TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/17 2001/04/0144

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Veröffentlicht am 17.12.2003
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Index

E6J;
L72007 Beschaffung Vergabe Tirol;

Norm

61998CJ0081 Alcatel Austria VORAB;
62000CJ0214 Kommission / Spanien;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z1;
LVergG Tir 1998 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Blaschek, Dr. Rigler und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Ö Pensionskassen AG in W, vertreten durch Dr. Rainer Roniger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Juni 2001, Zl. uvs-2001/K11/018-1, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages nach dem Tiroler Vergabegesetz 1998 (mitbeteiligte Parteien: 1. Land Tirol, Amt der Tiroler Landesregierung, 6010 Innsbruck, Eduard Wallnöfer-Platz 3,

2. Tiroler Landes-Krankenanstalten-Gesellschaft m.b.H. in 6020 Innsbruck, Anichstraße 35), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. April 2001 wurde u.a. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Nachprüfung des von den mitbeteiligten Parteien vorgenommenen Vergabeverfahrens "Pensionskasse (GZ. 09/00-034.- 010)" im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei die Zuschlagsfrist gemäß § 41 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 1997 mit 12. März 2001 ungenutzt verstrichen, sodass ein Zuschlag im vergaberechtlichen Sinn nicht mehr rechtsgültig zu Stande kommen könne; dies komme "einem defacto-Abschluss des Vergabeverfahrens auch ohne Zuschlag bzw. einem Widerruf des Vergabeverfahrens gleich". Damit mangle es der beschwerdeführenden Partei in Ansehung des gestellten Nachprüfungsantrages an der Beschwer, sodass ihr Antrag abzuweisen gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2001 beantragte die beschwerdeführende Partei beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, die "Entscheidungen" der mitbeteiligten Parteien

"1) das Vergabeverfahren zur GZ. 09/00-034.-010 betreffend die Errichtung einer Pensionskasse fortzusetzen bzw.

2) den ursprünglich zur GZ. 09/00-034.-010 ausgeschriebenen Auftrag über die Errichtung einer Pensionskasse freihändig zu vergeben",

als nichtig zu erklären. Der beschwerdeführenden Partei sei nämlich - so die Darstellung in der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen, vorliegenden Beschwerde - Anfang Juni 2001 aus informierter Quelle mitgeteilt worden, dass die mitbeteiligte Parteien ungeachtet des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. April 2001 beabsichtigten, das ursprüngliche Vergabeverfahren fortzusetzen und den ursprünglich ausgeschriebenen Auftrag freihändig zu vergeben.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Juni 2001 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 8. Juni 2001 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, es habe sich gegenüber dem Bescheid vom 11. April 2001 weder die Sach- noch die Rechtslage verändert; insbesondere hätten sich keine wesentlichen Änderungen im Sachverhalt ergeben. Die von der beschwerdeführenden Partei behauptete rechtswidrige Fortsetzung des Ausschreibungsverfahrens bzw. die behauptete freihändige Vergabe stehe zwar im klaren Widerspruch zum "Ergebnis" des Bescheides vom 11. April 2001, ändere aber nichts an der bereits getroffenen Entscheidung über den identen Sachverhalt bei identer Rechtslage. Im Übrigen sei zu erwähnen, dass nur vergaberechtlich relevante Entscheidungen eines Auftraggebers Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein könnten. Es sei allerdings nicht Aufgabe der Nachprüfungsbehörde, zu erkunden, ob überhaupt vergaberechtlich relevante Handlungen gesetzt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf inhaltliche Erledigung ihres Nachprüfungsantrages verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den Begriff der entschiedenen Sache verkannt. Habe nämlich eine rechtswidrige Fortsetzung des Ausschreibungsverfahrens bzw. eine freihändige Vergabe nach Erlassung des Bescheides vom 11. April 2001 stattgefunden, so liege ein neuer Sachverhalt vor; im Übrigen seien im Nachprüfungsantrag vom 8. Juni 2001 andere Entscheidungen der mitbeteiligte Parteien bekämpft worden als im Nachprüfungsantrag, der dem Bescheid vom 11. April 2001 zu Grunde gelegen sei. Die beschwerdeführende Partei habe zwei konkrete Entscheidungen der mitbeteiligte Parteien angefochten; sie sei ihrer Pflicht zur Bezeichnung der angefochtenen Vergabeentscheidungen ausreichend nachgekommen. Die Auffassung, es sei eine Umschreibung der bekämpften Vergabeentscheidung "bis ins letzte Detail" geboten, würde gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen und zwar gegen Art. I Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG. Völlig unzutreffend sei die Annahme der belangten Behörde, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nur "auf Basis von Gerüchten" sei gesetzlich nicht gedeckt. Vielmehr bestehe (auch) im Nachprüfungsverfahren nach dem Tiroler Vergabegesetz die Pflicht der Behörde, den relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, werde ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EG zur Frage, ob Art. I Abs. 1 der erwähnte Richtlinie ein amtswegiges Beweisverfahren der Nachprüfungsbehörde gebiete, angeregt.

Gemäß § 17 Abs. 1 des Tiroler Vergabegesetzes 1998 (TirVergG) kann jeder Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Der Antrag hat gemäß § 17 Abs. 3 TirVergG u.a. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen Entscheidung (Z. 1), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z. 5), sowie ein bestimmtes Begehren (Z. 6) zu enthalten.

Wird ein solcher Antrag gestellt, hat gemäß § 15 Abs. 1 TirVergG der unabhängige Verwaltungssenat ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen. Er ist gemäß § 15 Abs. 2 TirVergG bis zur Zuschlagserteilung zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (lit. a) und zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidung der im § 2 genannten Auftraggeber ermächtigt, nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens gemäß § 15 Abs. 3 TirVergG zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu erlassenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Gemäß § 19 Abs. 1 TirVergG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine im Zuge des Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist. Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt gemäß § 19 Abs. 2 TirVergG insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in den Ausschreibungsunterlagen oder in jedem sonstigen Dokument des Vergabeverfahrens in Betracht.

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens und damit der Nichtigerklärung durch die Nachprüfungsbehörde

i. S.d. § 19 TirVergG sind "Entscheidungen" des Auftraggebers. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Vorgänge interner Willensbildung, sondern um Willenserklärungen des Auftraggebers, die - in Teilakten des Vergabeverfahrens - nach außen in Erscheinung treten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2002, B 691/01 u.a., sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2001, Zl. 2001/04/0138, und die dort jeweils zitierte Judikatur).

Nur in Ansehung dieser - nach außen in Erscheinung tretender -

Willenserklärungen des Auftraggebers kann ein Nachprüfungsantrag gestellt werden; nur solche "Entscheidungen" können i. S.d. § 19 TirVergG für nichtig erklärt werden (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-81/98, Alcatel Austria AG u.a., Slg. 1999, I-7671; in diesem Sinne auch das Urteil des EuGH vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C-214/00, Randnummern 74-80). Im inneren Organisationssystem des Auftraggebers getroffene "Entscheidungen" werden erst zu anfechtbaren Entscheidungen i.S.d. § 19 TirVergG, wenn sie als Teilakte des Vergabeverfahrens nach außen zum Ausdruck gebracht werden. Der entsprechende Teilakt des Vergabeverfahrens ist es daher, der vom Antragsteller in seinem Nachprüfungsantrag i. S.d. § 17 Abs. 3 Z. 1 TirVergG genau zu bezeichnen ist.

Der oben wiedergegebene Nachprüfungsantrag der beschwerdeführenden Partei richtete sich demgegenüber nicht gegen bestimmte, als Teilakte eines Vergabeverfahrens nach außen in Erscheinung getretene Entscheidungen der mitbeteiligten Parteien, sondern gegen (interne) Willensbildungsvorgänge, die die beschwerdeführende Partei bei den mitbeteiligten Parteien vermutete. Ein derartiger Nachprüfungsantrag ist allerdings unzulässig; er löst keine inhaltliche Entscheidungsbefugnis der Nachprüfungsbehörde nach dem TirVergG aus. Die Zurückweisung dieses Antrages erfolgte daher zu Recht; ob sie noch aus weiteren Gründen geboten war, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war - ohne auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei weiter einzugehen -gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Dezember 2003

Gerichtsentscheidung

EuGH 61998J0081 Alcatel Austria VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040144.X00

Im RIS seit

23.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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