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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde 1.) des Dr. Friedrich S und 2.) der Bettina S, beide in N, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 11. September 2003, Zl. LAS - 694/16-01, betreffend Dienstbarkeitszusicherungsvertrag (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft S, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer sind Mitglieder der Agrargemeinschaft S (AG), der mitbeteiligten Partei.
Anlässlich einer außerordentlichen Vollversammlung der AG am 4. September 2002 wurde unter Tagesordnungspunkt 2 ein Beschluss folgenden Inhaltes gefasst:
"Die TIWAG legt einen Dienstbarkeitsvertrag für die Grundinanspruchnahme der Grundstücke 2798, 2800/1 und 2803/2 vor. Da die Agrargemeinschaften S und Oberriss im Zuge des Stromanschlusses der F-Hütte einen günstigen Stromanschluss bekommen, soll der Agrargemeinschaftsgrund für die Kabelverlegung und Errichtung der Trafostation kostenlos zur Verfügung gestellt werden!
Für allfällige Flurschäden bietet die TIWAG eine ortsübliche Abgeltung an. Sollte nach Baubeendigung der Trafostation die Errichtung einer Leitplanke zur Absicherung notwendig sein, wird diese auf Kosten der TIWAG errichtet!
Der Dienstbarkeitszusicherungsvertrag wurde mehrheitlich
angenommen.
Eine Gegenstimme: Friedrich S!"
Der Erstbeschwerdeführer begründete seine Gegenstimme gegen diesen Mehrheitsbeschluss damit, dass keine ordnungsgemäße, den Satzungen entsprechende Verständigung hinsichtlich der außerordentlichen Vollversammlung der AG stattgefunden habe. Eine Überprüfung des Dienstbarkeitsvertrages während der Vollversammlung habe nicht zugemutet werden können, eine vorhergehende Einsichtnahme sei nicht gewährt worden.
Die Beschwerdeführer erhoben am 10. September 2002 gegen diesen Vollversammlungsbeschluss Einspruch und brachten vor, dass der Zweitbeschwerdeführerin am 30. August 2002 vom Obmann der AG ein an die Beschwerdeführer adressiertes Kuvert übergeben worden sei. Dass es sich dabei um eine Ladung zur Vollversammlung der AG gehandelt habe, sei nicht ersichtlich gewesen, zumal als Absender lediglich der Obmann der AG aufgeschienen sei. Auf Grund der vielen Arbeit sei der Brief auch nicht gleich an den Erstbeschwerdeführer weitergeleitet worden, dieser habe erstmals zwei Tage vor der Vollversammlung davon erfahren. Eine separate Zustellung der Ladung zur Vollversammlung sei nicht erfolgt, eine den Satzungen der AG entsprechende Kundmachung der Abhaltung einer Vollversammlung sei ebenfalls unterblieben.
Eine Einsichtnahme in den Dienstbarkeitszusicherungsvertrag sei lediglich während der Abhandlung des Tagesordnungspunktes 2 gewährt worden, eine vorhergehende Überprüfung des Vertrages sei nicht möglich gewesen bzw. sei nicht angeboten worden. Die Zustimmung zu diesem Vertrag bedeute, dass sowohl der Inhaber eines Gewerbebetriebes als auch der Inhaber eines Ferienhauses, die beide der AG nicht als Mitglieder angehörten, ebenfalls in den Genuss eines Strombezuges kämen. Diese müssten allenfalls lediglich die wesentlich billigeren Kosten für die Anschlussgebühr an die TIWAG bezahlen. Es werde der Antrag gestellt, die Agrarbehörde möge sämtliche Beschlüsse der außerordentlichen Vollversammlung der AG vom 4. September 2002 ersatzlos beheben.
Im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens legte der Obmann der AG einen Auszug des Vollversammlungsprotokolles vom 4. September 2002 zu Tagesordnungspunkt 2 sowie den der Vollversammlung zu Grunde gelegenen Dienstbarkeitszusicherungsvertrag vor. Zum Vorwurf der nicht termingerechten Ladung stellte er fest, die Einladung sei von ihm persönlich am Dienstag, den 27. August 2002, an die Zweitbeschwerdeführerin in einem geschlossenen Kuvert übergeben und von dieser noch in seiner Anwesenheit geöffnet worden. Aus diesem Grund sei er davon ausgegangen, dass sie somit auch vom Termin der außerordentlichen Vollversammlung Kenntnis erlangt und ihrem Gatten mitgeteilt habe. Da die Vollversammlung am Mittwoch der darauf folgenden Woche stattgefunden habe (4. September), sei die Einladung mehr als eine Woche zuvor an die Beschwerdeführer zugestellt worden. Er sei davon ausgegangen, dass die Zustellung der Einladung auch an die Zweitbeschwerdeführerin als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft ausreiche. Angemerkt werde, dass im Zuge der Wasserrechtsverhandlung am 29. August 2002 auf den Termin der außerordentlichen Vollversammlung vom 4. September hingewiesen worden sei. Da der Erstbeschwerdeführer bei dieser Verhandlung anwesend gewesen sei, könne unabhängig von der zeitgerechten Ladung vom 27. August davon ausgegangen werden, dass diesem der Termin der Versammlung somit bekannt gewesen sei. Die Beschwerdeführer hätten reichlich Zeit gehabt, sich auf die Vollversammlung ordnungsgemäß vorzubereiten.
Zum Vorwurf, die Einsichtnahme in den Dienstbarkeitszusicherungsvertrag sei lediglich während der Abhandlung des Tagesordnungspunktes 2 gewährt worden, sei zu sagen, dass der Vertragsinhalt von einem Mitarbeiter der TIWAG im Zuge der Vollversammlung ausführlich erläutert worden sei und auch die Möglichkeit bestanden habe, offene Fragen dazu gleich an Ort und Stelle abzuklären. Hinsichtlich der im Falle der Zustimmung zur vorliegenden Dienstbarkeitsvereinbarung mitversorgten Betriebe von Nichtmitgliedern sei festzustellen, dass vom Betreiber des Gasthauses die Bereitschaft signalisiert worden sei, einen erheblichen Geldbetrag zu den von der AG zu leistenden Errichtungskosten des Anschlusses beizusteuern, wenn die AG als Gegenleistung erlaube, die für den Stromanschluss notwendige Kabelleitung über den Gemeinschaftsgrund zum Gasthaus verlegen zu lassen. In Anbetracht der Tatsache, dass die angeführten Gebäude ohne diese Kabelverlegung niemals einen Stromanschluss erhalten könnten, verringerten sich die Errichtungskosten bei Annahme dieses Angebots nicht nur für die AG insgesamt, sondern auch für jedes einzelne Mitglied. Die Beteiligung an der Finanzierung stelle daher einen großen Vorteil für die AG und deren Mitglieder dar.
Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 9. Oktober 2002 wurde der Einspruch der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auf den Umstand, dass den Beschwerdeführern die Einladung zur Vollversammlung mehrere Tage vor der Vollversammlung zugegangen sei, sei die Aufhebung des Beschlusses lediglich aus dem Grund einer geltend gemachten Verletzung einer Formvorschrift im Hinblick auf die Einladung zur Vollversammlung als nicht berechtigt anzusehen. Der Erstbeschwerdeführer als Akademiker müsse durchaus in der Lage sein, den unter Tagesordnungspunkt 2 beschlossenen Dienstbarkeitszusicherungsvertrag nach entsprechender Erläuterung durch einen Vertreter der TIWAG in seiner Bedeutung zu verstehen. Der Beschluss der AG stelle keinen groben Verstoß gegen den Grundsatz der pfleglichen Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens dar und begründe keinen ins Gewicht fallenden Verstoß gegen Gesetzes-, Regulierungs- und Satzungsbestimmungen; es würden auch keine wesentlichen Interessen der Agrargemeinschaftsmitglieder verletzt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung und brachten erneut vor, die Zustellung der Ladung zur Vollversammlung am 4. September 2002 sei durch den Obmann der AG nicht ordnungsgemäß erfolgt. Auch hätte die AB den Beschwerdeführern die Stellungnahme des Obmanns der AG nicht zur Kenntnis gebracht, weshalb sie diesbezüglich in ihrem Recht auf Gehör verletzt worden seien. Weiters sei es unrichtig, dass sich der Eigentümer des Alpgasthauses an den Errichtungskosten des Anschlusses beteiligen werde. Richtig sei vielmehr, dass sowohl dieser als auch der Eigentümer der Wochenendhütte bei rechtskräftiger Beschlussfassung lediglich die Anschlussgebühr an die TIWAG entrichten und sich bei den Kabelkosten nicht beteiligen müssten. Auch gehe die Behauptung, dass diese Betriebe ohne die Zustimmung der AG keine Kabel auf Gemeinschaftsgrund verlegen könnten, ins Leere, zumal die Einräumung einer Zwangsdienstbarkeit in solchen Fällen durchaus in Betracht komme. Weiters sei es nicht nachvollziehbar, wie die Behörde davon habe ausgehen können, dass eine Überprüfung des Vertrages während der Vollversammlung möglich gewesen sein sollte. Die Ladung zur Vollversammlung habe keinerlei Hinweise darauf enthalten, dass eine vorhergehende Einsichtnahme zur Überprüfung des Dienstbarkeitszusicherungsvertrages möglich sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. September 2003 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, für die AG stehe der revidierte Regulierungsplan vom 21. März 1977, bestehend aus Haupturkunde, Wirtschaftsplan und Verwaltungssatzung in Geltung. Nach § 2 der Verwaltungssatzung habe die AG den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.
Gemäß § 4 der Verwaltungssatzung seien die Organe der AG die Vollversammlung, der Obmann und der "Vorfahrer".
Nach Wiedergabe des § 37 Abs. 7 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74 (TFLG 1996), legte die belangte Behörde dar, die Aufhebung des von den Beschwerdeführern beeinspruchten Vollversammlungsbeschlusses setze voraus, dass durch diesen Beschluss gegen das TFLG 1996 oder gegen den Regulierungsplan verstoßen worden und dadurch wesentliche, in der Mitgliedschaft zur AG begründete Interessen der Beschwerdeführer verletzt worden seien. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ gegeben sein.
Die Beschlussfähigkeit der Vollversammlung setze u.a. voraus, dass alle Mitglieder der AG ordnungsgemäß eingeladen worden seien. Die Satzung der AG bestimme im § 6 Abs. 4, dass die Einberufung der Vollversammlung in der Weise zu geschehen habe, dass die Tagesordnung mindestens eine Woche vorher ortsüblich kundgemacht und die Mitglieder nachweislich eingeladen würden. Die Beschwerdeführer fühlten sich nun in ihren Mitgliedschaftsrechten in erster Linie dadurch verletzt, dass die Einladung zur außerordentlichen Vollversammlung nicht im Sinne der oben angeführten Satzungsbestimmung erfolgt sei.
Die belangte Behörde teile die Ansicht der Behörde erster Instanz, wonach, auch wenn man den Angaben der Beschwerdeführer mehr Gewicht beimessen wollte als jenen des Obmannes der AG, diese Einladung zur Vollversammlung doch mindestens 5 Tage vor der Vollversammlung an die Zweitbeschwerdeführerin, auch für den Erstbeschwerdeführer, übergeben worden sei. Nicht jedwede Verletzung einer in der Satzung enthaltenen Vorschrift über die für die Anberaumung und die Durchführung einer Vollversammlung einzuhaltenden Vorgangsweise führe zwangsläufig zur aufsichtsbehördlichen Aufhebung der in dieser Vollversammlung gefassten Beschlüsse (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1994, Zl. 94/07/0045).
Hinsichtlich des beschlossenen Dienstbarkeitszusicherungsvertrages könne die belangte Behörde nicht erkennen, dass durch die Genehmigung dieses Vertrages die Beschwerdeführer in ihren Rechten beeinträchtigt würden und dem Zweck der AG zuwider gehandelt werde. Im Wesentlichen werde durch diesen Vertrag die Dienstbarkeit der unterirdischen Verlegung, Benützung und Erhaltung von Starkstromkabeln und das Recht auf Errichtung einer Transformatorstation auf Agrargemeinschaftsgrund eingeräumt. Dieser werde nur in unerheblichem Ausmaß beansprucht, zumal das Stromkabel weitestgehend in bestehenden Wegen verlegt werde. Die Trassenführung sei zudem Gegenstand der am 29. August 2002 abgehaltenen Verhandlung zum starkstromwegerechtlichen und wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren gewesen, an der auch der Beschwerdeführer teilgenommen habe.
Hinsichtlich der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verletzung des Rechtes auf Gehör sei festzuhalten, dass eine Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz im Berufungsverfahren dann saniert werden könne, wenn im angefochtenen Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt seien oder wenn die Partei im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Da im Bescheid der AB sowohl die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt worden seien, als auch den Parteien im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden sei, sei dieser Mangel als saniert zu betrachten. Die belangte Behörde vertrete zusammenfassend die Auffassung, es liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der pfleglichen Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens vor. Durch den Beschluss der außerordentlichen Vollversammlung vom 4. September 2002 werde auch nicht gegen das TFLG 1996 oder gegen den Regulierungsplan verstoßen und es würden auch dadurch keine wesentlichen, in der Mitgliedschaft zur AG begründeten Interessen der Beschwerdeführer verletzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erklären sich zum einen in ihrem Recht verletzt, dass die Einberufung der Vollversammlung in satzungskonformer Weise zu geschehen habe und die Mitglieder genügend Zeit zur Vorbereitung haben; des Weiteren erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt ("Beschwerdepunkt 1"). Weiters machten die Beschwerdeführer als "Beschwerdepunkt 2" eine Verletzung ihres Rechtes darauf geltend, dass die AG auf Grund ihres Zweckes durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherstelle und das Gemeinschaftsvermögen erhalte und verbessere.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer führen die Beschwerde "zu Beschwerdepunkt 1" dahin aus, sie hätten ausführlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs dargetan, aber in der Berufungsverhandlung vom 11. September 2003 keine Gelegenheit erhalten, bezüglich des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen, weil die belangte Behörde in keiner Weise diesen Mangel angesprochen und auch das Ermittlungsverfahren nicht insoweit ergänzt habe, als dies im Hinblick auf seinen Zweck, nämlich den maßgebenden Sachverhalt darzustellen, notwendig gewesen wäre. Der Berichterstatter habe in der Berufungsverhandlung nur einen (von zwei) angefochtenen Bescheiden verlesen und nicht beide Bescheide. Dadurch, dass nur ein Bescheid verlesen worden sei, seien die Beschwerdeführer in der Weise in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, als dem Senat als Entscheidungsbehörde die Rechtssache nicht vollständig bekannt gewesen sei, über welche er zu entscheiden gehabt habe. Darin liege eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer.
Diese Verfahrensrüge führt schon deshalb nicht zum Ziel, weil ihr die Darlegung ihrer Relevanz im Hinblick auf das Verfahrensergebnis fehlt. Selbst wenn es zutreffen würde, dass nur ein angefochtener Bescheid (von zweien) verlesen worden wäre - wobei die Beschwerdeführer nicht einmal behaupten, dass der hier angefochtene erstinstanzliche Bescheid (vom 9. Oktober 2002) nicht zur Verlesung gelangt sei -, hätte diese Rüge der Beschwerdeführer auch nur dann Erfolg, wenn dargelegt worden wäre, zu welch anderen Ergebnissen die belangte Behörde im Falle der Vermeidung dieses angeblichen Verfahrensmangels gelangt wäre. Dies gilt auch für das nicht weiter ausgeführte Vorbringen der Beschwerdeführer, sie hätten in der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit gehabt "bezüglich des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen". Abgesehen davon, dass nach dem Inhalt der vorgelegten Verhandlungsschrift der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zu Wort kam und nicht gehindert war, auch dazu Stellung zu nehmen, hätte es auch diesbezüglich einer Darstellung der versäumten Ausführungen und ihrer Relevanz auf das Verfahrensergebnis bedurft.
In der Ausführung der Beschwerde kommen die Beschwerdeführer auf den im "Beschwerdepunkt 1" genannten Umstand der nicht ordnungsgemäßen Ladung zur Vollversammlung nicht mehr zurück. Dennoch ist zu diesem (zumindest) als Beschwerdepunkt formulierten Vorbringen Folgendes festzuhalten:
Die Aufsichtsbefugnisse der Agrarbehörde über Agrargemeinschaften sind im § 37 TFLG 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 77/1998 geregelt.
Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung hat die Agrarbehörde Beschlüsse (Verfügungen) von Organen der Agrargemeinschaft aufzuheben, wenn sie gegen dieses Gesetz oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen, und dabei wesentliche Interessen des Antragstellers verletzen.
In den Erläuterungen zur TFLG-Novelle 1998 heißt es dazu:
"Nach dem vorliegenden Entwurf wird die Aufsicht über die Agrargemeinschaft durch die Agrarbehörde auf eine neue Basis gestellt.
...
Bei Streitigkeiten über Beschlüsse und Verfügungen von Organen der Agrargemeinschaften (§ 37 Abs. 7 des Entwurfes) soll eine Behebung daher nur dann erfolgen, wenn wesentliche Interessen des beschwerdeführenden Mitgliedes der Agrargemeinschaft verletzt werden. Nur objektive Rechtsverletzungen durch einen Beschluss eines Organes der Agrargemeinschaft kann ein Mitglied somit nicht geltend machen. Auch ist es nicht Aufgabe eines Mitgliedes, die Agrargemeinschaft selbst zu schützen. Dies fällt vielmehr in den Aufgabenbereich der gesetzlich eingerichteten Organe der Agrargemeinschaft. Die Agrargemeinschaft steht ja auch unter der Aufsicht der Agrarbehörde.
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der verletzten Interessen werden auch der Zweck der Agrargemeinschaft und die in § 37 Abs. 5 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 vorgegebenen weiteren Kriterien wie etwa 'die zu erwartenden Belastungen', die 'Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit der Agrargemeinschaft', 'der Umfang und die Art der von der Agrargemeinschaft zu besorgenden Aufgaben' zu berücksichtigen sein."
Die Absicht des Gesetzgebers der TFLG-Novelle 1998 war es demnach, nicht jeden "Bagatellverstoß" gegen Gesetz oder Satzung als Aufhebungsgrund für Beschlüsse von Agrargemeinschaftsorganen zuzulassen (vgl. dazu ausführlicher das hg. Erkenntnis vom 18. September 2002, Zl. 2002/07/0073). Eine Behebung sollte nur bei Verletzung wesentlicher Interessen von Mitgliedern erfolgen.
Die belangte Behörde hat zu Recht darauf verwiesen, dass diese Voraussetzungen (Widerspruch gegen die die AG regelnden Normen einerseits und Verletzung von wesentlichen Interessen der Beschwerdeführer andererseits) kumulativ gegeben sein müssen, um eine solche Vorgangsweise der Agrarbehörde zu tragen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2003/07/0006). § 37 Abs. 7 TFLG 1996 sieht im Fall der Entscheidung über Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis eine Einschränkung der Aufhebungsbefugnisse dahin vor, dass ein Beschluss einer Agrargemeinschaft, der gegen Gesetz oder Satzung verstößt, nur dann aufgehoben werden darf, wenn durch diesen Verstoß wesentliche Interessen des Antragstellers verletzt werden.
Selbst wenn die Vorgangsweise der Ladung der Beschwerdeführer zur außerordentlichen Vollversammlung der AG am 4. September 2002 nicht den Satzungen in der AG entsprochen hatte, somit ein Widerspruch gegen diese Satzungsbestimmungen und damit eine der Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 37 Abs. 7 TFLG 1996 vorlag, wäre eine Behebung dieses Vollversammlungsbeschlusses nur dann in Frage gekommen, wenn dadurch wesentliche Interessen der Beschwerdeführer verletzt worden wären.
Dies ist aber nicht zu erkennen.
Diesbezüglich bringen die Beschwerdeführer unter "Beschwerdepunkt 2" vor, sie hätten das aus § 2 der Satzung der AG erfließende Recht, dass diese das Gemeinschaftsvermögen verbessere, womit der Umstand in Widerspruch stehe, dass Nichtmitgliedern ein Vorteil verschafft werde.
Mit dem in Rede stehenden Beschluss sollte der TIWAG eine Dienstbarkeit über den Agrargemeinschaftsgrund (zur Kabelverlegung und zur Errichtung der Trafostation) zugesichert werden; die Gegenleistung stellte eine günstige Stromversorgung des Gebietes der AG dar. Flurschäden sollten von der TIWAG ersetzt, notwendige Abplankungen auf Kosten der TIWAG vorgenommen werden.
Der genannte Beschluss bezieht sich auf einen Dienstbarkeitszusicherungsvertrag zwischen der TIWAG und der AG für die von der TIWAG beabsichtigte Grundinanspruchnahme bestimmter Grundstücke der AG, vor allem zur Leitungsführung. Dass und unter welchen Bedingungen auch Nichtmitglieder diese Stromversorgung in Anspruch nehmen, ist dem beeinspruchten Beschluss ebensowenig zu entnehmen wie die Rechtseinräumung (Leitungsdienstbarkeit) zugunsten der genannten Nichtmitglieder.
Hinsichtlich der Führung des Stromkabels über die Grundflächen der AG hat die belangte Behörde festgestellt, dass dadurch Grund der AG nur in unerheblichem Ausmaß beansprucht werde und die Bewirtschaftung nicht hindere, weil das Stromkabel weitestgehend in bestehenden Wegen verlegt werde. Diesen Feststellungen sind die Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.
Die kostengünstige Versorgung der Flächen der AG mit Strom stellt aber zweifelsfrei einen Vorteil für die Bewirtschaftung dieser Flächen und damit einen Vorteil für die einzelnen Mitglieder der AG, somit auch für die Beschwerdeführer dar. Die Beschwerdeführer meinen nun ohne nähere Darstellung, der Umstand, dass durch diese Maßnahme auch Nichtmitglieder leichter mit Strom versorgt würden, gehe auf "ihre Kosten", weshalb das Gemeinschaftsvermögen "nicht verbessert" werde.
Die mit dem bekämpften Beschluss in direktem Zusammenhang stehende und das Gemeinschaftsvermögen verbessernde Maßnahme der Stromversorgung verliert ihren positiven wirtschaftlichen Effekt nicht durch den Umstand, dass auch Nichtmitglieder leichter mit Strom versorgt werden können. Es kann dahin stehen, ob es möglicherweise einen Fall gibt, in dem trotz dieser positiven Effekte eine Verletzung wesentlicher Interessen eines Mitgliedes einer Agrargemeinschaft durch eine solche Maßnahme eintritt. Diesfalls bedürfte es aber jedenfalls einer konkreten Darlegung der spezifischen Situation und der verletzten Interessenlage dieses Mitgliedes.
Ohne eine solche Darlegung ist es aber - wie im vorliegenden Fall - nicht erkennbar, dass allein dadurch, dass im Rahmen einer die Bewirtschaftung der Flächen der AG wesentlich erleichternden Maßnahme auch Nichtmitglieder leichter mit Strom versorgt werden können, eine Verletzung wesentlicher Interessen der Beschwerdeführer eintritt.
Fehlt es aber an einer solchen Verletzung wesentlicher Interessen der Beschwerdeführer, war die belangte Behörde gehindert, nach § 37 Abs. 7 TFLG 1996 mit Aufhebung des bekämpften Vollversammlungsbeschlusses vorzugehen. Die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer erfolgte somit zu Recht.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 11. Dezember 2003
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003070138.X00Im RIS seit
22.01.2004