TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/16 2003/05/0078

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2003
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §16a idF 2001/I/028;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Jusline Österreich GmbH in Wien, vertreten durch Gugerbauer & Partner, Rechtsanwälte in Wien 1, Opernring 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 2003, Zl. 11.016/828- III/3/03, betreffend Abfrageberechtigung nach dem Meldegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit dem am 15. Juli 2002 bei der Behörde eingelangten Antrag die Eröffnung einer Abfrageberechtigung aus dem Zentralen Meldungsregister gemäß § 16a Abs. 5 des Meldegesetzes. Die Abfrageberechtigung wurde ihr am 8. August 2002 eingeräumt.

Mit Schreiben vom 13. März 2003, der Beschwerdeführerin zugestellt am 15. März 2003, wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, aus ihrer Homepage ergebe sich, dass die Möglichkeit bestehe, von der Beschwerdeführerin Meldeauskünfte gegen Entgelt zu erhalten. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wofür ein Auszug aus den Logfiles des ZMR spreche, würde die Beschwerdeführerin die ihr eingeräumte Zugriffsmöglichkeit für andere als in § 16a Abs. 5 MeldeG genannte Zwecke nutzen. In der Anlage zu diesem Schreiben wurden der Beschwerdeführerin Testabfragen zur Kenntnisnahme übermittelt, es wurde ihr eingeräumt, binnen zehn Tagen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Im Falle des fruchtlosen Fristverstreichens werde die eröffnete Abfrageberechtigung unterbunden.

In ihrer Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, die von ihr angebotene Komfort-Meldeanfrage werde nicht über das ZMR bedient. Die Beschwerdeführerin habe die Komfort-Meldeanfrage bereits im Juni 2001, d.h. lange vor Existenz des ZMR entwickelt. Dabei arbeite die Beschwerdeführerin im Auftrag und in Bevollmächtigung verschiedener Anwaltskanzleien mit Auskunfteien in ganz Österreich zusammen. Für ihre Kunden (in der Regel Rechtsanwälte) sei die Möglichkeit entwickelt worden, der Beschwerdeführerin über ein Web-Formular im Internet mitzuteilen, welche Person gesucht werde. Diese Daten leite die Beschwerdeführerin an ihre Kooperationspartner (Auskunfteien) weiter. Der Operationspartner komme mit diesen Daten zum örtlich zuständigen Meldeamt und führe dort eine Meldeanfrage durch. In der Folge übermittle der Kooperationspartner die erhaltenen Daten via e-mail an die Beschwerdeführerin, die wiederum ihrerseits diese an ihre Kunden weiterleite. Zu den konkret vorgehaltenen Fällen wurde ausgeführt, auf Grund eines Krankenstandes der zuständigen Sachbearbeiterin der Beschwerdeführerin sei es gerade an diesem Tag möglich gewesen, Meldeanfragen durchzuführen, ohne die von § 16 Abs. 1 Meldegesetz geforderten vier Kriterien anzugeben. Die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen würden nicht verletzt, unternehmensintern würden alle Veranlassungen getroffen, um eine Wiederholung eines derartigen bedauerlichen Vorfalls auszuschließen. Nach eingehender Prüfung habe sich die Beschwerdeführerin zur Erkenntnis durchgerungen, dass bei Online-Geschäften eine Missbrauchsmöglichkeit auftreten könne. Sie werde daher die "Meldeauskunft für jedermann ohne Registrierung" vom Netz nehmen.

Mit Bescheid vom 4. April 2003 wurde die der Beschwerdeführerin eröffnete Abfrageberechtigung gemäß § 16a Abs. 7 Z. 1 Meldegesetz unterbunden.

Nach Darstellung des Sachverhaltes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass schon auf Grund der Ausführungen in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin der entscheidungsrelevante Sachverhalt als feststehend angesehen werde: Die Beschwerdeführerin verwende die ihr eingeräumte Abfragemöglichkeit aus dem Zentralen Melderegister dazu, an sie gerichtete Ersuchen um Auskunft über Meldedaten zu beantworten. Wenn die Beschwerdeführerin nämlich ausführe, dass es an einem bestimmten Tag möglich gewesen sei, Meldeanfragen ohne die vom Gesetz geforderten vier Kriterien durchzuführen, untermauere dies die ursprüngliche Vermutung. Es werde nämlich deutlich, dass es grundsätzlich vorgesehen sei, den On-line-Zugriff auf das ZMR für die Beauskunftung heranzuziehen. Hier maßgeblich sei nicht die Frage, ob - wie für bestimmte Fälle ausgeführt - die Abfrage ohne Angaben von vier Kriterien möglich sei, sondern der Umstand, dass die Abfragemöglichkeit überhaupt zur Erteilung von Meldeauskünften verwendet werde. Gemäß § 16a Abs. 5 Meldegesetz dürften Anfragen nur zu den dort genannten Zwecken durchgeführt werden. Wie sich aus der Stellungnahme der Beschwerdeführerin konkludent ergebe, nehme sie aber die ihr eingeräumte Abfragemöglichkeit dafür in Anspruch, auf Anfragen Dritter Meldeauskünfte zu erteilen. Da die Voraussetzungen, unter denen die Abfrageberechtigung erteilt wurde, nicht mehr vorlägen, sei gemäß § 16a Abs. 7 Meldegesetz die Eröffnung der Abfrageberechtigung im Zentralen Melderegister zu unterbinden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin führt u.a. aus, sie benötige die Abfrageberechtigung dazu, die Identität ihrer Kunden nachzuprüfen, um ihre Forderungen ordnungsgemäß gerichtlich betreiben zu können. Pro Jahr fielen ca. 800 Fälle an.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 16a Abs. 1 bis 7 des Meldegesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 28/2001 lautet wie folgt:

"§ 16a. (1) Die Meldebehörden dürfen die im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten gemeinsam benützen und Auskünfte daraus erteilen.

(2) Der Bundesminister für Inneres hat die ihm überlassenen Meldedaten weiter zu verarbeiten und deren Auswählbarkeit aus der gesamten Menge nach dem Namen der An- und Abgemeldeten vorzusehen. Hiebei bildet die Gesamtheit der Meldedaten eines bestimmten Menschen, mögen diese auch mehrere Unterkünfte betreffen, den Gesamtdatensatz.

(3) Für Zwecke der Sicherheitspolizei, Strafrechtspflege oder, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, kann die Auswählbarkeit aus der gesamten Menge aller im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten auch nach anderen als in Abs. 2 genannten Kriterien vorgesehen werden (Verknüpfungsanfrage).

(4) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Organen von Gebietskörperschaften, Gemeindeverbänden und den Sozialversicherungsträgern auf deren Verlangen eine Abfrage im Zentralen Melderegister in der Weise zu eröffnen, dass sie, soweit dies zur Besorgung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist, den Gesamtdatensatz bestimmter Menschen im Datenfernverkehr ermitteln können.

(5) Abgesehen von den in Abs. 4 genannten Fällen ist der Bundesminister für Inneres ermächtigt, bestimmten Personen im Rahmen des § 16 Abs. 1 auf Antrag eine Abfrageberechtigung im Wege des Datenfernverkehrs auf die im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten, für die keine Auskunftssperre besteht, zu eröffnen; hiefür muss glaubhaft sein, dass diese Personen regelmäßig Meldeauskünfte zur erwerbsmäßigen Geltendmachung oder Durchsetzung von Rechten oder Ansprüchen benötigen, wobei eine derartige Abfrage im konkreten Fall nur für die glaubhaft gemachten Zwecke erfolgen darf.

(6) Näheres über die Vorgangsweise bei dem in Abs. 4 und 5 vorgesehenen Verwenden von Daten, die Voraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf Datensicherheitsmaßnahmen, unter denen eine Abfrageberechtigung gemäß Abs. 5 eingeräumt werden kann, und die Kosten der Eröffnung dieser Berechtigung, sind vom Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen, wobei für das Verwenden von Daten gemäß Abs. 5 insbesondere vorzusehen ist, dass seitens des Antragstellers sichergestellt wird, dass

1. in seinem Bereich ausdrücklich festgelegt wird, wer unter welchen Voraussetzungen eine Abfrage durchführen darf,

2. abfrageberechtigte Mitarbeiter über ihre nach Datenschutzvorschriften bestehenden Pflichten belehrt werden,

3. entsprechende Regelungen über die Abfrageberechtigungen und den Schutz vor Einsicht und Verwendung der Meldedaten durch Unbefugte getroffen werden,

4. durch technische oder programmgesteuerte Vorkehrungen Maßnahmen gegen unbefugte Abfragen ergriffen werden,

5. Aufzeichnungen geführt werden, damit tatsächlich durchgeführte Verwendungsvorgänge im Hinblick auf ihre Zulässigkeit im notwendigen Ausmaß nachvollzogen werden können,

6. Maßnahmen zum Schutz vor unberechtigtem Zutritt zu Räumlichkeiten, von denen aus Abfragen durchgeführt werden können, ergriffen werden,

7. eine Dokumentation über die nach Z 1 bis 6 getroffenen Maßnahmen geführt wird.

(7) Die Eröffnung der Abfrageberechtigung im Zentralen Melderegister gemäß Abs. 5 ist vom Bundesminister für Inneres zu unterbinden, wenn

1. die Voraussetzungen, unter denen die Abfrageberechtigung erteilt wurde, nicht mehr vorliegen,

2. schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen Betroffener von Auskünften verletzt wurden,

3. gegen Datensicherheitsmaßnahmen gemäß Abs. 6 Z 1 bis 7 verstoßen wurde oder

4. ausdrücklich auf sie verzichtet wird."

Gemäß § 16 Abs. 1 MeldeG ist das Zentrale Melderegister insofern ein öffentliches Register, als der Hauptwohnsitz eines Menschen oder jener Wohnsitz, an dem dieser Mensch zuletzt mit Hauptwohnsitz gemeldet war, abgefragt werden kann, wenn der Anfragende den Menschen durch Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum und ein zusätzliches Merkmal, wie etwa Geburtsort, ZMR-Zahl oder einen bisherigen Wohnsitz bestimmt. Über andere gemeldete Wohnsitze dieses Menschen darf einem Abfragenden nur bei Nachweis eines berechtigten Interesses Auskunft erteilt werden.

Der angefochtene Bescheid gründet die Unterbindung der gemäß § 16a Abs. 5 MeldeG für die Beschwerdeführerin eröffneten Abfrageberechtigung im ZMR ausdrücklich auf § 16a Abs. 7 Z. 1 MeldeG.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Beschwerde aber näher aus, warum sie als Unternehmen die Eröffnung der Abfrageberechtigung gemäß § 16a Abs. 5 MeldeG auch weiterhin benötigt. Dass sich diesbezüglich gegenüber dem Sachverhalt zum Zeitpunkt des Antrages der Beschwerdeführerin etwas geändert habe, kann der Aktenlage nicht entnommen werden.

Die Beschwerdeführerin wurde während des Verwaltungsverfahrens auch nicht befragt, ob sie die Anfrageberechtigung weiterhin selbst benötige.

Durch die durch die Aktenlage nicht zwingend gebotene (die Beschwerdeführerin hatte mit Rücksicht auf den Inhalt der an sie ergangenen Aufforderung zur Stellungnahme keinen Anlass, sich auch zu dieser Frage zu äußern) Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin benötige die Anfrageberechtigung nicht mehr, ist die Beschwerdeführerin überrascht und in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden. Da ihr während des Verwaltungsverfahrens nicht Gelegenheit geboten wurde, zu diesem Themenkreis Ausführungen zu machen, leidet der angefochtene Bescheid unter Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Diese ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen ist, dass im Falle einer diesbezüglichen Aufforderung durch die belangte Behörde die Beschwerdeführerin jene Umstände dargelegt hätte, die sie nun auch in der Beschwerde bekannt gegeben hat.

Da demnach nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003050078.X00

Im RIS seit

03.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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