TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/3 2002/01/0136

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Veröffentlicht am 03.12.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15 Abs3;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des K in V, geboren 1974, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Widmanngasse 43, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Jänner 2002, Zl. 203.656/1-X/30/00, betreffend § 15 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro (ehemals Bundesrepublik Jugoslawien), stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Am 5. Juni 1998 stellte er einen Asylantrag, den das Bundesasylamt zunächst mit Bescheid vom 10. Juni 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückwies. Nach Behebung dieses Bescheides durch den unabhängigen Bundesasylsenat aufgrund einer vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 8. Juli 1998 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I) und sprach zugleich aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II). Dieser Bescheid erwuchs in beiden Spruchpunkten in Rechtskraft.

Mit einem weiteren Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juli 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 4. Juni 1999 erteilt, die in der Folge bis 31. Dezember 1999 verlängert wurde.

Einen weiteren Verlängerungsantrag vom 23. Dezember 1999 wies das Bundesasylamt - nach Gewährung von Parteiengehör zur geänderten Lage im Kosovo - mit Bescheid vom 18. Jänner 2000 gemäß § 15 Abs. 3 AsylG ab, da dem Beschwerdeführer "eine Ausreise in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, zugemutet werden" könne, und stellte "e contrario zu § 8 AsylG" fest, "dass eine Abschiebung nach der Bundesrepublik Jugoslawien zulässig" sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass die Folgen der serbischen Vertreibungspolitik durch die neu eingetretenen Entwicklungen - das Waffenstillstandsabkommen und das Vorrücken der KFOR-Truppen -

nicht automatisch beseitigt wären, sondern fortwirken würden; es sei nicht absehbar, ob die KFOR-Truppen die Lage im Kosovo tatsächlich unter Kontrolle hätten.

Am 22. August 2001 fand vor der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung statt, in der der Beschwerdeführer erstmals vorbrachte, er habe gemeinsam mit anderen Kosovo-Albanern während des Krieges, vor Einmarsch der NATO-Truppen, in Österreich freiwillig eine Erklärung unterzeichnet, sich der UCK anzuschließen und im Kosovo zu kämpfen. Die Erklärung sei von dem hochrangigen UCK-Mitglied Haxhi Rustemi verfasst worden. Der Beschwerdeführer sei aber nicht in den Kosovo zurückgekehrt. Weil er unterzeichnet habe, habe er nunmehr Angst zurückzukehren. Seine Familie im Kosovo sei zwar nicht bedroht worden, hätte ihm aber mitgeteilt, dass nunmehr unbekannte Personen nach ihm suchen würden und er nicht in den Kosovo zurückkehren solle.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Jänner 2002 wies die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe ab, dass der Spruch des Bescheides vom 18. Jänner 2000 zu lauten habe: "Der Antrag von K.N. vom 23.12.1999 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wird gemäß § 15 Abs. 3 AsylG abgewiesen."

Zur Person des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, er habe im Mai 1998 den Kosovo wegen des Krieges verlassen. Dem erstmals in der Berufungsverhandlung erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Bedrohung durch andere Kosovo-Albaner bzw. ehemalige UCK-Mitglieder schenkte die belangte Behörde keinen Glauben und begründete dies vor allem damit, dass er zuvor bereits zweimal - in einer an das Bundesasylamt gerichteten Stellungnahme vom 14. Jänner 2000 und in seiner Berufung vom 7. Februar 2000 - die Gelegenheit gehabt hätte, ein diesbezügliches Vorbringen zu erstatten, dies aber unterlassen habe. Sodann traf die belangte Behörde Feststellungen über die (Änderung der) allgemeinen Verhältnisse im Kosovo seit 20. Juni 1999 zufolge der Präsenz von KFOR und UNMIK, des vollständigen Abzuges der serbischen Verbände und des Fehlens der Souveränität der Bundesrepublik Jugoslawien für den Kosovo.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde nach Ausführungen zum Thema "Nichtverlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung" zu dem Ergebnis, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides enthalte unzulässigerweise einen Abspruch nach § 8 AsylG, weshalb er abzuändern gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, grundlegend ausführte, sind die Asylbehörden bei einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung (gegebenenfalls) zum Widerruf "positiver" § 8 AsylG-Aussprüche berufen. Damit muss ihnen auch die im Rahmen des § 15 Abs. 3 AsylG vorausgesetzte Non-refoulement-Prüfung obliegen. Die Entscheidung über den Widerruf oder die Nichtverlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung muss an einen entsprechenden contrarius actus zum ursprünglich "positiven" Ausspruch nach § 8 AsylG anknüpfen. Eine Entscheidung nach § 15 Abs. 3 AsylG ist in der Regel als Annex zu einem § 8 AsylG-Ausspruch zu begreifen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0555, und vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0017, und vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0379).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass (auch) die belangte Behörde für eine Feststellung nach § 8 AsylG - neben der Entscheidung nach § 15 Abs. 3 AsylG - zuständig war.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, weiter ausführte, ist zunächst die Frage der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat neu zu beantworten und dann in einem zweiten Schritt unter Einbeziehung der durch das Zumutbarkeitskalkül gebotenen Prüfung weiterer Umstände gegebenenfalls der Widerruf oder die Nichtverlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung auszusprechen (vgl. dazu näher auch das bereits angeführte Erkenntnis vom 14. Jänner 2003; auf die Begründung der beiden zuletzt genannten Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen).

Für den vorliegenden Fall folgt aus dem Gesagten, dass die belangte Behörde zunächst insoweit rechtswidrig vorgegangen ist, als sie den "e contrario"-Ausspruch im erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Jänner 2000 im Ergebnis ersatzlos behoben hat. Es ergibt sich weiter, dass sie ohne bescheidmäßigen Widerruf des seinerzeitigen mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juli 1998 gefällten "positiven" § 8-Ausspruches nicht zu dem Ergebnis gelangen durfte, der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der ihm bis 31. Dezember 1999 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung sei abzuweisen. Schließlich ließ die belangte Behörde bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Ausreise allfällige mittlerweile gewonnene persönliche und soziale Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Verhältnis zu seiner Beziehung zum Herkunftsstaat außer Betracht (vgl. dazu die zitierten Erkenntnisse vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, vom 14. Jänner 2003 und vom 7. Oktober 2003).

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon aus diesen Gründen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Auf die in der Beschwerde bekämpften Feststellungen der belangten Behörde betreffend das Fehlen einer Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer durch Angehörige der UCK oder andere Kosovo-Albaner braucht bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 3. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010136.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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