TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/18 2000/12/0030

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
AVG §60;
PensionsO Wr 1995 §4 Abs4 Z3;
PensionsO Wr 1995 §9;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123 impl;
PG 1965 §9 Abs1 idF 1985/426 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der K in G, vertreten durch Dr. Karl Grigkar & Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwälte in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 16. Dezember 1999, Zl. MA 2/117/99, betreffend Ruhen i.A. Ruhegenuss, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1947 geborene Beschwerdeführerin stand bis zu ihrer mit Beschluss des Stadtsenates vom 6. Dezember 1991 mit Ablauf des 31. Dezember 1991 von Amts wegen erfolgten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien. Ihre letzte Dienststelle war das psychiatrische Krankenhaus B.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 13. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 9 der Wiener Pensionsordnung 1966 (PO 1966), LGBl. Nr. 19/1967, zu ihrer ruhegenussfähigen Dienstzeit zur Stadt Wien ein Zeitraum von 7 Jahren und 334 Tagen zugerechnet. Der Begründung dieses Bescheides ist (nur) zu entnehmen, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass "alle Voraussetzungen für eine Zurechnung vorliegen".

Dem im Rahmen des Zurechnungsverfahrens eingeholten ärztlichen Gutachten der amtsärztlichen Untersuchungsstelle der Magistratsabteilung 15 - Gesundheitsamt vom 25. Oktober 1991 ist

Folgendes zu entnehmen:

"Zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehen folgende

Diagnosen:

Depression

Wanderniere rechts

Amblyopie rechts

geringe WS-Degeneration

Gutachten: Auf Grund der chron. Depression bestehen Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, rasche Ermüdbarkeit, Antriebslosigkeit und Angstzustände.

Bestehende körperliche Beschwerden (recidiv. Cervikolumbalgie bei geringer WS-Degeneration, eine Wanderniere rechts und Sehminderung re.) werden dadurch verstärkt.

Die körperliche und psych. Mobilität ist dadurch andauernd höhergradig vermindert.

Regelmäßige Medikamenteneinnahme, nervenfachärztl. Betreuung und Psychotherapie sind notwendig.

Durch ärztl. Behandlung ist eine wesentliche andauernde Besserung des Zustandsbildes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Eine kontinuierliche Verrichtung von Erwerbstätigkeiten im Ruhestand erscheint wegen der therapieresistenten Depression und der stark herabgesetzten psychophysischen Leistungsfähigkeit unwahrscheinlich."

Aus einem in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden "Gutachten" der amtsärztlichen Untersuchungsstelle der Magistratsabteilung 15 - Gesundheitswesen vom 5. Jänner 1998, das auf Veranlassung der Magistratsabteilung 2 - Personalamt im Hinblick auf eine mögliche Reaktivierung der Beschwerdeführerin als Kanzleikommissärin eingeholt wurde, geht hervor, dass anlässlich der Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12. Dezember 1997 (auszugsweise) Folgendes festgestellt wurde:

" (Aktuelle) Anamnese:

Ich wurde mit 31. Dezember 1991 frühpensioniert. Es geht mir wechselnd zeitweise gut, zeitweise weniger gut. Ich bin derzeit noch in fachärztlicher Betreuung bei Herrn Prof. B. Ich bin alle 14 Tage zur Kontrolle meiner medikamentösen Therapieeinstellung und zur Gesprächstherapie bestellt.

Ich fühle mich derzeit schlecht. Es gehen alle auf meine Familie los. Ich kann mit meinen Pulvern schlafen. Hausarbeit mache ich keine. Ich habe eine Bedienerin.

...

Diagnose (in deutscher Sprache):

Depressive Verstimmung

Zusammenfassung und Stellungnahme:

Die Beschwerdeführerin wurde mit 31. Dezember 1991 in

den Ruhestand versetzt.

Die Beschwerdeführerin befindet sich wegen einer depressiven Verstimmung nach wie vor in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung. Eine medikamentöse Therapie ist ebenfalls erforderlich.

Die Beschwerdeführerin hat auf Grund der hieramtlichen Untersuchung und der vorgelegten Befunde die Einsetzbarkeit als Kanzleikommissärin nicht wiedererlangt. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin durch mindestens fünf Jahre hindurch ihren Dienstposten ordnungsgemäß versehen kann."

Abschließend wird unter "Beurteilung" darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin derzeit nicht einsetzbar und eine Besserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich sei.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1999 sprach der Magistrat der Stadt Wien aus, dass für die Zeit vom 1. März 1996 bis zum 15. April 1998 die durch den Bescheid vom 13. Jänner 1992 gemäß § 9 PO 1995 bewirkte Erhöhung des Ruhegenusses gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. ruhe. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe in der Zeit vom 12. Dezember 1985 bis 13. Juli 1996 im Unternehmen T.-GmbH die Funktion der handelsrechtlichen Geschäftsführerin, in der Zeit vom 19. Jänner 1987 bis 15. April 1998 die Funktion der gewerberechtlichen Geschäftsführerin sowie in der Zeit vom 21. Juli 1997 bis 15. April 1998 die Funktion der Prokuristin ausgeübt. (Anmerkung: Auf Grund der Disziplinaranzeige der MA 2 vom 21. April 1998 war zu diesem Zeitpunkt ein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin anhängig, in dem ihr das Unterlassen der Meldung dieser Tätigkeiten vorgeworfen wurde. Von diesen ihr zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen wurde die Beschwerdeführerin freigesprochen, und zwar zum Teil durch den Bescheid der Disziplinarkommission vom 27. April 1999, zum Teil durch den Bescheid der Disziplinaroberkommission vom 1. Dezember 1999.) Über dieses Unternehmen sei am 16. April 1998 der Anschlusskonkurs eröffnet worden. Auf Grund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht unfähig gewesen sei, einen zumutbaren Erwerb auszuüben. Gemäß § 45 PO 1995 verjähre der Anspruch auf rückständige Leistungen und das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen drei Jahre nach ihrer Entstehung. Es sei daher die gemäß § 9 leg. cit. bewirkte Erhöhung des Ruhegenusses im genannten Zeitraum ruhend zu stellen gewesen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin (zusammengefasst) vor, die erstinstanzliche Behörde stütze sich auf Zeugenaussagen über ihre Tätigkeit bei der T.-GmbH und unterstelle in weiterer Folge, dass sie nicht unfähig gewesen sei, einen zumutbaren Erwerb auszuüben. Bei diesen Zeugenaussagen handle es sich jedoch lediglich um solche aus einem Disziplinarverfahren; diese seien bis dato nicht einmal ansatzweise "objektiviert" worden. Auch im Disziplinarverfahren gelte immer noch die Unschuldsvermutung; bis dato habe im Disziplinarverfahren nicht einmal eine mündliche Verhandlung stattgefunden. So lange sie jedoch hinsichtlich der inkriminierten Handlungen nicht verurteilt worden sei, sei es mangels einer objektiven Entscheidungsgrundlage auch nicht möglich, ihr für einen bestimmten Zeitraum die Erhöhung des Ruhegenusses zu entziehen. Bei gesetzmäßiger Vorgangsweise hätte die erstinstanzliche Behörde vor Erlassung ihres Bescheides jedenfalls den Ausgang des Disziplinarverfahrens abzuwarten gehabt; gegebenenfalls könne der Beschwerdeführerin erst für den Fall einer rechtskräftigen Verurteilung die Erhöhung des Ruhegenusses entzogen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Dezember 1999 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass gemäß § 10 Abs. 2 PO 1995 die durch Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 13. Jänner 1992 gemäß § 9 leg. cit. bewirkte Erhöhung des Ruhegenusses für die Zeit vom 1. März 1996 bis 13. Juli 1996 ruhe. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges in erster Instanz, der Berufung und der Stellungnahmen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren führte sie begründend aus, laut den vorliegenden Auszügen aus dem Firmenbuch habe die Beschwerdeführerin bei der T.-GmbH in der Zeit vom 12. Dezember 1985 bis 13. Juli 1996 die Funktion einer handelsrechtlichen, ab 19. Jänner 1987 auch jene einer gewerberechtlichen Geschäftsführerin sowie ab 21. Juli 1997 die Funktion der Prokuristin bekleidet. Mit 16. April 1998 sei der Anschlusskonkurs über dieses Unternehmen eröffnet worden. Die Ruhensbestimmung des § 10 Abs. 2 PO 1995 komme zur Anwendung, wenn die Beamtin wieder zu einem zumutbaren Erwerb fähig geworden sei und ihn ausübe. In erster Linie sei daher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (1. März 1996 bis 15. April 1998) einen Erwerb ausgeübt habe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde eine Tätigkeit dann als "erwerbsmäßig" definiert, wenn sie die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezwecke. Entscheidend sei somit, ob ein finanzieller Erwerb, d.h. ein wirtschaftlicher Erfolg angestrebt werde. Die Absicht, Einnahmen zu erzielen, sei ausreichend; dass diese tatsächlich bezogen würden, sei nicht Voraussetzung. Nach Ansicht der belangten Behörde seien die Begriffe "erwerbsmäßige Tätigkeit" und "Ausübung eines Erwerbes" in ihrer Bedeutung gleichzusetzen. Das möge für den bloßen Begriff des "Erwerbes" nicht zutreffen, da darunter ein Einkommen ohne Arbeitsleistung, wie z.B. Einkünfte aus einer Vermietung oder einer Verpachtung, fallen könnten. Dadurch, dass § 10 Abs. 2 PO 1995 aber davon ausgehe, dass ein Erwerb "ausgeübt" werde, müsse die Entfaltung von Tätigkeiten damit verbunden sein. Die oben angeführte Rechtsprechung zum Begriff der "erwerbsmäßigen Tätigkeit" sei daher auch zur Auslegung des § 10 Abs. 2 PO 1995 heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin selbst führe in ihrer Stellungnahme vom 13. September 1995 aus, dass unter "Erwerb" eine Tätigkeit zu verstehen sei, welche in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werde. An späterer Stelle bringe sie vor, wenn es um die Ausübung eines Erwerbes gehe, müssten tatsächlich Geld oder geldwerte Güter bezogen werden. Diese zuletzt angeführte Ansicht sei im Hinblick auf die oben dargestellte Judikatur jedoch nicht aufrecht zu erhalten. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihren Funktionen als handelsrechtliche und gewerberechtliche Geschäftsführerin sowie Prokuristin Tätigkeiten entfaltet und diese in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt habe.

In allgemeiner Hinsicht sei auszuführen, dass es sich beim handelsrechtlichen Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung um das zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufene Organ handle. Als solches sei er zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Die Befugnis zur Geschäftsführung erstrecke sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringe (§§ 114 und 116 HGB). Wie der Bestimmung des § 30 Gewerbeordnung 1994 zu entnehmen sei, habe der gewerberechtliche Geschäftsführer für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zu sorgen. Dem Prokuristen obliege die Vornahme aller Arten von Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringe (§ 49 HGB).

Nach der Wiedergabe der im gleichzeitig anhängigen Disziplinarverfahren protokollierten Zeugenaussagen und der dazu von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung führte die belangte Behörde weiter aus, wenn auch die bloße Innehabung eines eigenen Büroraumes in der T.-GmbH keinen sicheren Beweis für die Entfaltung von Tätigkeiten durch die Beschwerdeführerin liefere, so stelle diese Tatsache im Zusammenhalt mit ihrer wiederkehrenden Anwesenheit im Unternehmen, ihrer Teilnahme an firmeninternen Besprechungen und der Innehabung eines firmeneigenen Mobiltelefons ein starkes Indiz für ihr Tätigwerden für die Gesellschaft dar und sei geeignet, die Aussagen der Zeugen im Rahmen der Beweiswürdigung zu bekräftigen. Daher werde als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin ihre Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin während der ganzen Zeit, in der sie diese Funktion laut Firmenbuch bekleidet habe, auch tatsächlich ausgeübt habe. Zudem sei sie in der genannten Zeit alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin gewesen.

Anhand der angeführten Beweisergebnisse ergebe sich somit, dass die Beschwerdeführerin - "wenn auch nicht unbedingt in bedeutendem Umfang" - für die T.-GmbH tätig geworden sei. Angesichts der Art der von den Zeugen geschilderten Tätigkeiten sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin in der Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin fungiert habe. Tätigkeiten als gewerberechtliche Geschäftsführerin oder Prokuristin hätten sich nicht erweisen lassen.

Zur Frage der Gewinnerzielungsabsicht hielt die belangte Behörde fest, bei der Absicht, Einkünfte zu erzielen, handle es sich um ein inneres Motiv, das einer objektiven Beurteilung nicht zugänglich sei. Es könnten daher bei der Prüfung dieser Frage nur äußere Umstände herangezogen werden, die auf das Vorliegen einer derartigen Absicht schließen ließen. Schon alleine die Entfaltung von Tätigkeiten an sich ließe die Absicht unterstellen, dass damit ein wirtschaftlicher Vorteil lukriert werden solle. Jede andere Sichtweise sei lebensfremd. Im Falle der Beschwerdeführerin könne nichts anderes gelten, zumal schon die von ihr außer Streit gestellte Verwendung eines auf das Unternehmen angemeldeten Mobiltelefons für Privatgespräche unzweifelhaft einen wirtschaftlichen Vorteil (Ersparnis von Telefonkosten) darstelle. Im Hinblick auf die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft und auf die Stellung der Beschwerdeführerin als geschäftsführende Gesellschafterin sei daher dem äußeren Anschein nach von einer Erwerbsmäßigkeit auszugehen. Zusammenfassend lasse sich somit feststellen, dass die Beschwerdeführerin zu einem zumutbaren Erwerb fähig gewesen sei und ihn auch ausgeübt habe.

Bei der Tätigkeit als handelsrechtliche Geschäftsführerin handle es sich um für die Beschwerdeführerin zumutbare Tätigkeiten, da ihre Ausübung ausgehend von ihrer Verwendung bei der Stadt Wien als Kanzleibeamtin keinen sozialen Abstieg bedeute. Da eine Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin oder Prokuristin nicht erweisbar gewesen sei und die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin mit Ablauf des 13. Juli 1996 geendet habe, sei der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführte Zeitraum entsprechend einzuschränken gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 und § 10 Abs. 2 der Pensionsordnung 1995, LGBl. für Wien Nr. 67, (PO 1995), lauten in der im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung:

"§ 9. Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so ist ihm aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand der Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch ein Zeitraum von 10 Jahren, zu seiner ruhegenussfähigen Dienstzeit zur Stadt Wien zuzurechnen.

§ 10. (1) ...

(2) Ist der Beamte wieder zu einem zumutbaren Erwerb fähig geworden und übt er ihn aus, so ruht auf die Dauer der Erwerbstätigkeit die durch Maßnahmen nach § 9 und nach Abs. 1 bewirkte Erhöhung des Ruhegenusses. Das Ruhen endet mit dem Ablauf des Monats, in dem der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet.

..."

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Nichtruhen der Erhöhung des Ruhegenusses verletzt. Zusammenfassend wendet sie sich im Wesentlichen gegen die Ansicht der belangten Behörde, sei habe im fraglichen Zeitraum als handelsrechtliche Geschäftsführerin der T.- GmbH eine (zumutbare) Erwerbstätigkeit ausgeübt.

Strittig ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. März bis 13. Juli 1996 zu einem zumutbaren Erwerb fähig war und diesen auch ausgeübt hat und ob demnach die Ruhensbestimmung des § 10 Abs. 2 PO 1995 zu Recht zur Anwendung gelangt ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0144) bedeutet Erwerbsfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Die Erwerbsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen. Es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Sie setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben allgemein notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist. Die nach der vorzitierten Rechtsprechung für das Vorliegen der Erwerbsfähigkeit erforderliche "Einsatzfähigkeit" des in Ruhestand versetzten Beamten für irgendeine Beschäftigung des allgemeinen Arbeitsmarktes setzt aber auch voraus, dass der Beamte auf Grund seines Gesundheitszustandes in der Lage ist, die Umstellung von seiner bisherigen (durch die Ruhestandsversetzung beendeten) Tätigkeit auf irgendein neues berufliches Aufgabengebiet zu verkraften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2003, Zl. 2002/12/0256).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der dem § 9 PO 1995 vergleichbaren Bestimmung des § 9 Abs. 1 PG (in der Fassung BGBl. Nr. 426/1985) ausgesprochen, dass die Dienstbehörde in Ansehung der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Grund eines nachvollziehbaren und schlüssigen Sachverständigengutachtens festzustellen hat, welche Erwerbstätigkeiten (Berufe) der Beamte auf Grund der ihm verbleibenden Leistungsfähigkeit noch ausüben kann. Dies setzt weiters eine berufskundliche Beurteilung voraus und muss in einer die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise begründet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0150).

In Ansehung des dem § 4 Abs. 4 Z. 3 PO 1995 vergleichbaren § 4 Abs. 4 Z. 3 PG (in der Fassung BGBl. I Nr. 123/1998) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, maßgebend für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist, ob der Beamte im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt einsatzfähig ist. In diesem Zusammenhang ist eine medizinisch hinreichende Abklärung der für die Erwerbsfähigkeit wesentlichen Frage der auf Grund der bestehenden Leiden zu erwartenden "Krankenstände" bzw. der auf Grund der bestehenden Leiden in Verbindung mit einer Erwerbsfähigkeit gegebenen objektiven Schmerzzustände erforderlich (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. September 2002).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann zunächst allein aus dem - im Beschwerdefall unstrittigen - Umstand, die Beschwerdeführerin sei (auch) nach ihrer Ruhestandsversetzung als handelsrechtliche Geschäftsführerin der T.-GmbH bestellt gewesen, nicht auf ihre Fähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb im Sinne des § 9 PO 1995 geschlossen werden (vgl auch dazu das Erkenntnis vom 25. September 2002).

Der Umstand, dass sie im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung und danach durch eine geraume Zeit als handelsrechtliche Geschäftsführerin bestellt war und - nach den Feststellungen der belangten Behörde - damit einhergehende Aufgaben in bestimmtem Umfang auch faktisch besorgt haben soll, wäre grundsätzlich geeignet, Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 PO 1995 hervorzurufen. Allerdings hätte die belangte Behörde mängelfreie Feststellungen über Art und Umfang der von der Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (in Form der Beschreibung eines Tagesablaufes) zu treffen gehabt. Wenn der belangten Behörde derart der Nachweis gelänge, dass die Beschwerdeführerin eine zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 9 PO 1995 tatsächlich ausgeübt habe, träfe die Beschwerdeführerin eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Darlegung der Gründe, weshalb sie zur Ausübung dieser Tätigkeit aus medizinischer Sicht nicht im Stande wäre.

Nach dem Vorgesagten hat die belangte Behörde offenbar ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung nicht die erforderlichen Erhebungen vorgenommen und Feststellungen getroffen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand zu nehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 18. Dezember 2003

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000120030.X00

Im RIS seit

09.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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