TE Vwgh Beschluss 2003/12/18 2003/08/0240

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über den Antrag 1. der Dr. H in W, 2. des Dr. F in K,

3. der W Rechtsanwälte GmbH in W, Erst- und Zweitantragsteller vertreten durch die Drittantragstellerin, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die teilweise Unterlassung der Mängelbehebung im hg. Beschwerdeverfahren 2003/08/0143, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juli 2003, 2003/08/0143-2, wurden die Antragsteller aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 17. März 2003 in mehreren Punkten zu ergänzen. Gleichzeitig erging der Auftrag, drei weitere Ausfertigungen der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beizubringen. Zu diesem Zwecke wurde die Urschrift der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde dem Auftrag angeschlossen. Der Auftrag erhielt den Hinweis, dass die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde wieder vorzulegen ist.

Innerhalb der gesetzten Frist brachten die Antragsteller einen ergänzenden Schriftsatz ein, dem drei Ausfertigungen der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, nicht aber die zurückgestellte Urschrift angeschlossen waren. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2003, 2003/08/0143, wurde daher das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt.

Mit dem vorliegenden Schriftsatz beantragen die Antragsteller, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung zu bewilligen. Darin führen sie aus, ihre Vertreterin (offenbar die Erstantragstellerin) habe bei Unterfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes kontrolliert, ob die im Beilagenverzeichnis angeführten Schriftstücke auch tatsächlich beigelegt seien. Die Urschrift der Verfassungsgerichtshofbeschwerde sei zwar nicht extra im Beilagenverzeichnis angeführt gewesen, jedoch sei sie bei Unterschrift durch die Vertreterin dem Schriftsatz angeschlossen gewesen. Die Vertreterin habe daher das Beilagenverzeichnis nicht abgeändert. Es sei "kanzleiinterner Brauch", dass die Schriftsätze samt der erforderlichen Anzahl von Beilagen dem zuständigen Rechtsanwalt so vorgelegt werden, dass dieser die Möglichkeit habe, die Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen zu überprüfen, bevor er die Eingabe unterschreibe. Nach Unterfertigung durch den Rechtsanwalt werde die Eingabe üblicherweise "genauso wie sie in der Unterschriftsmappe vorgefunden wird", von einer der Kanzleileiterinnen nach Erstellung einer Kopie für den Handakt in einen Briefumschlag gesteckt und frankiert. Wenn nämlich eine Eingabe bereits zur Abfertigung zusammengestellt sei, gehe die Kanzleikraft im Regelfall davon aus, dass die Beilagen und Anzahl der Ausfertigungen durch den zuständigen Rechtsanwalt überprüft worden seien und daher keiner weiteren Überprüfung bedürfen. Aus diesem Grund habe sich die Vertreterin darauf verlassen können, dass die im Rubrum nicht angeführte Originalbeschwerde nicht mehr aus dem Beilagenkonvolut entfernt werden würde. Auf Grund eines Versehens sei jedoch die Originalbeschwerde beim Kuvertieren irrtümlich nicht beigeschlossen worden. Welche der Kanzleikräfte an diesem Tag für die Abfertigung der gegenständlichen Beschwerde verantwortlich gewesen sei, habe nicht mehr eruiert werden können. Die Kanzleiangestellten seien jedoch allesamt erfahrene Sekretärinnen, die schon seit Jahren in der Kanzlei der Vertreterin beschäftigt seien. Alle seien zuverlässig und ihnen seien die Kanzleiabläufe und die Arbeitsweisen der verschiedenen Rechtsanwälte genau bekannt. Sie arbeiteten gewissenhaft und sorgfältig. Jede der Kanzleikräfte sei auch mit der Postabfertigung vertraut. Am gegenständlichen Tag seien jedoch nicht wie üblich vier, sondern lediglich drei Sekretärinnen in der Kanzlei anwesend gewesen. Es könne daher sein, dass auf Grund des Ausfalles einer Angestellten und der Aufteilung ihrer Arbeit auf die übrigen diese überlastet gewesen seien und daher bei der Kuvertierung die Originalbeschwerde übersehen haben. Die Vertreterin habe die Abfertigung des Schriftsatzes nicht persönlich überwacht.

Diese Sachverhaltsdarstellung wird durch eine eidesstättige Erklärung der Erstantragstellerin bescheinigt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung ist dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten.

Für die Erfüllung eines Auftrages zur Behebung der einer Beschwerde anhaftenden Mängel Vorsorge zu treffen, ist eine den Parteienvertreter selbst treffende Verpflichtung im Rahmen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluss vom 10. Oktober 1996, 96/15/0191). Im vorliegenden Fall trägt der von einer Mitarbeiterin der Vertreterin vorbereitete und von dieser unterfertigte Verbesserungsschriftsatz - soweit hier von Bedeutung - den Hinweis "Beschwerde an den VfGH vom 1.5.2003 (3- fach)". Die Ausfertigung des Schriftsatzes erfolgte auch entsprechend diesem Vermerk.

Die Antragsteller führen nunmehr aus, ihrer Vertreterin sei aufgefallen, dass dieser Vermerk dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht entsprochen habe. In der Unterschriftsmappe sei jedoch entsprechend einem kanzleiinternen Brauch auch die zurückzustellende Urschrift der Verfassungsgerichtshofbeschwerde enthalten gewesen. Die Kanzleikräfte gingen im Regelfall davon aus, dass die Eingabe, so wie in der Unterschriftsmappe vorgefunden, abgefertigt werde. Die Vertreterin habe sich daher darauf verlassen können, dass die, im Beilagenvermerk zwar nicht angeführte, Originalbeschwerde trotzdem nicht mehr aus dem Beilagenkonvolut entfernt werden würde.

Unter diesen geschilderten Umständen ist der Vertreterin der Antragsteller ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten. Obwohl sie erkannt hat, dass das Beilagenverzeichnis nicht dem Mängelbehebungsauftrag entspricht, hat sie weder eine Korrektur des Beilagenverzeichnisses vorgenommen noch die ausdrückliche Weisung erteilt, alle im Akt erliegenden Beilagen zur Post zu geben. Auch eine generelle diesbezügliche Weisung wird nicht einmal behauptet. Die Behauptung der Antragsteller, ihre Vertreterin habe sich darauf verlassen können, dass die Kanzleikraft im Regelfall alle in der Unterschriftenmappe erliegenden Beilagen zur Abfertigung bringe, macht das Verschulden ihrer Vertreterin deutlich. Durch die Unterlassung der Korrektur des als unrichtig erkannten Beilagenverzeichnisses hat sie bezüglich der in der Kanzlei "üblichen" Vorgangsweise eine unklare Lage geschaffen, in der ein "Fehler" der Kanzleikraft (im Verhältnis zum "Üblichen") geradezu zu erwarten war.

Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 18. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003080240.X00

Im RIS seit

12.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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