TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/11 2003/07/0118

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Veröffentlicht am 11.12.2003
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Index

L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

AWG Tir 1990 §23 Abs1;
AWG Tir 1990 §23 Abs2;
AWG Tir 1990 §23 Abs4;
AWG Tir 1990 §23 Abs6;
B-VG Art132;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §42 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Säumnisbeschwerde der T GmbH in T, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt in Kufstein, Maderspergerstraße 8/I, gegen die Tiroler Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich des Antrages der beschwerdeführenden Partei auf Tarifgenehmigung nach § 23 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung zu erlassen:

Die belangte Behörde ist verpflichtet, über den Tarifgenehmigungsantrag der beschwerdeführenden Partei vom 29. Jänner 2003 auf der Basis der von der beschwerdeführenden Partei diesem Antrag zugrunde gelegten Tarifkalkulation zu entscheiden. Der Umstand, dass sich die beschwerdeführende Partei weigert, die Tarifkalkulation in der von der belangten Behörde geforderten Weise zu ändern, stellt kein Hindernis für eine Entscheidung über den Antrag dar.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 634,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 27. Jänner 2000 wurde der beschwerdeführenden Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Restmüllsplittinganlage auf Grundstück Nr. 513/2, GB 83008 K erteilt.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, bei dieser Restmüllsplittinganlage handle es sich um eine öffentliche Behandlungsanlage im Sinne des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990 (TAWG) und forderte die beschwerdeführende Partei auf, einen Antrag auf Genehmigung der Tarife für diese Behandlungsanlage im Sinne des § 23 TAWG einzubringen.

Die beschwerdeführende Partei stellte sich auf den Standpunkt, ihre Anlage sei keine öffentliche Behandlungsanlage und weigerte sich daher zunächst, einen Tarifgenehmigungsantrag einzubringen.

Die belangte Behörde wiederholte mehrmals ihre Aufforderung.

Mit Eingabe vom 29. Jänner 2003 stellte die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde den Antrag auf Genehmigung des Tarifs für ihre Restmüllsplittinganlage.

In diesem Antrag führte sie aus, sie gehe davon aus, dass die Restmüllsplittinganlage keine öffentliche Behandlungsanlage nach dem TAWG sei, weshalb auch keine Verpflichtung zur Genehmigung von Tarifen gemäß § 23 TAWG bestehe. Dessen ungeachtet und unter voller Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes komme die beschwerdeführende Partei aber der behördlichen Aufforderung zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen nach. Zwischen der beschwerdeführenden Partei und den beteiligten Gemeinden bestünden privatrechtliche Verträge, die sowohl die Ablieferung des zu behandelnden Hausmülls als auch das Entgelt hiefür regelten. Am Inhalt dieser Verträge könne sich im Verhältnis zwischen der beschwerdeführenden Partei und den Gemeinden durch eine allfällige Tarifgenehmigung nichts ändern. Der Antrag gehe davon aus, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 27. Jänner 2000 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage erteilt worden sei. Damit sei auch das Verfahren genehmigt worden, nach dem als Anlagen-Output u.a. eine thermisch oder stofflich verwertbare Fraktion entstehe. Die beschwerdeführende Partei gehe bei ihrem Tarifgenehmigungsantrag davon aus, dass die thermische Fraktion nicht als betrieblicher Abfall im Sinne des § 2 Abs. 3 TAWG zu qualifizieren und daher nicht der Mülldeponie W zuzuführen sei. Bei der thermischen Behandlung der hochkalorischen Fraktion aus der Anlage der beschwerdeführenden Partei in der industriellen Abfallverbrennungsanlage der R GmbH handle es sich eindeutig um eine energetische Verwertung (R1) nach der Richtlinie 75/442/EWG. Die beschwerdeführende Partei gehe daher bei der von ihr vorgelegten Kalkulation von einer zulässigen energetischen Verwertung (R1) der hochkalorischen Fraktion aus ihrer Anlage aus und habe die diesbezüglichen Berechnungen der Kalkulation zugrunde gelegt.

Dem Antrag war eine "Kalkulation zur Einbringung eines Tarifantrages für das T-Abfallbehandlungszentrum in K" angeschlossen.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2003 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, die Behandlung des Restmülls aus der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage der beschwerdeführenden Partei in der Anlage der R GmbH und Co. KG sei als Beseitigung zu qualifizieren und forderte die beschwerdeführende Partei auf, bis 10. März 2003 einen Antrag auf Tarifgenehmigung zu stellen, dessen Kalkulation die Ablagerung des Restmülls auf der Deponie W zugrunde liege.

Die beschwerdeführende Partei antwortete, sie könne die Rechtsauffassung der belangten Behörde unter keinen Umständen akzeptieren und halte ihren Antrag voll inhaltlich aufrecht.

In der Folge legte die beschwerdeführende Partei der belangten Behörde Unterlagen vor, die ihre Auffassung stützen sollten, dass die Anlage der R GmbH eine Anlage zur thermischen Abfallverwertung sei und ersuchte die belangte Behörde, den Tarifgenehmigungsantrag zu bearbeiten.

Die belangte Behörde stellte sich auf den Standpunkt, dass im Tarifgenehmigungsverfahren nach wie vor kein einer Bearbeitung zugänglicher Antrag der beschwerdeführenden Partei vorliege.

In der am 22. September 2003 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde macht die beschwerdeführende Partei die Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich ihres Antrages vom 29. Jänner 2003 auf Tarifgenehmigung durch die belangte Behörde geltend.

Mit Verfügung vom 24. September 2003 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren über die Säumnisbeschwerde ein und forderte die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und hiezu die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit ihrer Gegenschrift vom 22. Oktober 2003 legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Säumnisbeschwerde.

Zur Begründung ihres Antrages führt die belangte Behörde aus, sie habe im gesamten Verfahren die Rechtsansicht vertreten, dass es sich bei der Anlage der beschwerdeführenden Partei um eine öffentliche Behandlungsanlage im Sinne des TAWG und des Tiroler Abfallwirtschaftskonzeptes handle und dass die Verbrennung des Restmülls aus dieser Anlage eine Beseitigung darstelle, die auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen unzulässig sei. Die beschwerdeführende Partei sei gemäß § 23 TAWG verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Genehmigung des Behandlungstarifes zu stellen und diesem die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Angemessenheit der Tarife anzuschließen. Dieses Kriterium erfülle der von der beschwerdeführenden Partei eingebrachte Antrag jedoch nicht, da die vorgelegte Kalkulation nicht auf den Kosten der Deponierung auf der Deponie W, sondern auf den Kosten für eine rechtlich nicht zulässige Verbrennung in L basiere. Die belangte Behörde habe die beschwerdeführende Partei mehrfach aufgefordert, diesen Mangel zu beheben. Die belangte Behörde sei daher der Ansicht, dass der Tarifgenehmigungsantrag aus von der beschwerdeführenden Partei verursachten Gründen nicht behandelt werden könne, sodass keine Säumnis der belangten Behörde vorliege.

Die beschwerdeführende Partei hat eine Replik erstattet. Darin geht sie auch auf die Einstufung ihrer Restmüllsplittinganlage als öffentliche Behandlungsanlage ein und führt dazu aus, diese Frage sei längere Zeit unklar gewesen. Erst durch eine Novelle zum TAWG (LGBl Nr. 44/2003) sei klar gestellt, dass auch die Anlage der beschwerdeführenden Partei eine öffentliche Behandlungsanlage sei.

Der Verwaltungsgerichtshof, auf den gemäß § 36 Abs. 2 VwGG die Verpflichtung zur Sachentscheidung übergegangen ist, hat erwogen:

§ 23 TAWG lautet auszugsweise:

"§ 23

Tarife für öffentliche Behandlungsanlagen und öffentliche Deponien

(1) Der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie hat die Entgelte für die Behandlung bzw. für die Ablagerung von Abfällen in einem Tarif festzulegen.

(2) Die Tarife nach Abs. 1 bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung sind die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Angemessenheit der Tarife anzuschließen. Die Genehmigung ist mit schriftlichem Bescheid zu erteilten, wenn die im Tarif festgelegten Entgelte betriebswirtschaftlich angemessen und in einem angemessenen Verhältnis zu den Tarifen anderer öffentlicher Behandlungsanlagen und öffentlicher Deponien in Tirol stehen. Die Genehmigung ist befristet auf höchstens fünf Jahre zu erteilen und kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt werden.

...

(4) Der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie hat den Organen der Landesregierung die zur Überprüfung der Angemessenheit der Tarife erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihnen Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen zu erteilen.

...

(6) Hat der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie bis zur Inbetriebnahme keinen vollständigen Antrag nach Abs. 2 eingebracht, so hat die Behörde ihn aufzufordern, binnen acht Wochen einen solchen Antrag samt den erforderlichen Unterlagen einzubringen. Lässt der Inhaber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder einer öffentlichen Deponie diese Frist ungenützt verstreichen, so hat die Behörde von Amts wegen einen Tarif festzusetzen, wobei sie die Tarife für vergleichbare Anlagen zu berücksichtigen hat."

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde haftet dem Tarifgenehmigungsantrag der beschwerdeführenden Partei kein eine Entscheidung über diesen Antrag unmöglich machender Mangel an. Die belangte Behörde behauptet selbst nicht, dass eine Beurteilung des Tarifgenehmigungsantrages nach § 23 TAWG nicht möglich sei. Sie meint aber, die dem Antrag zugrunde liegende Tarifkalkulation entspreche nicht dem Kriterium der Angemessenheit der Tarife im Sinne des § 23 Abs. 2 TAWG, weil diese Kalkulation nicht auf den Kosten der Deponierung auf der Deponie W, sondern auf den Kosten für eine rechtlich nicht zulässige Verbrennung basiere. Es bestehen also lediglich unterschiedliche Auffassungen zwischen der belangten Behörde und der beschwerdeführenden Partei, wie die Kalkulation für die Tarife zu gestalten ist. Der Umstand aber, dass die beschwerdeführende Partei ihrem Tarifgenehmigungsantrag eine Kalkulation zugrunde legt, die nach Ansicht der belangten Behörde unzulässig ist, macht eine Entscheidung über den Antrag nicht unmöglich. Wenn es zutrifft - was eingehend zu begründen wäre - dass die Kalkulation der beschwerdeführenden Partei dem § 23 TAWG nicht entspricht, dann wäre der Antrag eben abzuweisen. Die belangte Behörde hat daher über den Antrag der beschwerdeführenden Partei zu entscheiden.

Nach § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Der Grund, warum die belangte Behörde über den Tarifgenehmigungsantrag nicht entschied, war ihre Auffassung, sie könne über diesen Antrag nicht entscheiden, weil diesem ein von der beschwerdeführenden Partei nicht behobener Mangel anhafte. Es war daher zu klären, dass diese Auffassung unzutreffend ist und der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG aufzutragen, über den Antrag zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 11. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003070118.X00

Im RIS seit

23.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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