TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/3 2002/01/0154

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Veröffentlicht am 03.12.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der B in W, geboren 1982, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Februar 2002, Zl. 221.552/1-V/13/01, betreffend §§ 7 und 8  Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Sie ist mit ihrer Mutter und ihrer minderjährigen Schwester, den Beschwerdeführerinnen zu den verwaltungsgerichtlichen Akten Zlen. 2001/01/0402 und 0403, im Sommer 2000 nach Österreich eingereist und beantragte - nach rechtskräftiger Abweisung eines auf die Mutter bezogenen Asylerstreckungsantrages - mit Schriftsatz vom 17. Juli 2001 die Gewährung von Asyl.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Überdies stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Bosnien-Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt II.). Dieser Entscheidung liegt im Wesentlichen zugrunde, dass die Angaben der Beschwerdeführerin über einen ethnisch motivierten Vergewaltigungsversuch in ihrem Heimatort Bijeljina unglaubwürdig seien und dass es ihr nicht gelungen sei, konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgungsmaßnahmen von erheblicher Eingriffsintensität "aus einem vom Schutzzweck der Genfer Flüchtlingskonvention umfassten Grunde" aufzuzeigen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der vorliegende Fall gleicht weitgehend jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/01/0402, zugrunde liegt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin bezüglich der Vorfälle in Bijeljina eine gegenüber der Darstellung ihrer Mutter detailliertere Schilderung abgegeben hat. So gab sie diesbezüglich in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 30. Jänner 2002 Folgendes an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Berufungswerberin):

"VL: Erzählen Sie mir möglichst detailliert die Ereignisse.

BW: Ich möchte mich daran nicht erinnern, ich weiß nicht, wie ich das erklären soll.

VL: Es tut mir leid, dass ich Sie danach fragen soll, aber ich muss mir ein Bild von Ihrer Situation machen können.

BW: Wir haben Zelte aufgestellt, in Bijeljina auch. Egal wo wir fahren, wir wurden belästigt. Wir haben nichts zum Essen gehabt, wir mussten im Zelt schlafen. Egal wo wir hingegangen sind, um Wasser zu holen, haben wir nichts bekommen. Einige Stunden danach kamen 3-4 Männer zu uns. Sie kamen in unser Zelt und begannen uns mit den Händen anzugreifen und unsere Sachen auszuziehen. Wir haben geweint. Wir haben sie gebeten uns in Ruhe zu lassen. Wir haben die ganze Zeit geweint und geschrien. Einer sagte wir haben keine Zeit, wir müssen gehen. Sie sagten wir werden wiederkommen. Als sie gingen mussten wir die Ortschaft verlassen."

Wenn die belangte Behörde diese Angaben als nicht glaubhaft erachtete, so ist ihr über das im erwähnten hg. Erkenntnis 2001/01/0402 Ausgeführte hinaus zunächst einmal zu entgegnen, dass sie auch auf die - im genannten Erkenntnis als glaubwürdig bezeichneten - Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin hätte Bedacht nehmen müssen, die gleichfalls eine nicht unwesentliche sexuelle Insultierung indizieren. Des Weiteren aber ist festzuhalten, dass eine Beweiswürdigung, die bei einem Vorbringen wie im gegenständlichen Fall wesentlich damit operiert, die Ausführungen der Beschwerdeführerin seien "blass" und wenig detailliert gewesen, die Beschwerdeführerin habe durch ihre knappe Schilderung nicht den Eindruck vermitteln können, sie habe diese Umstände tatsächlich selbst durchlebt, weil sie "keine Interaktionen, bzw. auch keine Emotionen oder Ängste ihrerseits" schilderte bzw. "sich auch nicht gehalten (sah), der Behörde Einzelheiten aufzuzeigen, um dem entscheidenden Organ einen 'farbigen Eindruck' des Geschehens zu vermitteln", im Hinblick auf die etwa im Papier des UNHCR vom 7. Mai 2002, Richtlinien zum internationalen Schutz: Geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, unter Punkt 36. aufgezeigten Gesichtspunkte (insbesondere Abschnitt xi) der Schlüssigkeit entbehrt.

Nach dem Gesagten ist auch der vorliegende Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 3. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010154.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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