TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/16 2002/05/0483

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Veröffentlicht am 16.12.2003
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Index

L10011 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Burgenland;
L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L82001 Bauordnung Burgenland;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs5;
BauG Bgld 1997 §33 Z1;
BauG Bgld 1997 §33;
GdO Bgld 1965 §84;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1.) des Ing. Johann Georg Wagentristl und 2.) der Gabriele Wagentristl, beide in Stöttera, vertreten durch Dax - Klepeisz - Klimburg - Schuszter, Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Februar 2002, Zl. 5-BB-106-99/2-3, betreffend Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999, den Beschwerdeführern zugestellt am 16. Dezember 1999, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 18 Abs. 10 Bgld. Baugesetz 1997 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Geschäftslokal, Nebengebäude, einer Wärmepumpenheizung und Einfriedung auf ihrem Grundstück Nr. 132, KG Zemendorf, nach Maßgabe der mit den Bewilligungsvermerken versehenen Plänen und Beschreibungen erteilt. Die Einwendungen des Nachbarn Josef G. wurden als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Februar 2000 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Nachbarn Josef G. gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 18 Abs. 4 Bgld. Baugesetz "infolge Widerspruchs des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zemendorf Folge gegeben und der vorgenannte Bescheid ersatzlos behoben".

Mit hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0063, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Auf die Begründung dieses Bescheides wird verwiesen.

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 13. November 2001 wurde die Berufung des Nachbarn Josef G. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 42 Abs. 1 AVG und § 21 Abs. 4 Bgld. Baugesetz als unzulässig zurückgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen wie folgt: "Die Berufung, in welcher im Übrigen jeglicher Hinweis auf eine unzulässige Immissionsbelastung fehlt, war daher mangels Erhebung öffentlichrechtlicher Einwendungen durch den Berufungswerber und auf Grund des damit verbundenen Verlustes seiner Parteistellung zurückzuweisen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999 gemäß § 33 Z. 1 Bgld. Baugesetz i.V.m. § 20 Abs. 1 Bgld. Raumplanungsgesetz "infolge Widerspruch des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zemendorf für nichtig erklärt". Soweit für das Beschwerdeverfahren entscheidungserheblich, führte die belangte Behörde in der Begründung dieses Bescheides aus, den Erläuternden Bemerkungen zu § 33 Z. 1 Bgld. Baugesetz sei zu entnehmen, dass die Nichtigerklärung ein Eingriff in die Rechtskraft sei und eine Rechtsunsicherheit zur Folge habe. Andererseits sei sie zur Sanierung von Verstößen gegen Bestimmungen dieses Gesetzes unbedingt erforderlich. Gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG könnten Bescheide von der Oberbehörde wegen Nichtigkeit aufgehoben werden, wenn sie durch eine Verwaltungsvorschrift mit Nichtigkeit bedroht würden. Gemäß § 84 Bgld. Gemeindeordnung könnten auch rechtskräftige Bescheide unter bestimmten Voraussetzungen von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden. Die Anwendung des § 33 Bgld. Baugesetz stelle daher auf die Zustellung rechtskräftiger Bescheide ab. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999 sei zwar am 24. November 1999 vom Baubewilligungswerber übernommen worden, er sei jedoch auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung nicht rechtskräftig geworden. Daraus folge, dass dieser Bescheid keine Rechtswirkungen habe entfalten können und daher vom Bauwerber das damit erteilte Recht, nämlich die Baubewilligung, nicht konsumiert habe werden dürfen. Erst mit der Zustellung der Entscheidung vom 13. November 2001 liege eine rechtskräftige Baubewilligung vor und es könne erst ab diesem Tag von der Baubewilligung Gebrauch gemacht werden. Der letztgenannte Bescheid sei am 14. November 2001 zugestellt worden, sodass die im § 33 Z. 1 Bgld. Baugesetz enthaltene Frist von zwei Jahren nach Zustellung des Baubescheides, innerhalb der mit einer Nichtigerklärung vorgegangen werden könne, gewahrt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Handhabung des Aufsichtsrechtes verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf § 33 erster Fall des Burgenländisches Baugesetzes 1997 (Bgld. BauG), LGBl. Nr. 10/1998. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"§ 33

Nichtigerklärung von Bescheiden

Bescheide, die gegen Bestimmungen dieses Gesetzes sowie gegen § 20 Abs. 1 und § 26 Abs. 3 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der jeweils geltenden Fassung, verstoßen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Nichtigerklärung ist nur zulässig:

1. im Falle des § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der jeweils geltenden Fassung, innerhalb von zwei Jahren nach Zustellung der Baubewilligung,

2. in allen übrigen Fällen innerhalb von vier Wochen nach Baubeginn."

Der hier maßgebliche § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes (Bgld. RPlG) wiederum hat folgenden Wortlaut:

"Wirkung des Flächenwidmungsplanes

§ 20

(1) Der genehmigte Flächenwidmungsplan hat neben der Wirkung auf den Bebauungsplan (Teilbebauungsplan) auch die Folge, dass Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nach der Bgld. Bauordnung sowie Bewilligungen von sonstigen sich auf das Gemeindegebiet auswirkenden Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen."

Die belangte Behörde vertritt die Rechtsauffassung, dass der auf § 18 Abs. 10 Bgld. BauG gestützte Baubewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999, welcher mit dem angefochtenen Bescheid im Grunde des § 33 Z. 1 leg. cit. wegen Nichtigkeit aufgehoben wurde, dem bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zemendorf widerspricht.

Der belangten Behörde ist darin zu folgen, dass die Nichtigerklärung von Bescheiden nach § 33 Bgld. BauG - so wie die Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG - rechtskräftige Bescheide voraussetzt, weil die amtswegige Behebung von Bescheiden nach den genannten Gesetzesstellen ebenso wie die aufsichtsbehördliche Maßnahme des § 84 der Bgld. Gemeindeordnung Fälle regelt, in denen Ausnahmen von der materiellen Rechtskraft eines Bescheides gegeben sind (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 183 ff zu § 68 AVG, S. 1435, wiedergegebene Rechtsprechung; siehe auch Brückler/Fasching/Weikovics, Burgenländische Gemeindeordnung, E 2 zu § 84, S. 394).

Es kann jedoch den Ausführungen der belangten Behörde, auf Grund der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999 vom Nachbarn Josef G. eingebrachten Berufung sei dieser Baubewilligungsbescheid nicht rechtskräftig geworden, nicht gefolgt werden. Ein Bescheid wird (formell) rechtskräftig, wenn er der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegt (§ 68 Abs. 1 AVG). Liegt gegen einen Bescheid nur eine unzulässige Berufung vor, dann ist diese zurückzuweisen (§ 66 Abs. 4 AVG); eine solche Berufung hindert demnach den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides nicht, mag sich dies auch im Einzelfall erst mit Eintritt der Rechtskraft des die Zurückweisung aussprechenden Bescheides erweisen (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 36 ff zu § 68 AVG, S. 1409 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Mit Bescheid vom 13. November 2001, dem Berufungswerber Josef G. zugestellt am 14. November 2001, hat die Burgenländische Landesregierung die Berufung dieses Nachbarn ausdrücklich "als unzulässig zurückgewiesen". Diese Berufung hat somit im Sinne der vorzitierten hg. Rechtsprechung den Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides nicht verhindert. Dass andere Gründe vorgelegen hätten, die den Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit dessen Erlassung an die Beschwerdeführer verhindert hätten, wird im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt. Auch die Verwaltungsakten geben hiefür keine Anhaltspunkte, vielmehr geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst davon aus, dass Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides eingetreten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde zu folgen, dass die im § 33 Z. 1 Bgld. BauG normierte Frist von zwei Jahren mit Eintritt der Rechtskraft des mit Nichtigkeit bedrohten Bescheides zusammenfallen muss. Ein Bescheid kann - wie oben ausgeführt - zwar nur nichtig erklärt werden, wenn er in Rechtskraft erwachsen ist. Die Nichtigerklärung eines dem Flächenwidmungsplan widersprechenden rechtskräftigen Bescheides ist nach dieser Gesetzesstelle jedoch nur innerhalb von zwei Jahren nach Zustellung der Baubewilligung zulässig. § 33 Z. 1 Bgld. BauG stellt somit für die Fristberechnung ausdrücklich auf die Zustellung der Baubewilligung und nicht auf den Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides ab (vgl. hiezu auch die insoweit vergleichbare Regelung des § 68 Abs. 5 AVG, welcher auf § 63 Abs. 5 leg. cit. verweist; nach der zuletzt genannten Bestimmung beginnt die Frist für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloßer mündlicher Verkündung mit dieser). Damit ist im gegebenen Zusammenhang die Zustellung des Bescheides zu verstehen, mit welcher seine Erlassung bewirkt wurde (siehe Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Rz 426f., Seiten 173f.).

Im Beschwerdefall ist daher die im § 33 Z. 1 Bgld. BauG festgesetzte 2 Jahres-Frist von der Zustellung des Baubewilligungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 17. November 1999 an den Bauwerber (d.i. der 26. November 1999; zur Fristberechnung siehe § 32 Abs. 2 AVG). Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 21. Februar 2002 (das war der 27. Februar 2002) war damit die im § 33 Z. 1 Bgld. BauG genannte Frist bereits abgelaufen. Die auf diese Gesetzesstelle gestützte, hier in Beschwerde gezogene Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides war daher unzulässig.

Aus diesen Gründen leidet der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002050483.X00

Im RIS seit

26.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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