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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. Wilfried Eisele, Rechtsanwalt in 6890 Lustenau, Kaiser-Franz-Josef-Straße 31, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 4. März 2002, RV 1342/1-V6/01, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1998 und 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Umsatzsteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt als Einzelunternehmerin ein Transportunternehmen. Bei der Gewinnermittlung (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) für die Jahre 1998 und 1999 hatte sie Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht. Im Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer hatte sie in den genannten Jahren auch Vorsteuern geltend gemacht.
Bei Erlassung der Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1998 und 1999 anerkannte das Finanzamt die in Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer entstandenen Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben. Es verweigerte auch den entsprechenden Vorsteuern die Anerkennung.
In der gegen diese Bescheide erhobene Berufung wird vorgebracht, das strittige Arbeitszimmer sei im Wohnungsverband gelegen und werde ausschließlich betrieblich verwendet. Die Beschwerdeführerin übe ihre Tätigkeit im Arbeitszimmer aus. Sie verfüge über keinen anderen Raum, in welchem die notwendigen Verwaltungsarbeiten (Buchhaltung, Lohnverrechnung, Korrespondenz, Organisation, Telekommunikation, Leitung, etc) durchgeführt werden könnten.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Beziehe ein Steuerpflichtiger aus dem Betrieb eines Transportunternehmens Einkünfte aus Gewerbebetrieb, seien Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen. Materieller Schwerpunkt eines Transportunternehmens sei nämlich die außerhalb des Arbeitszimmer erbrachte Leistung. Der Umstand, dass mit dem Lkw der Beschwerdeführerin nicht sie, sondern der bei ihr angestellte Ehemann fahre, ändere daran nichts. Auch zeitlich würde die Transporttätigkeit des Ehemannes die lediglich vier- bis fünfstündige Bürotätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer überwiegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Einkommensteuer:
Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig. Diese Bestimmung ist ab dem Jahr 1996 anzuwenden (§ 124a Z 3 leg. cit.).
Strittig ist, ob das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin gebildet hat.
Der Mittelpunkt einer Tätigkeit ist nach ihrem materiellen Schwerpunkt zu beurteilen; nur in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl das hg. Erkenntnis vom 28. November 2000, 99/14/0008).
Im Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, 2001/15/0025, hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen eines Gärtnereibetriebes einen häuslichen Büroraum dem Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG subsumiert. Auch für einen Transportbetrieb befindet sich der materielle Schwerpunkt nicht im Arbeitszimmer. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie als Kennzeichen und materiellen Schwerpunkt eines Transportunternehmens die Transporttätigkeit angesehen hat. Ob die eigentliche Transporttätigkeit des Betriebes von Unternehmer oder von seinem Dienstnehmer erbracht wird, ist dabei nicht entscheidend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Mittelpunkt der Tätigkeit nämlich aus der Sicht der jeweiligen Einkunftsquelle festzumachen, das Tatbestandsmerkmal der gesamten (betrieblichen/beruflichen) Tätigkeit ist daher auf die gesamte Betätigung im Rahmen eines konkreten Betriebes abgestellt (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Juni 2000, 98/14/0198). Einkunftsquelle ist im Beschwerdefall aber der Gewerbebetrieb Transportunternehmen als solches (und nicht bloß die Verwaltungstätigkeit der Beschwerdeführerin).
Hinsichtlich Einkommensteuer wurde die Beschwerdeführerin sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt.
2. Umsatzsteuer:
Anders stellt sich die Beurteilung hinsichtlich der Versagung des Vorsteuerabzuges dar. Art. 17 Abs 6 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie (77/388/EWG) erlaubt den Mitgliedstaaten zwar die Beibehaltung der bei Inkrafttreten der Richtlinie (für Österreich im Zeitpunkt des Beitrittes zur EU) bestehenden Vorsteuerausschlüsse, untersagt aber die nachträgliche Erweiterung der Vorsteuerausschlüsse (von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen). Vor der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 erfolgten Einführung der lit. d des § 20 Abs 1 Z 2 EStG 1988, auf welche die Vorsteuerabzugsregelung des § 12 Abs 2 Z 2 lit a UStG 1994 verweist, konnten Vorsteuern im Zusammenhang mit einem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer bereits dann berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich unternehmerisch genutzt wurde und die ausgeübte Tätigkeit ein solches Arbeitszimmer notwendig gemacht hat. Die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 vorgenommene Einschränkung der Vorsteuerabzugsmöglichkeit auf Arbeitszimmer (und deren Einrichtung), welche den Mittelpunkt der betrieblichen bzw beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden, erweist sich daher als durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt (vgl das hg Erkenntnis vom 3. Juli 2003, 99/15/0177 mwN).
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich Umsatzsteuer ausschließlich darauf gestützt, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers bilde und daher die Voraussetzungen des § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 nicht erfüllt seien. Damit hat sie den Bescheid hinsichtlich Umsatzsteuer mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war sohin, soweit er Umsatzsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 333/2003. Der Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.
Wien, am 16. Dezember 2003
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002150071.X00Im RIS seit
26.01.2004Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013