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L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;Norm
BauPolZuständigkeitsübertragung Bludenz Bregenz Feldkirch 1969 §1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des F N und 2. der A N, beide in F, beide vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 25. Januar 2002, Zl. I-5/3/Fo/02, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: 1. D D in F, und 2. Gemeinde F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Mai 1997 war dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit 10 Gästebetten, auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Nr. 876/1 KG F erteilt worden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juni 2000 wurden über Antrag des Erstmitbeteiligten gemäß § 35 des Vorarlberger Baugesetzes die bei der Ausführung des Wohnhauses mit Matratzenlager auf dem bezeichneten Grundstück vorgenommenen Planabweichungen nachträglich bewilligt und gemäß § 45 des Vorarlberger Baugesetzes die beantragte Benützungsbewilligung für das neu errichtete Wohnhaus mit Matratzenlager unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Begründend wurde in diesem Bescheid darauf hingewiesen, dass bei der Ausführung vom bewilligten Plan wie folgt abgewichen worden sei:
Über der bewilligten Trafostation sei eine offene Überdachung im gleichen Ausmaß wie die Trafostation errichtet worden. Die Ausführung sei in Holzkonstruktion erfolgt. Das Dach sei durch Verlängerung des Hauptdaches hergestellt worden. Die Dacheindeckung erfolge wie beim Hauptdach. Im Kellergeschoss sei auf der rechten Seite des Einganges anstelle des Schiraumes und des Hobby- und Lagerraumes eine Wohnung für den Eigentümer eingerichtet worden. Ein Schuhraum sei auf der linken Seite des Haupteinganges errichtet worden. An der nördlichen Seite des Kellergeschosses sei zusätzlich eine Waschküche errichtet worden. Im Erdgeschoss seien anstelle der ursprünglich geplanten Wohnung für den Eigentümer sanitäre Anlagen für ein Massenlager im Obergeschoss errichtet worden. Im Obergeschoss sei ein Matratzenlager mit Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu 30 Personen eingerichtet worden. Die Zufahrt zum Wohnhaus erfolge derzeit über den Güterweg "F" und einer provisorisch errichteten Straße über das Grundstück Nr. 876/1 KG F, welches im Eigentum von J D stehe. Die ursprünglich geplante Zufahrt von der B 193 über den Parkplatz beim Kaffee D sei nicht ausgeführt worden. In der Begründung dieses Bescheides heißt es weiter, auf Grund der äußerst schlechten Bodenverhältnisse sei der Bauwerber gezwungen gewesen, die begonnenen Arbeiten beim geplanten Zufahrtsweg, ausgehend von der B 193 über den Parkplatz beim Kaffee D einzustellen. Die Güterweggenossenschaft "F" sowie Grundeigentümer J D hätten aus diesem Grund einer Verlegung der Zufahrt während der Bauphase mündlich zugestimmt. Diese provisorische Zufahrt wolle der Mitbeteiligte jetzt möglichst beibehalten. Die Güterweggenossenschaft "F" habe dem Antrag des Mitbeteiligten bereits entsprochen und ihn am 11. Jänner 2000 bei der stattgefundenen Vollversammlung als neues Mitglied aufgenommen. Seitens der Baubehörde bestünden keine Einwände gegen die neue Trassenführung zumal die ursprünglich geplante und bewilligte Zufahrt ausgehend von der B 193 relativ steil gewesen wäre. Die Abklärung bzw. Vorlage der rechtlichen Nachweise über die neue Trassenführung sei dem Mitbeteiligten bis 30. Juni 2001 befristet worden. Aus dem Zimmernachweis habe sich bestätigt, dass es sich bei dem Wohnhaus des Mitbeteiligten um einen Beherbergungsbetrieb ohne jegliche Dienstleitung an den Gast handle. Die Privatzimmervermietung stelle eine Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Z. 9 Gewerbeordnung 1994 dar. Es seien somit gewerberechtliche Bestimmungen nicht anzuwenden. Die beantragte Benützungsbewilligung sei damit zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben (neben anderen Nachbarn) auch die Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. November 2000 wurde die Berufung der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die provisorische Zufahrt sei mit Einverständnis des Grundeigentümers J D erfolgt. Hinsichtlich der weiteren Abklärung der Zufahrtsverhältnisse sei dem Bauwerber eine Frist bis zum 30. Juni 2001 eingeräumt worden. Hinsichtlich der Parkplätze stünden 6 Parkplätze auf dem Gemeindeparkplatz und 4 Parkplätze vor dem Kaffee D zur Verfügung, die jeweils an den Mitbeteiligten vermietet würden. Aus dem Zimmernachweis im Ortsprospekt gehe hervor, dass es sich bei dem Beherbergungsbetrieb des Mitbeteiligten um einen solchen ohne jegliche Dienstleistung an den Gast und somit ausschließlich um eine Selbstversorgerhütte handle. Eine Privatzimmervermietung stelle gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 Gewerbeordnung eine Ausnahme dar, weshalb als Baubehörde der Bürgermeister der zuständigen Gemeinde und nicht die Bezirkshauptmannschaft Bludenz zuständig gewesen sei. Hinsichtlich der Bettenanzahl stehe dem Nachbarn kein Einspruchsrecht zu.
Infolge der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 26. Jänner 2001 den bestätigenden Bescheid der Gemeindevertretung vom 24. November 2000 gemäß § 83 Abs. 7 Gemeindegesetz auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück. Tragender Aufhebungsgrund war die Annahme einer Verletzung des Parteiengehörs der Beschwerdeführer im Verfahren über die Bewilligung der Planabweichungen. Bewilligungspflichtige Planabweichungen lägen nämlich insbesondere dann vor, wenn die neue Verwendung allfällige neue Erschließungsvoraussetzungen oder zusätzliche Stellplätze erfordere. Dabei wäre zu prüfen gewesen, ob auf Grund der geänderten Verwendung des gegenständlichen Bauwerkes weitere Vorschreibungen notwendig würden. Diese Voraussetzungen seien jedoch weder im Bauverfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren nachvollziehbar geprüft worden. Das Ermittlungsverfahren sei demnach ergänzungsbedürftig geblieben. Insbesondere in brandschutztechnischer Hinsicht sei die Änderung von 10 Gästebetten in ein Matratzenlager mit 30 Betten relevant. Zwar sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Planabweichungen seit der AVG-Novelle 1999 fakultativ. Dieses Ermessen befreie jedoch nicht von der Durchführung umfassender Ermittlungen und der Gewährung des Parteiengehörs über deren Ergebnis. Im Bauverfahren erster Instanz bezüglich der Planabweichungen sei es nicht zu einer Einbeziehung der Parteien gekommen, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle.
Auf Grund dieser Ausführungen der belangten Behörde wurde am 9. Februar 2001 in Anwesenheit eines Sachverständigen für Brandschutz sowie eines hochbautechnischen Sachverständigen sowie in Anwesenheit der Beschwerdeführer von der Berufungsbehörde eine Bauverhandlung durchgeführt, anlässlich derer die Beschwerdeführer (u.a. auch die beschwerdegegenständlichen) Einwendungen erhoben. Am 16. Mai 2001 fand ein ergänzender Ortsaugenschein statt, anlässlich dessen der hochbautechnische Sachverständige die von den Beschwerdeführern bezweifelte Übereinstimmung der Angaben in den vorgelegen Bauplänen mit der Wirklichkeit in Bezug auf die Raumgrößen überprüfte und für richtig befand.
Mit (Ersatz-)Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 2001 (Tag der Ausfertigung; Tag der Beschlussfassung am 6. September 2001) wurden gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes die erforderliche Abstandsnachsicht erteilt (Spruchpunkt I) und gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 31, 32 und 35 Abs. 2 Vlbg. BauG die beantragten Planabweichungen gegenüber dem mit Bescheid vom 5. Mai 1997 genehmigten Projekt nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes und der einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildenden Plan- und Beschreibungsunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt (Spruchpunkt II). Nach der Begründung dieses Bescheides seien entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer vom Bauwerber neue Pläne vorgelegt worden, die auch der veränderten Nutzung des Obergeschosses Rechnung trügen, die von den Beschwerdeführern bezweifelte Richtigkeit der in den Plänen angegebenen Kubaturen hätten sich anlässlich des Ortsaugenscheines als zutreffend erwiesen. Eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung bzw. Gefährdung der Nachbarn durch den nunmehrigen Verwendungszweck des Baus sei nicht anzunehmen. Nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde liege das Gebäude des Mitbeteiligten im "Bau-Wohn-Ferienhausgebiet". Dass ein Objekt mit Übernachtungsmöglichkeiten für 26 Personen (diese Zahl ergebe sich aus einer Einschränkung im Rahmen des Benützungsbewilligungsverfahrens) sich typischerweise in die erwähnte Widmungskategorie einordnen lasse und daher das Maß der Ortsüblichkeit nicht überschritten werde, bedürfe keiner näheren Erläuterung. Unterstrichen werde diese Ortsüblichkeit auch durch den Bestand der umliegenden Objekte, bei denen es sich ebenfalls um Beherbergungsbetriebe handle. Sollte im Einzelfall das Verhalten von Gästen Lärmstörungen bewirken, so bestünde immer noch die Möglichkeit der Beschreitung des Zivilrechtsweges. Insoweit die Beschwerdeführer die unzureichende Anzahl von Parkplätzen bemängelten, stünden durch Anmietung 10 Stellplätze zur Verfügung, was als ausreichend erachtet werde. Im Übrigen stehe den im Verfahren beigezogenen Nachbarn ein subjektiv öffentliches Recht im Hinblick auf die ausreichende Anzahl von PKW-Abstellplätzen gar nicht zu. Hinsichtlich der Einwendung, es liege eine Benützungsbewilligung für das Objekt des Mitbeteiligten noch gar nicht vor, vertrete die Gemeindevertretung die Ansicht, eine Benützungsbewilligung liege gegenüber dem Bauwerber rechtskräftig bereits vor, weil das Verfahren über die von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung sich nicht auf die Benützungsbewilligung habe erstrecken können, hinsichtlich derer Nachbarn keine Parteistellung genössen. Die mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Jänner 2001 erfolgte Aufhebung habe sich daher lediglich nur auf jenen Teil des Bescheides der Gemeinde auswirken können, der sich auf die vom Antragsteller beantragten Planabweichungen bezöge.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 83 Abs. 7 des Gemeindegesetzes sowohl die Vorstellung gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 2001 (Tag der Ausfertigung - Spruchpunkt I) als auch gemäß § 83 Abs. 3 des Gemeindegesetzes deren Antrag, der Vorstellung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unbegründet ab (Spruchpunkt II).
Nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsverfahrens und der Rechtslage führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, Bauangelegenheiten beträfen den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, in diesen Angelegenheiten komme dem Land gegenüber der Gemeinde lediglich ein Aufsichtsrecht zu. Auf Ersuchen der mitbeteiligten Gemeinde sei ein Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (Abteilung II, Wirtschaft und Umweltschutz) dieser rechtlich beigestanden. Insbesondere Kleingemeinden seien häufig mit einem komplexen baurechtlichen Verfahren überlastet. Um jedoch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und Unbefangenheit nicht zu verletzen, werde die eingebrachte Vorstellung vom juristischen Sachbearbeiter der Abteilung I, Gemeindeaufsicht, bearbeitet. Es sei das Recht jeder natürlichen und juristischen Person, sich rechtliche Informationen zu beschaffen. In diesem Sinne sei auch der Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (Abteilung II) in diesem baurechtlichen Verfahren auf Gemeindeebene (lediglich) rechtsberatend tätig geworden. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 1. August 2001 sei der Gemeinde ein Entwurf des Berufungsbescheides mit dem Vermerk zur Verfügung gestellt worden, dass dieser nach Gutdünken verwendet werden könne. Die Gemeindevertretung habe in der Sitzung vom 6. September 2001 einstimmig jenen Beschluss gefasst, der mit Bescheid der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 2001 ausgefertigt worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz habe keinerlei Einfluss auf die Beschlussfassung der Gemeindevertretung ausgeübt.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, gegenüber dem Bauwerber liege keine rechtskräftige Benützungsbewilligung vor, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 27. Juni 2000 seien die vorgenommenen Planabweichungen nachträglich genehmigt und die Benützungsbewilligung unter Auflagen erteilt worden. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung sei zwar beantragt, die "erteilten Bewilligungen" aufzuheben. In der Begründung selbst hätten sich jedoch keinerlei Ausführungen oder Einwendungen gegen die Erteilung der Benützungsbewilligung befunden. Damit sei aber ein begründeter Berufungsantrag hinsichtlich der Benützungsbewilligung nicht vorgelegen. Bei teilbarem Spruch bedürfe jeder Teil einer eigenen Berufungsbegründung; werde ein Bescheid nur teilweise angefochten, erwachse der nichtangefochtene Teil in Rechtskraft. Da bezüglich der Benützungsbewilligung ein entsprechend qualifizierter Berufungsantrag gefehlt habe, sei diese nach Ablauf der Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen räume das Baugesetz dem Nachbarn im Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung keine Parteistellung ein. Parteien, die nur einzelne subjektive Rechte hätten, könnten nur die Verletzung dieser Rechte mit Berufung geltend machen. Die Aufsichtsbehörde wäre auch gar nicht berechtigt gewesen, im Vorstellungsverfahren die Benützungsbewilligung aufzuheben.
Insoweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör geltend machten, sei zu entgegnen, dass Zweck des Parteiengehörs sei, den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben, ohne dass diese jedoch an Formvorschriften gebunden sei. Anlässlich des ergänzenden Ortsaugenscheines am 16. Mai 2001 sei lediglich die Behauptung der Beschwerdeführer, die Kubaturen seien in den Plänen unrichtig angegeben worden, überprüft worden. Mit Schreiben vom 18. Juni 2001 sei ihnen mitgeteilt worden, dass der Augenschein zwischenzeitlich durchgeführt worden sei, eine weitergehende Pflicht die Beschwerdeführer vom Ergebnis des Ortsaugenscheins zu informieren habe nicht bestanden, weil eben keine neuen Beweisergebnisse hervorgekommen seien.
Insoweit die Beschwerdeführer Einwendungen wiederholten, die bereits in der Vorstellungsentscheidung vom 26. Jänner 2001 behandelt worden seien, werde der Vollständigkeit halber darauf verwiesen, dass die Nachbarn nur die Verletzung der in § 30 BauG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte rechtswirksam geltend machen könnten.
Bezüglich des Einwandes, dass eine rechtlich gesicherte Zufahrt nicht bestehe, werde darauf verwiesen, dass dieser auf Grund des Vorliegens der rechtskräftigen Baubewilligung vom 5. Mai 1997 über den ursprünglichen Bauantrag nicht mehr relevant sei.
Zur Behauptung der Beschwerdeführer, die Bezirkshauptmannschaft Bludenz sei für das Bauverfahren zuständig gewesen, werde ebenfalls auf den Vorstellungsbescheid vom 26. Jänner 2001 verwiesen, in dem die Zuständigkeit des Bürgermeisters als Baubehörde festgestellt worden sei, weil es sich bei der Vermietungstätigkeit um keine gewerbliche Tätigkeit handle und die Anlage auch keine gewerberechtlich genehmigungspflichtige Betriebsanlage sei.
Auch das Vorbringen, dass durch die Errichtung des "Massenlagers" Lärm erzeugt würde, der das ortsübliche Maß überschreite, sei unter Hinweis auf die Ausführungen im Vorstellungsbescheid vom 26. Jänner 2001 zu erledigen. Es werde darauf verwiesen, dass Immissionen hinzunehmen seien, wenn sie sich im Rahmen des nach der Widmungskategorie (hier: "Bau-Wohn-Ferienhausgebiet") üblichen Ausmaßes hielten, und zwar auch dann, wenn sie das Ausmaß der in der unmittelbaren Umgebung eines Wohnhauses feststellbaren Immissionen überstiegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Wahrung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne des § 30 Abs. 1 (alt) des Vorarlberger Baugesetzes verletzt sowie in ihrem Recht auf mängelfreies Verfahren, auf Unbefangenheit der entscheidenden Organe, der Wahrung des rechtlichen Gehöres sowie erschöpfender Prüfung, Feststellung und Beurteilung des Sachverhaltes.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet und Auferlegung von Kostenersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerde kommt insofern Berechtigung zu, als die Beschwerdeführer auch die Zuständigkeit des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz mit dem Argument in Frage stellen, das geplante Matratzenlager unterliege den Bestimmungen der Gewerbeordnung, zuständig zur Entscheidung über das vorliegende Bauansuchen seien daher nicht die Gemeindeinstanzen gewesen, sondern die Bezirkshauptmannschaft Bludenz als erste Instanz.
Gemäß § 1 lit. c der Verordnung über die Übertragung von Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaften Bludenz, Bregenz und Feldkirch, LGBl. Nr. 21/1969, wurden die Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei hinsichtlich der Bauwerke für genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlagen, soweit in erster Instanz der Bürgermeister Baubehörde ist, u.a. in der mitbeteiligten Gemeinde der Bezirkshauptmannschaft Bludenz zur Besorgung übertragen.
Festgestellt wird weiters, dass die die Aufhebung tragenden Gründe des aufhebenden Vorstellungsbescheides vom 26. Januar 2001 die im Zusammenhang mit der projektierten Verwendungsänderung stehende Frage der die Zuständigkeit des Bürgermeisters zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 27. Juni 2000 nicht mitumfasst waren und somit in dieser Hinsicht keine Bindung eingetreten ist.
Es war daher im vorliegenden Fall in Bezug auf die in der Beschwerde wiederholte Zuständigkeitsrüge zu prüfen, ob die Voraussetzung des § 1 lit. c der oben angeführten Verordnung vorliegt und sich daraus die Unzuständigkeit der eingeschrittenen erstinstanzlichen Behörde ergäbe, die weder von der Berufungsbehörde noch von der belangten Behörde aufgegriffen wurde.
Nach § 2 Abs. 1 Z. 9 der Gewerbeordnung 1994 - GewO, BGBl. Nr. 194/1994, in der Fassung BGBl. I Nr. 121/2000, ist dieses Bundesgesetz - unbeschadet weiterer ausdrücklich angeordneter Ausnahmen durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften - auf Tätigkeiten, die nach ihrer Eigenart und ihrer Betriebsweise in die Gruppe der häuslichen Nebenbeschäftigungen fallen und durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betriebenen Erwerbszweige betreffen nicht anzuwenden.
Nach § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 kommt es hinsichtlich der häuslichen Nebenbeschäftigung im wesentlichen auf die Eigenart und Betriebsweise an. Das Merkmal des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes des § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994, dass die Beschäftigung eine "häusliche" zu sein hat, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu eng auszulegen, es muss sich nur um eine "häusliche" Beschäftigung handeln, die im Rahmen des eigenen Hausstandes ausgeübt werden kann. Eine Tätigkeit ist somit nicht als häusliche Nebenbeschäftigung anzusehen, wenn die geübte Betriebsweise für eine häusliche Nebenbeschäftigung nicht typisch ist (vgl. das zu der diesbezüglich gleichlautenden Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 93/04/0125). Vergleichsmaßstab für die Unterordnung der Nebenbeschäftigung sind daher nicht eine weitere Erwerbstätigkeit, sondern die anderen häuslichen Tätigkeiten. Im Vergleich zu den anderen häuslichen Tätigkeiten, das sind die in einem Haushalt bei Durchschnittsbetrachtung anfallenden Tätigkeiten, darf die häusliche Nebenbeschäftigung eine umfänglich nur untergeordnete Rolle einnehmen; auf die im konkreten Fall tatsächlich zu besorgenden häuslichen Tätigkeiten kommt es dabei nicht an, weil diese für den hier relevanten typischen Umfang der häuslichen Nebenbeschäftigung nichts besagen können. Es ist daher für die Qualifikation einer Erwerbstätigkeit als häusliche Nebenbeschäftigung auch nicht relevant, ob die aus dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte die einzigen Einkünfte des diese Beschäftigung Ausübenden darstellen oder ob er sonstige, diese Einkünfte überwiegende Einkünfte hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1999, Zl. 96/04/0224).
Im Hinblick auf das in § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 aufgestellte Kriterium der "häuslichen Nebenbeschäftigung" kann im Beschwerdefall - im Gegensatz zu den Behauptungen des Mitbeteiligten - nicht davon ausgegangen werden, dass ein "Matratzenlager" mit 26 Betten und den entsprechenden sanitären Einrichtungen sowie den in diesem Zusammenhang notwendigerweise zu verrichtenden Dienstleistungen für eine häusliche Nebenbeschäftigung typisch ist. Aus dem für die vorliegenden Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 bedeutsamen Art. III der B-VG Novelle BGBl. Nr. 444/1974 ist als Grenze für die im Rahmen der häuslichen Nebenbeschäftigung zulässige Vermietung von Gästebetten mit 10 anzunehmen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 96/04/0224).
Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 bedarf es für die Ausübung des Gastgewerbes (§ 94 Z. 26) für die Beherbergung von Gästen (grundsätzlich) einer Gewerbeberechtigung.
Nach § 111 Abs. 2 Z. 2 dieser Bestimmung bedarf es keiner Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe für die Beherbergung von Gästen, die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen, den Ausschank von Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen im Rahmen eines einfach ausgestatteten Betriebes, der in einer für den öffentlichen Verkehr nicht oder nur schlecht erschlossenen Gegend gelegen und auf die Bedürfnisse der Bergsteiger und Bergwanderer abgestellt ist (Schutzhütte).
Nach § 111 Abs. 2 Z. 4 dieser Bestimmung bedarf es keiner Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe für die Beherbergung von Gästen, wenn nicht mehr als zehn Fremdenbetten bereitgestellt werden, und die Verabreichung des Frühstücks und von kleinen Imbissen und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen sowie von gebrannten geistigen Getränken als Beigabe zu diesen Getränken an die Gäste.
Gemäß § 333 Abs. 1 dieser leg. cit. ist, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes, und zwar Behörde erster Instanz, die Bezirksverwaltungsbehörde.
Eine denkbare Ausnahme in diesem Zusammenhang hätte sich aus der Bestimmung des § 111 Abs. 2 Z. 2 GewO ergeben können (der Mitbeteiligte spricht selbst immer wieder von "Selbstversorgerhütte"). Sollte dies in dem Sinne zu verstehen sein, dass sich der Mitbeteiligte darauf berufen wollte, es handle sich bei dem von ihm beabsichtigten "Matratzenlager" um eine Einrichtung, die einer Schutzhütte vergleichbar sei und daher im Sinne des § 111 Abs. 2 Z. 2 GewO keiner Gewerbeberechtigung bedürfe, so könnte der Verwaltungsgerichtshof diese Ansicht nicht teilen, da es einer "Schutzhütte" immanent ist, dass sie im schlecht erschlossenen Gebiet gelegen ist. Das gegenständliche Objekt liegt aber nach dem den genehmigten Plänen beigeschlossenen Lageplan im verkehrsmäßig erschlossenen Ortsgebiet, so dass auch diese Ausnahmebestimmung nicht anzuwenden ist.
Gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit der Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie etwa wegen ihrer Betriebsweise geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen. Dass die in Abs. 2 leg. cit. beispielhaft angeführten Emissionen bei Vollbelag eines Matratzenlagers mit 30 Betten auszuschließen seien, kann nicht von vornherein gesagt werden.
Damit liegt im Beschwerdefall ein nach gewerberechtlichen Vorschriften zu genehmigendes Betriebsobjekt vor.
Die Zuständigkeit des Bürgermeisters der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz war für das gegenständliche Objekt daher nicht gegeben; sein Bewilligungsbescheid leidet somit an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Dies hätte aber auch die belangte Behörde aufzugreifen gehabt. Da sie in Verkennung der Rechtslage diese Rechtswidrigkeit nicht zum Anlass für eine Aufhebung des bestätigenden Bescheides der Gemeindevertretung genommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Auf das übrige Vorbringen in der Beschwerde war daher nicht mehr einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandsersatz gründet sich auf die Bestimmung der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. November 2003
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002060041.X00Im RIS seit
30.12.2003