Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/03/0266 2003/03/0267 2003/03/0268 2003/03/0269Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerden des HO in L, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in 6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 1, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 26. August 2003, Zlen. uvs-2003/23/121-6 (protokolliert zu Zl. 2003/03/0265), uvs-2003/23/117-6 (protokolliert zu Zl. 2003/03/0266), uvs-2003/23/115-6 (protokolliert zu Zl. 2003/03/0267), uvs-2003/23/122-6 (protokolliert zu Zl. 2003/03/0268) und uvs-2003/23/114-6 (protokolliert zu Zl. 2003/03/0269), betreffend Übertretungen gemäß TKG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.171,20, insgesamt daher EUR 5.856,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit fünf erstinstanzlichen Straferkenntnissen des Fernmeldebüros für Tirol und Vorarlberg vom 26. bzw. 27. März 2003 wurde der Beschwerdeführer als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufener Geschäftsführer der A Gesellschaft für professionelle Audiotext-Anwendungen GmbH (im Folgenden: A) jeweils für schuldig erkannt, er habe es zu vertreten, dass zu einer jeweils näher angeführten Tatzeit ein Anruf zu Werbezwecken ohne vorherige Zustimmung des Teilnehmers beim Inhaber des Telefonanschlusses mit der jeweils angeführten Rufnummer durchgeführt worden sei. Dadurch habe der Beschuldigte jeweils eine Verwaltungsübertretung gemäß § 101 i.V.m. § 104 Abs. 3 Z. 24 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, in der geltenden Fassung begangen und wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 104 Abs. 3 Z. 24 TKG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt. Nach der Begründung dieser Bescheide sei auf Grund der Anzeige davon auszugehen, beim jeweils betroffenen Anschlussinhaber sei ein Anruf zu Werbezwecken erfolgt, in dem für einen Rückruf unter einer bestimmten Mehrwertnummer geworben worden sei. Da Inhaber der Mehrwertnummer die A sei und bei einem Anruf unter dieser Mehrwertnummer die A einen wirtschaftlichen Gewinn erziele, sei weiters davon auszugehen, dass der Anruf (jeweils) von der A durchgeführt worden sei.
In den dagegen jeweils erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers wurde insbesondere geltend gemacht, dass ihm durch die Zustellung des Straferkenntnisses zur Kenntnis gelangt sei, dass es sich um Anrufe der Firma S Ltd. (im Folgenden: S) handeln würde. Die A sei zwar Inhaberin der verfahrensgegenständlichen Mehrwertnummer, daraus ergebe sich aber nicht, dass auch der Telefonanruf mit der Aufforderung des Rückrufes von ihr ausgegangen sei. Gemäß § 101 TKG sei nur derjenige zu bestrafen, der einen Anruf zu Werbezwecken ohne Zustimmung tätige, nicht jedoch derjenige, dessen Mehrwertnummerndienst beworben werde. Vom Fernmeldebüro sei nicht festgestellt worden, dass die vom Beschwerdeführer zu vertretende A den Anruf getätigt hätte, sondern lediglich, dass die A Inhaberin der beworbenen Mehrwertnummer sei. Da die A die vorgeworfenen Werbeanrufe nicht getätigt hätte, könnte der Beschwerdeführer auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass die A Inhaberin der (jeweils) verfahrensgegenständlichen Mehrwertnummer sei. Mit dem vorgelegten Vertrag vom 27. Februar 2002 (zwischen der A und der S) habe die A der S lediglich die Benutzung ihrer technischen Einrichtungen erlaubt. Als Anlage zum Vertrag finde sich eine Darstellung über die Tarife über die gegenständliche Mehrwertnummer sowie die Verteilung dieser Einnahmen. In diesen Dokumenten finde sich als Servicegegenstand auch die Formulierung "Gewinnspiel".
Gemäß § 101 Satz TKG seien Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Da die Erstbehörde zu Recht von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ausgegangen sei, wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spreche, insbesondere dass er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems habe der Beschwerdeführer nicht unter Beweis gestellt und es ferner unterlassen, im Einzelnen anzugeben, auf welche Art und in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen er Kontrollen durchführe.
In den dagegen erhobenen Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 101 erster Satz Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/1997 (TKG) i.d.F. BGBl. I Nr. 188/1999, sind Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig.
Gemäß § 104 Abs. 3 Z. 24 TKG i.d.F. BGBl. I Nr. 26/2000 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 500.000,-- zu bestrafen, wer
"24. entgegen § 101 unerbetene Anrufe oder die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken tätigt."
Der Beschwerdeführer macht geltend, die verfahrensgegenständlichen Anrufe seien nicht von der A, sondern von dem damaligen Vertragspartner, der S, durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei aber für Handlungen dieses anderen Unternehmens gemäß § 9 VStG nicht verantwortlich. Die A stelle ihre technische Plattform sowie ihr zugeteilte Mehrwertnummern anderen Telekommunikationsdienstleistern zur Verfügung. Im vorliegenden Fall hätte die S die in Frage stehenden Mehrwertnummern gemietet und völlig eigenständig den Inhalt des Mehrwertnummerndienstes gestaltet. Lediglich für die Verwaltung der bei der Mehrwertnummer eingehenden Anrufe sei die technische Plattform der A gemietet worden. Ohne Wissen und Mitwirkung der A sei jedoch die Vermarktung des Mehrwertnummerndienstes erfolgt. Nach der Aktenlage ergebe sich eindeutig, dass die A den gegenständlichen Anruf nicht getätigt habe, sondern dass S ihren gemieteten Mehrwertdienst mit Telefonanrufen vermarktet hätten. Bei den Unternehmen A und S handle es sich um eigenständige, voneinander unterschiedliche juristische Personen. Das Vertragsverhältnis sei nicht dergestalt, dass der eine Geschäftspartner auf den anderen Einfluss ausüben könnte. Das Vertragsverhältnis sei weder ein Dienstverhältnis noch ein Auftrags- oder ein Bevollmächtigungsverhältnis. Die A habe keine rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsgebarung der S, noch viel weniger auf die Marketingmethoden derselben. Es könne im vorliegenden Zusammenhang nicht ein wirksames Kontrollsystem seitens der A eingemahnt werden.
Dieses Vorbringen ist zielführend:
Gemäß Punkt 1. des in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vorgelegten Vertrages zwischen der A und der S vom 27. Februar 2002 erlaubt die A der Vertragspartnerin S die Benützung ihrer Audiotext-Plattform, wie in der Anlage dargestellt. Unmittelbar nach dem vorgelegten Vertrag findet sich ein Angebot betreffend die Zur-Verfügung-Stellung einer der beiden verfahrensgegenständlichen Mehrwertnummern, das allerdings nicht die Bezeichnung "Anlage" trägt. Angeschlossen an den Vertrag findet sich ein Nachtrag vom 3. Oktober 2002 zu dem vorgelegten Vertrag, der die Zurverfügungstellung der zweiten verfahrensgegenständlichen Mehrwertnummer von der A an die S betrifft. Auch wenn auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht ganz klar ist, worauf sich der in Punkt 1 angeführte Verweis auf die Anlage bezieht und was also genau unter der "Benützung seiner Audiotext-Plattform, wie in der Anlage dargestellt" im vorgelegten Vertrag gemeint ist, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, dies und damit die Frage der von A der S eingeräumten Benützung der Audiotext-Anlage zu klären. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass Dritte die technische Plattform der A in Anspruch nehmen könnten. Dafür würden den Vertragspartnern einzelne Nummern zur Verfügung gestellt. Die Mehrwertnummer des gegenständlichen Verfahrens sei mit dem angeführten Vertrag an die S vermietet worden. Dieses Unternehmen gestaltete eigenständig und ohne Beihilfe der A nicht nur den Inhalt des Mehrwertdienstes, sondern insbesondere die Vermarktung desselben. Es stellt auch einen wesentlichen Begründungsmangel dar, wenn die belangte Behörde angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Berufung und in der mündlichen Verhandlung allein unter Hinweis darauf, dass mit Punkt 1 des Vertrages vom 27. Februar 2002 lediglich die Benutzung der technischen Einrichtungen der A erlaubt worden sei, feststellt, dass die Erstbehörde zu Recht von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der jeweils in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ausgegangen sei. Es kann auf Grund der vorliegenden Akten nicht nachvollzogen werden, dass die in Frage stehenden Anrufe von der A getätigt wurden.
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Dezember 2003
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003030265.X00Im RIS seit
19.01.2004