellungswerber somit noch immer unerledigt sei. Bei der Entscheidung über die Parteistellung sei nicht die derzeitige Gesetzeslage, sondern die TBO 1998 idF LGBl. Nr. 7/1999 anzuwenden.
Tatsächlich wurde in weiterer Folge mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. März 2002 der Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung ihrer Parteistellung sowie der damit verbundene Antrag auf Akteneinsicht abgewiesen und die gegen das vorliegende Bauprojekt erhobenen Einwendungen mangels Parteistellung der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
Gegen den die Vorstellung abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 2002 richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Gründen der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Sowohl die Erst- und Zweitmitbeteiligten als auch die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten ebenfalls Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass im Beschwerdefall im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, mit dem die Vorstellung der Beschwerdeführer aus der (inhaltlich mit der bekämpften Entscheidung der Berufungsbehörde übereinstimmenden) Erwägung, bei der Erledigung des Bürgermeisters vom 5. September 2000 habe es sich nicht um einen Bescheid gehandelt, ohne Eingehen in die materiell-rechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführer abgewiesen wurde, ausschließlich die Frage zu beantworten war, ob die von der Vorstellungsbehörde bestätigte Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführer zu Recht erfolgt ist. Auf die Ausführungen betreffend die Einwendungen gegen das Bauvorhaben war daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen.
Gemäß § 18 Abs. 2 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 137/2001, erfolgt die Genehmigung einer Erledigung durch die Unterschrift des Genehmigenden. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung haben Erledigungen schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird. Schriftliche Erledigungen können zugestellt oder telegraphisch, fernschriftlich oder mit Telefax übermittelt werden. Im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise können schriftliche Erledigungen dann übermittelt werden, wenn die Partei dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat oder wenn sie Anbringen in derselben Weise eingebracht und dieser Übermittlungsart nicht gegenüber der Behörde ausdrücklich widersprochen hat.
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung hat jede schriftliche Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, haben schriftliche Erledigungen auch die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Erledigung mit dem Erledigungstext des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die Genehmigung im Sinne des Abs. 2 aufweist; das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Werden schriftliche Erledigungen vervielfältigt, so bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung. Schriftliche Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sind oder die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.
Das von den Beschwerdeführern als Bescheid gewertete Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. September 2000 ist unstrittig auf offiziellem Briefpapier der mitbeteiligten Gemeinde geschrieben, enthält die Geschäftszahl und den Betreff des gegenständlichen Bauaktes, ist jedoch weder als "Bescheid" ausdrücklich bezeichnet noch als solcher gegliedert. Es enthält weder Begründung noch Rechtsmittelbelehrung. Auch der Adressat lautet nicht auf die Beschwerdeführer (als Antragsteller), sondern lediglich auf deren Rechtsvertretung. Dem Gemeindestempel wurde lediglich die eigenhändige Paraffe des Unterfertigenden ohne Angabe seines Namens in leserlicher Form beigefügt.
Wie die belangte Behörde bereits zutreffend ausgeführt hat, kann nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung eines Bescheides nur dann verzichtet werden, wenn sich aus seinem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/11/0269, mwN). Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor. Nach dem bisher Gesagten ist dem in Rede stehenden Schreiben nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde über den Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung ihrer Parteistellung im Bauverfahren durch individuellen Verwaltungsakt normativ entscheiden wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2002, Zl. 2002/11/0125).
Da der von den Beschwerdeführern mit Berufung bekämpften Erledigung demnach kein Bescheidcharakter zukam und eine Berufung sich gemäß § 63 AVG stets nur gegen einen Bescheid richten kann, war diese Berufung zurückzuweisen. Dies hat die belangte Behörde zutreffend erkannt.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002060065.X00Im RIS seit
25.12.2003