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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzmäßigkeit einer vom Bürgermeister erlassenen Parkverbotsverordnung; Zuständigkeit zur Erlassung einer solchen Verordnung im eigenen Wirkungsbereich der GemeindeSpruch
Die Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg vom 25. Juni 1996 wird, soweit damit unter Punkt 2) das Parken an der Ostseite der Klammgasse, zwischen der L 4141 und der Einfahrt zum Grundstück Nr. 124, verboten wird, nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg erließ am 25. Juni 1996 folgende Verordnung:
"DER BÜRGERMEISTER DER MARKTGEMEINDE SCHEIBLINGKIRCHEN-THERNBERG
ERLÄSST FOLGENDE
V E R O R D N U N G
Die Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg verordnet in der Klammgasse, in Gleißenfeld folgende Verkehrsmaßnahmen:
1)
Das Halten und Parken ist an der Westseite der Klammgasse, zwischen der L 4141 und der Einfahrt zum Grundstück Nr. 168, verboten.
2)
Das Parken ist an der Ostseite der Klammgasse, zwischen der
L 4141 und der Einfahrt zum Grundstück Nr. 124, verboten.
Die Verordnung tritt mit der Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen in Kraft.
Der Bürgermeister:
...
Angeschlagen am: 25.6.1996
Abgenommen am: 09.7.1996"
Die entsprechenden Straßenverkehrszeichen sind an Ort und Stelle angebracht.
2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B909/97 ein Verfahren über eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich richtet. Mit diesem Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita iVm. §24 Abs3 lita StVO 1960 bestraft, weil er am 16. Juli 1996 von 22.30 Uhr bis 22.45 Uhr im Ortsgebiet von Gleißenfeld auf der Klammgasse nächst dem Haus Nr. 123 einen näher bezeichneten Pkw im Bereich des Vorschriftszeichens "Parken verboten" geparkt hatte.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat das Verfahren über die Beschwerde unterbrochen und gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg vom 25. Juni 1996, soweit damit unter Punkt 2) das Parken an der Ostseite der Klammgasse, zwischen der L 4141 und der Einfahrt zum Grundstück Nr. 124, verboten wird, eingeleitet.
Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die oben genannte Verordnung angewendet. Der Verfassungsgerichtshof ist in dem dieses Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß vorläufig davon ausgegangen, daß auch er bei Entscheidung über die vorliegende - offenbar zulässige - Beschwerde diese Verordnung anzuwenden hätte.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Einleitungsbeschluß seine Bedenken, daß die vom Bürgermeister der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg erlassene Verordnung von einem unzuständigen Organ erlassen worden sei, dahingehend umschrieben, daß gemäß §94d Z4 lita StVO 1960 die Erlassung von Verordnungen, mit denen Beschränkungen für das Halten und Parken erlassen werden, von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen seien, sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten seien, beziehen solle. Gemäß §35 NÖ Gemeindeordnung 1973 (im folgenden: NÖ GO 1973) oblägen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt werde. §38 NÖ GO 1973 regle jene im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gelegenen Angelegenheiten, die vom Bürgermeister zu besorgen seien, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt werde. Die Erlassung von verkehrsbeschränkenden Verordnungen nach §43 StVO 1960 sei in §38 NÖ GO 1973 jedoch nicht aufgezählt.
4. Die Niederösterreichische Landesregierung und der Bürgermeister der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg haben Äußerungen erstattet, in denen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung verteidigt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die in Prüfung gezogene Verordnung bildet eine Voraussetzung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im anhängigen Beschwerdeverfahren. Die Prozeßvoraussetzungen des Verordnungsprüfungsverfahrens sind gegeben.
In dem das Prüfungsverfahren einleitenden Beschluß hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit der Verordnung deshalb bezweifelt, weil sie anscheinend nicht vom zuständigen Gemeindeorgan erlassen worden sei.
2. Gemäß §94d Z4 StVO 1960 in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 518/1994 ist "die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen Beschränkungen für das Halten und Parken ... erlassen werden", von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen, sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll. Gemäß §32 Abs2 Z4 NÖ GO 1973 sind die Angelegenheiten der Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde und der örtlichen Straßenpolizei der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet.
Nach der Generalklausel des §35 Abs1 NÖ GO 1973 obliegen alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Gemeinderat.
§38 NÖ GO 1973 regelt die Aufgaben des Bürgermeisters im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde:
"§38
Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich
(1) Im eigenen Wirkungsbereich obliegen dem Bürgermeister, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird:
1.
die Vollziehung der von den Kollegialorganen gefaßten Beschlüsse, unbeschadet der Bestimmungen des §37 Abs2;
2.
die Besorgung der behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches; die Bestimmung des §42 Abs3 wird hiedurch nicht berührt;
3.
die laufende Verwaltung, insbesondere hinsichtlich des Gemeindevermögens, wobei die Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten sind;
4.
die Ausübung von Zwangsbefugnissen, soferne sie gesetzlich dem Bürgermeister vorbehalten sind;
5.
die Dienstenthebung der Gemeindebediensteten sowie die Aufnahme, Kündigung und Entlassung von nicht länger als auf die Dauer von sechs Monaten beschäftigten Bediensteten und
6.
die Handhabung der Ortspolizei, soferne nicht einzelne ihrer Aufgaben besonderen staatlichen Organen übertragen wurden.
(2) Bei Gefahr im Verzuge, insbesondere zum Schutze der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, ist der Bürgermeister berechtigt, einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen. In Katastrophenfällen kann er überdies gegen angemessene Vergütung vermögensrechtlicher Nachteile jedes taugliche Gemeindemitglied zur Hilfeleistung aufbieten.
(3) Kann bei Gefahr im Verzuge der Beschluß des zuständigen Kollegialorganes nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde abgewartet werden, ist der Bürgermeister berechtigt, anstelle des sonst zuständigen Organes tätig zu werden.
(4) Der Bürgermeister hat über Maßnahmen, die er auf Grund der Abs2 und 3 getroffen hat, dem zuständigen Organ in der nächsten Sitzung zu berichten. Durch solche Maßnahmen erforderliche Änderungen des Voranschlages, des Dienstpostenplanes oder des Flächenwidmungsplanes dürfen nur vom Gemeinderat beschlossen werden.
(5) Der Bürgermeister hat zumindest einmal jährlich, möglichst anläßlich der Auflegung des Entwurfes des Voranschlages gemäß §73 Abs1 die Bevölkerung der Gemeinde in geeigneter Form über die Tätigkeit der Gemeinde zu unterrichten."
3. Die Niederösterreichische Landesregierung hält den im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken entgegen:
Die gemäß §38 Abs1 Z2 NÖ GO 1973 dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich zur Besorgung obliegenden behördlichen Aufgaben seien Aufgaben der Hoheitsverwaltung. Die Kompetenz des Bürgermeisters zur Besorgung der Hoheitsverwaltung im eigenen Wirkungsbereich umfasse demgemäß die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden sowie die Setzung von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Zur Erlassung der gegenständlichen Parkverbotsverordnung sei daher der Bürgermeister im Rahmen des §38 Abs1 Z2 NÖ GO 1953 zuständig gewesen.
Auch der Bürgermeister der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg hat sich in seiner Äußerung dieser Auffassung angeschlossen, indem er die Erlassung einer Parkverbotsverordnung den vom Bürgermeister zu besorgenden behördlichen Aufgaben zuzählt.
4. Die im Einleitungsbeschluß gegen diese Verordnung geäußerten Bedenken treffen nicht zu:
Der Verfassungsgerichtshof geht mangels eines diesbezüglichen Vorbringens aufgrund der Aktenlage davon aus, daß es sich bei der von der Parkverbotsverordnung erfaßten Klammgasse im Gemeindegebiet Gleißenfeld um eine Gemeindestraße handelt. Die Erlassung der Parkverbotsverordnung stellt sohin eine von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgende Angelegenheit dar.
Aus dem Wortlaut des §38 Abs1 Z2 NÖ GO 1973 ergibt sich, daß dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde die Besorgung der behördlichen Aufgaben obliegt. Da diese Bestimmung den Begriff "behördliche Aufgaben" nicht etwa wie zB die Salzburger Gemeindeordnung 1965 (vgl. dazu VfSlg. 7522/1975) auf "behördliche Aufgaben in erster Instanz" einschränkt, umfaßt der Begriff "behördliche Aufgaben" - wie die Niederösterreichische Landesregierung zutreffend ausführt - auch die Erlassung von Verordnungen. Aus den Gesetzesmaterialien zu §38 NÖ GO 1973 geht nichts hervor, was an dieser Rechtsauffassung zweifeln ließe.
Es ist daher festzustellen, daß der Bürgermeister der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg gemäß §38 Abs1 Z2 NÖ GO 1973 zur Erlassung der Parkverbotsverordnung zuständig war.
Die im Einleitungsbeschluß gegen diese Verordnung angeführten Bedenken treffen daher nicht zu.
5. Die Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg vom 25. Juni 1996, soweit damit unter Punkt 2) das Parken an der Ostseite der Klammgasse, zwischen der
L 4141 und der Einfahrt zum Grundstück Nr. 124, verboten wird, war daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
6. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Gemeinderecht, Organe, Bürgermeister, Wirkungsbereich eigener, Straßenpolizei örtliche, Straßenpolizei, Halte(Park-)verbot, ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V90.1999Dokumentnummer
JFT_09999372_99V00090_00