TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/4 2003/16/0133

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Veröffentlicht am 04.12.2003
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Index

32/06 Verkehrsteuern;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 litb;
WFG 1984 §2 Z7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der K in Ried im Innkreis, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Rainerstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 25. Juli 2003, GZ RV/0892-G/02, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem Vorgang vom 26. Mai 1987 erwarb die Beschwerdeführerin eine Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Reihenhaus. Für diesen Erwerbsvorgang wurde zunächst die Grunderwerbsteuerbefreiung iS des § 4 Abs 1 Z 2 lit b GrEStG 1955 in Anspruch genommen.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Erhebung wurde am 6. August 1996 festgestellt, dass Erdgeschoß und Obergeschoß des Reihenhauses zusammen eine Nutzfläche von 121,45 m2 aufwiesen. Im Keller sei "bereits vor einigen Jahren" ein Sanitärraum mit WC, Dusche und Waschküche eingerichtet worden. Die entsprechenden Anschlüsse seien bereits bei der Übernahme des Hauses vorhanden gewesen. Unter Einbeziehung dieser Flächen betrage die gesamte Nutzfläche des Hauses 149,55 m2. Der Niederschrift über die Erhebung waren Kopien von Teilen eines Bauplanes angeschlossen. Nach der Kopie des Deckblattes wurde der vom Verfasser mit "Polierplan" bezeichnete Plan für ein "Reihenhaus D 20-23" am 8. Juli 1985 erstellt und am 23. April 1986 "vervollständigt". Nach einem handschriftlichen Vermerk wurde der Plan am 27. November 1986 als "Auswechslungsplan" baubehördlich genehmigt. In den das Kellergeschoß betreffenden Planteilen wurden offensichtlich vom Prüfungsorgan handschriftliche Vermerke wie "Sanitär" und "WC" vorgenommen.

In den Akten erliegt weiters die Kopie eines Teiles einer von der Baubehörde aufgenommenen Niederschrift vom 27. November 1986 über das Ansuchen auf Erteilung der Benützungsbewilligung für 40 Reihenhäuser. Darin ist bei einem "Reihenhaus D 27 K. (= Beschwerdeführerin)" vermerkt: "Auswechslungsplan"

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz vom 18. Februar 1998 wurde der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer in Höhe von S 133.065,-- vorgeschrieben. In der Begründung wurde unter Hinweis auf die Niederschrift vom 6. August 1996 ausgeführt, dass die Nutzfläche des Reihenhauses das Ausmaß von 130 m2 überschritten habe.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurden insbesondere Einwendungen gegen die Einbeziehung von Kellerräumen, des Windfanges, der Loggia und der Grundfläche eines Kachelofens in die Nutzfläche der Arbeiterwohnstätte erhoben.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der mit dem Erwerb vom 26. Mai 1987 übernommene und maßgebende Bauplan sei der Polierplan vom 8. März 1985 gewesen, der am 13. Oktober 1985 vervollständigt und von der Baubehörde im Zuge der Erteilung der Benützungsbewilligung am 27. November 1986 als Auswechslungsplan nachträglich genehmigt worden sei. Da dieser Plan in der Waschküche die Errichtung einer Dusche vorsehe, sei die Fläche der Waschküche in die Nutzfläche einzubeziehen und zwar unabhängig davon, ob diese Dusche vor Errichtung des Anwartschaftsvertrages oder zwischen dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes am 26. Mai 1987 und dem Ablauf der Acht-Jahres-Frist am 26. Mai 1995 tatsächlich errichtet worden sei.

In dem gegen die Berufungsvorentscheidung erhobenen Vorlageantrag wurden die in der Berufungsschrift erhobenen Einwendungen aufrecht erhalten. Weiters wurde ausgeführt, im gegenständlichen Bauplan betreffend die "Kellerräume/Waschküche" seien lediglich Wasseranschlüsse (beispielweise für eine Waschmaschine) vorgesehen, jedoch keine Dusche.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, es liege ein genehmigter Auswechslungsplan vor, wonach sich im Kellergeschoß ein Sanitärraum befinde. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin seien die Wasseranschlüsse schon bei der Übernahme des Hauses vorhanden gewesen. Bereits mit der Einreichung des Auswechslungsplanes sei der begünstigte Zweck aufgegeben worden. Durch die Einreichung des Auswechslungsplanes sei nach außen manifestiert worden, dass die Beschwerdeführerin ein Wohnhaus von mehr als 130 m2 Nutzfläche errichten lassen wolle. Weiters vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass der Windfang, die Loggia und die Grundfläche des Kachelofens in die Nutzfläche einzubeziehen sei.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerbefreiung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten der Abgabenbehörden, nicht aber die vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich angeforderten Akten der Baubehörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 bs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 2 lit b GrEStG 1955 war von der Besteuerung ausgenommen der erste Erwerb einer geschaffenen oder vom Veräußerer zu schaffenden Arbeiterwohnstätte durch eine Person, die die Wohnstätte als Eigenheim übernimmt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf bei einer Arbeiterwohnstätte die Nutzfläche 130 m2 nicht übersteigen (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 21. November 1985, Zl 83/16/0062, und vom 26. Juni 1986, Zl 86/16/0066). Für die Berechnung der Nutzfläche hat der Verwaltungsgerichtshof eine Orientierung an den Wohnbauförderungsgesetzen als zutreffend erkannt. Nach § 2 Z 7 WFG 1984 ist als Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes abzüglich der Wandstärken und der im Verlaufe der Wände befindlichen Durchbrechungen anzusehen; Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- und Geschäftszwecke geeignet sind, Treppen, offene Balkone, Terrassen sowie für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume innerhalb einer Wohnung sind bei Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen.

Von der Beschwerdeführerin wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eine mangelhafte Bescheidbegründung geltend gemacht. Insbesondere wird vorgebracht, dass der Abgabenbehörde der gesamte Bauakt bereits 1984 bzw 1985 bekannt gewesen sei. Der - von der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte - Polierplan betreffend das Reihenhaus D 27 der Beschwerdeführerin sei mit 22. März 1985 datiert; dieser Bauplan weise in der Waschküche ausdrücklich nur ein "W" (für Waschmaschine) aus.

Mit dem Vorwurf, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft, ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Die belangte Behörde stellt in ihrer Sachverhaltsdarstellung fest, die behördlichen Erhebungen hätten ergeben, dass ein Auswechslungsplan von der Gemeinde genehmigt worden sei, wonach im Kellergeschoß ein Sanitärraum vorgesehen gewesen sei. Diese Feststellung ist unrichtig: Der Prüfer hat vielmehr festgestellt, "vor einigen Jahren" sei im Keller ein Sanitärraum mit WC, Dusche und Waschküche eingerichtet worden. Wann dies tatsächlich geschehen ist - eine Feststellung, der allenfalls für die Frage der Aufgabe des begünstigten Zweckes innerhalb von acht Jahren (vgl dazu § 4 Abs 2 Satz 3 GrEStG 1955) Bedeutung zuzumessen gewesen wäre -, wurde vom Prüfer nicht gesagt. Der Prüfer verwendete für seine handschriftlichen Ergänzungen des Plans nicht den Plan des Eigenheimes der Beschwerdeführerin, sondern den eines anderen Reihenhauses derselben Anlage. In der Berufungsvorentscheidung wiederum bezog sich das Finanzamt offensichtlich auf einen Plan eines anderen Reihenhauses, weil die Daten von Erstellung und Vervollständigung des Bauplanes nicht mit den entsprechenden Daten auf dem vom Prüfer verwendeten Plan - und auch nicht mit dem der Beschwerde angeschlossenen Plan für das Reihenhaus der Beschwerdeführerin selbst - übereinstimmen.

Die im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides getroffene Feststellung, es liege ein genehmigter Auswechslungsplan vor, wonach sich im Kellergeschoß ein Sanitärraum befinde, ist somit in den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht gedeckt. Nicht weiter verständlich ist die aus dieser Feststellung gezogene Folgerung der Behörde, es sei durch die Einreichung des Auswechslungsplanes der begünstigte Zweck aufgegeben worden und die Steuerpflicht nach § 4 Abs 2 GrEStG 1955 entstanden. Hat doch die Beschwerdeführerin nach Ausweis der Akten die Liegenschaft überhaupt erst nach der von der Baubehörde durchgeführten Verhandlung über die Erteilung der Benützungsbewilligung am 27. November 1986 erworben.

Mit dem Vorbringen im Vorlageantrag, es sei die Errichtung einer Dusche nicht vorgesehen gewesen, hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.

Der Sachverhalt wurde also von der belangten Behörde aktenwidrig angenommen und bedarf einer Ergänzung. Durch die mangelhafte Begründung wurden Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, dies insbesondere auch deshalb, weil die belangte Behörde es entgegen dem ausdrücklichen Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen hat, die Akten der Baubehörde beizuschaffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Zur Klarstellung und aus verfahrensökonomischen Gründen wird für das fortzusetzende Verfahren bemerkt:

Da nach dem Inhalt der Akten von der Beschwerdeführerin eine bereits geschaffene Arbeiterwohnstätte erworben wurde, ist entscheidend, welches Ausmaß die Wohnstätte im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges gehabt hat. Allenfalls kann maßgeblich sein, ob der begünstigte Zweck durch Vergrößerung der Nutzfläche innerhalb von acht Jahren aufgegeben worden ist.

Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift ist darauf zu verweisen, dass an diese in den Jahren 1991 und 1994 Anfragen hinsichtlich der weiteren Nutzung der Wohnstätte als Eigenheim ergingen. Diese Anfragen stellten aber ebenso wie die abgabenbehördliche Prüfung Unterbrechungshandlungen iS des § 209 Abs 1 BAO dar, sodass nach Ausweis der Akten eine Verjährung nicht eingetreten ist.

Da nach der oben wiedergegebenen Begriffsbestimmung die gesamte Bodenfläche zur Nutzfläche zu zählen ist, ist die Grundfläche des Kachelofens bei Berechnung der Nutzfläche nicht auszuscheiden. Diese Fläche stellt entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht eine mit Wandstärken vergleichbare Fläche dar.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 4. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003160133.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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