TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/17 2001/20/0136

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Veröffentlicht am 17.12.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des P in M, geboren 1952, vertreten durch Mag. Manfred Sommerbauer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Kollonitschgasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. November 2000, Zl. 209.358/4-IX/26/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, stellte am 27. November 1998 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 23. Februar 1999, Zl. 98 12.326-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig ist. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Mai 1999 als verspätet zurück. Aus dem im Akt befindlichen Rückschein ist ersichtlich, dass der Bescheid vom 12. Mai 1999 dem Beschwerdeführer am 27. Mai 1999 zugestellt wurde.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 7. Juni 2000, Zl. 98 12.326-BAT, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Bescheinigungskarte über seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung binnen zehn Tagen dem Bundesasylamt zu retournieren.

Am 27. Juni 2000 langte beim Bundesasylamt folgendes Fax des Beschwerdeführers ein:

" ...

26. Juni 2000

Betrifft:

Zahl 98 12.326 BAT

 

Ersuchen um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Bezugnehmend auf das Schreiben vom 7.6., welches ich am 14. Juni erhalten habe, ersuche ich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 AV.

Leider ist es mir auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten nicht möglich gewesen, in richtiger Weise zu reagieren. Ich ersuche daher um Nachsicht für das Versäumnis.

..."

Mit Bescheid vom 4. September 2000 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Juni 2000 gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Versäumnis auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten sei nicht glaubwürdig. Es könne auch nicht angenommen werden, dass kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte in dieser unter anderem aus, dass auf die Situation, weshalb er seinerzeit kein Rechtsmittel habe einbringen können, überhaupt nicht eingegangen worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. September 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos und legte begründend dar, das Bundesasylamt sei fälschlich davon ausgegangen, dass mit dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 26. Juni 2000 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Februar 1999 gestellt worden sei. Tatsächlich verhalte es sich jedoch so, dass das genannte Schreiben "eindeutig" auf die schriftliche Aufforderung des Bundesasylamtes vom 7. Juni 2000, innerhalb von zehn Tagen die Karte über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu retournieren, Bezug nehme, was sich nicht nur aus der diesbezüglich eindeutigen Textierung, sondern auch daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer das genaue Zustelldatum dieses Schreibens anführe. "Mit keiner Silbe" erwähne der Beschwerdeführer im Schreiben vom 26. Juni 2000 die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. März 1999, sondern führe ganz allgemein gehalten aus, es sei ihm auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten nicht möglich gewesen, "in richtiger Weise zu reagieren". Damit könne der Beschwerdeführer auf Grund des sonst eindeutigen Wortlautes nur gemeint haben, er habe nicht innerhalb der zehntägigen Frist für die Rücksendung der Karte reagieren können. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Februar 1999 liege somit nicht vor. Der erstinstanzliche Bescheid sei folglich ersatzlos zu beheben gewesen. Im Übrigen wäre ein zum jetzigen Zeitpunkt gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist wegen Verspätung zurückzuweisen, weil die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages nach § 71 Abs. 2 AVG ab Kenntnis der Verspätung des eingebrachten Rechtsmittels zu berechnen sei und der Beschwerdeführer mit Schreiben des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. April 1999, zugestellt am 30. April 1999, von der Verspätung der Berufung Kenntnis erlangt habe. Zur Behandlung des nach wie vor offenen Ersuchens "um Wiedereinsetzung" und um "Nachsicht für das Versäumnis" sei weiterhin das Bundesasylamt zuständig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist und nicht § 66 Abs. 2 AVG zur Anwendung gelangt, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides lautete, dass der "Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Juni 2000" gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG abgewiesen wird. Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung davon aus, dass die Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. Juni 2000 kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Februar 1999" ist, weshalb die Behörde erster Instanz zu Unrecht einen Bescheid gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG über die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung "gegen die Versäumung der Berufungsfrist" erlassen habe.

Auch wenn die belangte Behörde somit zu dem Ergebnis kam, die Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. Juni 2000 stelle keinen Wiedereinsetzungsantrag im Sinne des § 71 AVG gegen die seinerzeitige Versäumung der Berufungsfrist dar, entband sie dies nicht von der Verpflichtung, über das in dieser Eingabe enthaltene Begehren des Beschwerdeführers bescheidmäßig abzusprechen. Anspruch auf die Erlassung eines Bescheides besteht nämlich auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Antrages vorliegen (vgl. bereits den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Dass aber überhaupt - auch ausgehend von der Deutung der belangten Behörde, das Schreiben des Beschwerdeführers habe sich auf die Nichteinhaltung der ihm vom Bundesasylamt mit Schreiben vom 7. Juni 2000 gesetzten Frist bezogen - ein Antrag des Beschwerdeführers vorlag, geht neben dem Wortlaut der Eingabe vom 26. Juni 2000 auch aus der darin erfolgten ausdrücklichen Berufung auf das AVG hervor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0419).

Auf Grund des § 66 Abs. 4 AVG hätte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid daher ihrer Rechtsmeinung entsprechend abzuändern gehabt. Zu einer ersatzlosen Behebung desselben in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG war sie im vorliegenden Fall hingegen nicht berechtigt (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, unter E 183a zu § 66 Abs. 4 AVG zitierte hg. Rechtsprechung und z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0120).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Dezember 2003

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200136.X00

Im RIS seit

01.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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