TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/3 2003/01/0509

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Veröffentlicht am 03.12.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der S alias S in L, geboren 1956, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Mai 2003, Zl. 232.278/0-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, reiste am 28. Juni 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 11. Oktober 2002 begründete sie ihren Asylantrag im Wesentlichen wie folgt:

"Frage: Gehören Sie einer der im Kosovo vertretenen Minderheiten an?

Antwort: Nein, ich bin Kosovo-Albaner. Ich gehöre zu keiner Minderheit.

Frage: Aus welchen Gründen haben Sie Ihre Heimat den Kosovo verlassen?

Antwort: Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich dort allein bin, mein Mann ist vor 5 Jahren verstorben, ich bin ganz allein. Ich habe manchmal Angst, manchmal werden meine Söhne gesucht. ... Das ist alles.

Frage: Was meinen Sie mit 'manchmal werden meine Söhne gesucht.'?

Antwort: Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass die männlichen Mitglieder meiner Familie mit Serbien zusammengearbeitet haben, mein Mann und meine zwei Schwäger. Und sie kommen jetzt und fragen immer nach den Söhnen. Ich soll diese herbringen, wenn die Söhne nicht kommen holen wir dich. Die Söhne wollen aber nicht zurückkommen. Ich habe keine Sicherheit, dort, ich kann dort nicht bleiben, ich bin allein zuhause und habe das Haus zugesperrt, deshalb sah ich mich gezwungen hierher zu kommen und meine Tochter und mein Schwiegersohn bieten gute Lebensbedingungen. Eigenes Haus, eigene Firma, sie sorgen für mich.

Frage: Wer sucht nach ihren Söhnen, und aus welchem Grund sucht man nach diesen?

Antwort: Ich weiß nicht wer diese Männer sind, sie sprechen albanisch. Ich weiß auch nicht, weshalb man nach meinen Söhnen fragt. Ich bin Christin, römisch katholisch, ich kann auch nicht sagen, ob das mit meinem Glauben zu tun hat, ich glaube nicht.

Frage: Liegen neben diesen noch andere Gründe für Ihren Asylantrag vor?

Antwort: Nein.

Frage: Hatten Sie im Kosovo in irgendeiner anderen Form Probleme, durch eine Organisation, oder auch durch Einzelpersonen, bzw. waren Sie irgendwelchen Übergriffen ausgesetzt?

Antwort: Nein. Ich persönlich nicht aber diese Männer kommen zu jeder Zeit, alle zwei Wochen, manchmal auch jede Woche, das letzte Mal waren sie ca. eine Woche vor meiner Abreise da. Manchmal einer, und gelegentlich zwei Männer, mehr waren sie nie.

Frage: Weshalb haben Sie nicht gefragt, was diese Männer wollen?

Antwort: Sie sagen nicht warum, sie fragen nur, wo sind die Söhne, warum kamen die Söhne nicht zurück. Meine beiden Söhne A und DS sind in Deutschland als Asylwerber. Ich glaube das hängt damit zusammen, dass mein Mann mit den Serben zusammen gearbeitet hat.

Frage: Gibt es auch noch andere Gründe?

Antwort: Nein, ich habe alles gesagt.

Frage: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in den Kosovo mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen?

Antwort: Nein. Aber mir wurde von diesen Männern gesagt, wenn deine Söhne nicht kommen, holen wir dich.

Frage: Weshalb wenden Sie sich nicht an die Polizei?

Antwort: Das habe ich nicht gemacht, weil ich Angst gehabt habe.

Frage: Haben Sie sonst noch etwas Relevantes zu Ihrem Vorbringen zu ergänzen?

Antwort: Nein. Es waren keine wirtschaftlichen Probleme, die mich zum Verlassen der Heimat veranlasst haben.

Frage: Und wenn Sie in andere Bereiche Jugoslawiens gezogen wären?

Antwort: Ich habe keine Möglichkeit woanders in Jugoslawien zu leben. Ich bin ganz allein, wo soll ich allein leben?"

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Jugoslawien (Gebiet Kosovo)" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Bezüglich des eben wiedergegebenen Vorbringens der Beschwerdeführerin führte es - nach abstrakten Überlegungen zu "Grundanforderungen" an die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens - lediglich aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zum Fluchtgrund vage und nicht plausibel nachvollziehbar seien und dass diese Angaben "nur als beschränkt glaubhaft" zu bezeichnen seien. Demgegenüber hielt es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung in offenkundigem Bezug auf das bei der Ersteinvernahme erstattete Vorbringen der Beschwerdeführerin fest, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass UNMIK und KFOR - Einheiten im Kosovo nicht gewillt oder generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage wären, behauptete Verfolgungshandlungen von Privatpersonen zu verhindern; die Behörden und deren Organe seien offensichtlich bestrebt, Gesetzesübertretungen zu verfolgen und den Bürgern Schutz vor kriminellen Elementen zu bieten. Resümierend führte das Bundesasylamt aus, es sei "nach eingehender rechtlicher Würdigung" nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführerin in ihrer Heimat Verfolgung im Sinn der GFK drohe.

Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im bekämpften Bescheid wird das oben dargestellte Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt nicht im Einzelnen wiedergegeben. Anstelle dessen wird auf die aus Anlass der erstinstanzlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin angefertigte Niederschrift verwiesen und zusammenfassend ausgeführt, dass sie für das Verlassen des Herkunftslandes "im Wesentlichen wirtschaftliche Motive" angeführt habe.

Die Beurteilung, die Beschwerdeführerin habe im Wesentlichen wirtschaftliche Motive angegeben, stellt eine krasse Missdeutung des Vorbringens der Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt dar, das sie auch in ihrer Berufung (unbeschadet der dort enthaltenen Ausführungen zu ihrer wirtschaftlichen Situation) ausdrücklich aufrecht erhalten hat. Wie die belangte Behörde zu dieser Beurteilung gelangen konnte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

In ihren weiteren Ausführungen verweist die belangte Behörde auf den erstinstanzlichen Bescheid, dem sie sich hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen, der Beweiswürdigung und der Beurteilung der Rechtsfrage vollinhaltlich anschließe. Damit ist ihr freilich ein weiterer Begründungsmangel anzulasten, weil der erstinstanzliche Bescheid (siehe oben) nicht klar erkennen lässt, inwieweit er die Angaben der Beschwerdeführerin für (un)wahr erachte. Sollten allerdings die erstinstanzlichen Ausführungen, diese Angaben seien vage, nicht plausibel nachvollziehbar und nur beschränkt glaubhaft, so zu verstehen sein, dass sie dem erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze nicht zugrunde gelegt werden könnten (wogegen jedoch die erkennbare Bezugnahme auf diese Angaben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung spricht), so wäre eine derartige Beweiswürdigung unschlüssig, weil eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin unterlassen wurde. Diese Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Bescheides schlägt infolge der gewählten "Verweistechnik" auf den bekämpften Bescheid durch. Sie führt aber auch dazu, dass die belangte Behörde nicht von der Durchführung einer Berufungsverhandlung hätte absehen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336, iVm dem hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0111), weshalb der bekämpfte Bescheid auch insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, zumal angesichts des eingangs dargestellten Vorbringens der Beschwerdeführerin kein Zweifel daran bestehen kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 7. Oktober 2003 lediglich einen Betrag von 908 EUR an Kostenersatz angesprochen hat, war ihr auch nur dieser Betrag zuzuerkennen.

Wien, am 3. Dezember 2003

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003010509.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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