TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/27 2002/06/0084

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Veröffentlicht am 27.11.2003
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
BauO Tir 2001 §25 Abs2;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;
ROG Tir 2001 §55 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des W T und 2. der D T, beide in I, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stainerstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. April 2002, Zl. Ve1-550-3055/1-1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. M S, 6152 T, und 2. Gemeinde T), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Juli 2001 (bei der Baubehörde erster Instanz eingelangt am 5. Juli 2001) beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines dreigeschossigen Einfamilienwohnhauses auf der Liegenschaft Grst.Nr. 278 KG T, welche im Flächenwidmungsplan der Gemeinde T als "Bauland" ausgewiesen ist. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der nordöstlich daran angrenzenden Liegenschaft Grst. Nr. 279.

In der über das Bauansuchen durchgeführten Bauverhandlung vom 21. September 2001 erklärten sich die erschienen Anrainer, u. a. auch die Beschwerdeführer, mit der Bauführung erst dann einverstanden, "wenn aus den Plänen eindeutig hervorgeht, dass die Abstandsflächen eingehalten sind und Einigung über die Gestaltung der Stützmauern an der gemeinsamen Grundgrenze erzielt wurde".

Mit Bescheid vom 13. November 2001 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz dem Erstmitbeteiligten (in der Folge kurz: Bauwerber) auf Grundlage eines modifizierten Baugesuches vom September 2001 die beantragte baubehördliche Bewilligung.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in welcher sie lediglich die Nichtigkeit des Baubewilligungsbescheides mangels eines den Erfordernissen des § 55 Abs. 2 TROG entsprechenden Gutachtens sowie einen Widerspruch des geplanten Bauwerks zu den Erfordernissen einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung und zu dem Grundsatz einer zweckmäßigen und bodensparenden Bebauung geltend machten. Diese Einwendungen hielten sie auch in ihrer im Rahmen des Parteiengehörs zu den Tekturplänen vom September 2001 abgegebenen Stellungnahme vom 11. Februar 2002 aufrecht.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Februar 2002 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit Hinweis auf die Präklusionswirkung des § 42 AVG und dem mangelnden Mitspracherecht des Nachbarn in raumordnungsrechtlichen Belangen als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Darin wiederholten sie ihre Ansicht, es liege kein den Erfordernissen des § 55 Abs. 2 TROG entsprechendes Gutachten vor, aus welchem sich schlüssig ergebe, dass das Bauprojekt den raumordnungsrechtlichen Erfordernissen einer zweckmäßigen und bodensparenden Bebauung sowie einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde Rechnung trage.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Vorstellung als unbegründet ab. Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte sie begründend aus, in der mündlichen Verhandlung sei ursprünglich die Nichteinhaltung von Grenzabstandsbestimmungen eingewendet, infolge der Umplanung des Projekts aber offenbar nicht aufrecht erhalten worden. Weitere Einwendungen, welche Nachbarrechte beträfen, seien nicht erhoben worden. Erstmalig in der Berufung werde geltend gemacht, die Behörde habe es unterlassen, ein Gutachten im Sinne des § 55 Abs. 2 TROG vor Erteilung der Baugenehmigung einzuholen. Aufgrund der eindeutigen Regelungen sowohl des TROG 2001 als auch der TBO 2001 handle es sich bei dieser Frage um keine, bei welcher dem Nachbarn ein Mitspracherecht zukäme. Nachbarn könnten durch einen baurechtlichen Bescheid nur insoweit in ihren Rechten verletzt werden, als es sich dabei um durch die TBO 2001 geschützten Rechte handle. Dies sei bei der aufgeworfenen Frage der Gutachtenserstattung nach § 55 Abs. 2 TROG 2001 nicht der Fall, so dass Rechte der Beschwerdeführer auch nicht hätten verletzt werden können. Lediglich zur Information fügte die belangte Behörde weitere Rechtsausführungen über die Wirkung einer allfälligen Verletzung des § 55 Abs. 2 TROG 2001, insbesondere die Nichtigerklärung des unter Verletzung dieser Bestimmung ergangenen Bescheides, und über die Wahrnehmung ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 116 Abs. 1 TGO an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vor, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.). Dies gilt auch für Parteien, die gemäß § 42 AVG ihre Parteistellung beibehalten haben.

§ 42 Abs. 1 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 bestimmt, dass dann, wenn eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz abgehalten und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

Die Beschwerdeführer haben in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2001 in Bezug auf die behauptete Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte kein ausreichendes Vorbringen erstattet. Einwendungen müssen spezialisiert sein und die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend machen; ein allgemein erhobener Protest reicht ebenso wenig aus wie das Vorbringen, mit einem Vorhaben nicht oder nur unter einer Bedingung einverstanden zu sein. Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, sodass dem Vorbringen entnommen werden können muss, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechts behauptet wird (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 98/07/0042, vom 10. Juni 1999, Zl. 99/07/0073).

Aus ihrem § 55 Abs. 2 TROG 2001 betreffenden Vorbringen kann ein Nachbarrecht der Beschwerdeführer nach der Tiroler Bauordnung LGBl. Nr. 94/ 2001 (TBO 2001) nicht abgeleitet werden, weil dem Nachbarn gemäß § 25 Abs. 2 TBO 2001 nur die im § 25 Abs. 3 leg. cit. normierten beschränkten Mitspracherechte zukommen, in Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Einwendungen erhoben werden können, und er seine Parteistellung gemäß § 42 AVG verliert, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung solche Einwendungen erhebt (das Vorliegen der übrigen im § 42 Abs. 1 AVG genannten Voraussetzungen wird unterstellt). Dabei kommt es auch dann zum Verlust der Parteistellung, wenn nur unzulässige Einwendungen erhoben werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0063, und das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/06/0068), worunter solche Einwendungen zu verstehen sind, mit welchen Umstände geltend gemacht werden, die nach der abschließenden Aufzählung des § 25 Abs. 3 TBO 2001 kein Nachbarrecht begründen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass § 55 Abs. 4 TROG 2001 dem Nachbarn -

entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - keine subjektivöffentlichen Nachbarrechte vermittelt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2001, Zl. 98/06/0150). Die Beschwerdeführer haben somit gemäß § 42 Abs. 1 erster Satz AVG ihre Stellung als Partei im baurechtlichen Verfahren verloren. Demzufolge hätte bereits die oberste Gemeindeinstanz mit ihrem Bescheid die Berufung der Beschwerdeführer zurückweisen müssen. Indem der Gemeindevorstand die Berufung der Beschwerdeführer nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat, wurden die Beschwerdeführer jedoch nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt, zumal sich aus der Bescheidbegründung unmissverständlich ergibt, dass die Behörde dabei vom Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer gemäß § 42 Abs. 1 AVG ausgegangen ist.

Die Beschwerdeführer haben in ihrer Berufung lediglich einen Verstoß gegen die raumordnungsrechtliche Bestimmung des § 55 TROG 2001 geltend gemacht und sinngemäß den Standpunkt vertreten, diese Bestimmung vermittle ihnen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht, weil es nicht zu ihrem Nachteil gereichen dürfe, dass noch kein Bebauungsplan bestehe, gegen welchen sie gemäß § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001 Einwendungen hätten erheben können. Die belangte Behörde hätte vielmehr im Rahmen ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 68 Abs. 4 AVG den bekämpften Bewilligungsbescheid für nichtig zu erklären gehabt.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass auf die Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes auf Grund der klaren Anordnung des § 68 Abs. 7 AVG niemandem ein Anspruch zusteht. Die Beschwerdeführer können daher durch die Unterlassung einer solchen Aufhebung von vornherein in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein.

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde in diesem Zusammenhang, das gegenständliche Bauprojekt stehe in Widerspruch zu den Erfordernissen einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde sowie zu den Grundsätzen einer zweckmäßigen und bodensparenden Bebauung des Baugrundstücks, ist daher für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. November 2003

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002060084.X00

Im RIS seit

19.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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