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E000 EU- Recht allgemein;Norm
21964A1229(01) AssAbk Türkei Art9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des am 15. März 1980 geborenen Y Y in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottengeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 2001, Zl. 115.987/39-III/11/01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 15. März 1980 geborene Beschwerdeführer beantragte erstmals am 13. September 1994 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege der österreichischen Botschaft Pressburg die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 1996 gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG abgewiesen.
Ein am 5. Dezember 1995 - gleichfalls im Wege der österreichischen Botschaft Pressburg - gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. April 1996 gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG abgewiesen.
Am 4. November 1996 langte ein weiterer, durch einen Familienangehörigen bei der österreichischen Botschaft in Ankara am 23. Oktober 1996 überreichter, Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG beim Landeshauptmann von Wien ein. Als Aufenthaltszweck waren "Familiengemeinschaft mit Fremden", und zwar mit dem namentlich angeführten Vater, sowie die Rubrik "Privater Aufenthalt" angekreuzt. In der Rubrik "Besonders zu berücksichtigende Gründe für die Familienzusammenführung" war vermerkt: "Um gemeinsam zu leben".
Der Bundesminister für Inneres wies diesen Antrag im Instanzenzug mit Bescheid vom 25. Februar 1999 gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 30. Juni 2000, B 551/99, aussprach, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden sei und den Bescheid aufhob. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, er habe mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, die in § 21 Abs. 3 FrG 1997 enthaltene Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig aufgehoben. Der Fall des Beschwerdeführers sei einem Anlassfall gleichzuhalten. Die belangte Behörde habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet; nach Lage des Falles sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig gewesen sei.
Die Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes in dem genannten Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, dass die in § 21 Abs. 3 FrG 1997 enthaltene Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig aufgehoben werde, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, wurden mit der am 3. August 2000 ausgegebenen Kundmachung BGBl. I Nr. 66/2000 verlautbart.
Am 1. Jänner 2001 trat § 21 Abs. 3 FrG 1997 idF. BGBl. I Nr. 134/2000 in Kraft. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 15. Lebensjahres beschränkt. Dasselbe gilt für den Familiennachzug quotenpflichtiger Drittstaatsangehöriger, der nicht gemäß Abs. 2 erfolgte."
Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid vom 29. Juni 2001 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 7 Abs. 3 FrG 1997 statt und änderte den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. März 1998 dahingehend ab, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privat" bis 28. Juni 2002 erteilt wurde. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe die Behörde von Amts wegen die vom Antragsteller ins Treffen geführten Gründe für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - das Vorliegen dieser Gründe vorausgesetzt - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck (im konkreten Fall des privaten Aufenthaltes) zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln. Die Behörde sei somit gehalten, in Anwendung der §§ 8 und 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen sei. Nach Wiedergabe des § 21 Abs. 3 FrG 1997 idF. BGBl. I Nr. 134/2000 führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer das 15. Lebensjahr vollendet habe; die Bestimmung des § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei somit auf seine Person nicht anzuwenden. Die belangte Behörde habe daher eine Entscheidung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu treffen. Auf Grund dieser Judikatur und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich gewesen, dass nunmehr sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privat" gegeben seien. Darüber hinaus lägen auch keine weiteren Versagungsgründe gemäß den §§ 10 und 12 FrG 1997 vor. Die Behörde erster Instanz sei daher angewiesen worden, dem Beschwerdeführer eine dem Spruch entsprechende Niederlassungsbewilligungsvignette im Reisedokument anzubringen. Der Zweck der Niederlassungsbewilligung ergebe sich zwingend aus § 4 Abs. 2 Z. 7 FrG - DV. Deren Gültigkeitsdauer ergebe sich aus § 19 Abs. 6 FrG 1997 und betrage somit höchstens ein Jahr.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Aus Anlass der vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in § 21 Abs. 3 FrG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 134/2000 enthaltenen Wortfolge "vor Vollendung des 15. Lebensjahres" ein. Mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2002, G 348/01, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die vorgenannte Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde. In weiterer Folge lehnte er mit Beschluss vom 5. Dezember 2002, B 1151/01, die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Zur Entwicklung der österreichischen Rechtslage:
Am 1. Juli 1993 trat das Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992 (AufG), in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes benötigten Fremde ab dessen Inkrafttreten zur Begründung eines Hauptwohnsitzes grundsätzlich eine besondere Bewilligung.
§ 3 Abs. 1 AufG räumte ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von im Inland niedergelassenen Fremden unter näher umschriebenen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, welcher jedoch weiters voraussetzte, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag. Die Durchsetzung dieses Rechtsanspruches war darüber hinaus vom Vorhandensein eines freien Quotenplatzes abhängig.
Mit 1. Jänner 1998 trat das Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - in Kraft.
§ 18 Abs. 1 Z. 3, § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 3, § 23 Abs. 1, § 30 Abs. 3 und § 112 FrG 1997 in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft gestandenen Fassung lauten (auszugsweise):
"§ 18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligung festzulegen, die
...
3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,
höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). ...
...
§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12).
...
§ 21. ...
(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 15. Lebensjahres beschränkt. ...
§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des zweiten Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...
...
§ 30. ...
(3) Niedergelassene, sichtvermerkspflichtige Drittstaatsangehörige, die auf Grund eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbares Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen, haben nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, Bundesgesetzes oder Rechtsaktes Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
II. Zu den maßgeblichen Normen des Europarechtes:
Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation. Art. 9 dieses Abkommens lautet:
"Artikel 9
Die Vertragsparteien erkennen an, dass für den Anwendungsbereich des Abkommens unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die möglicherweise auf Grund von Artikel 8 noch erlassen werden, dem in Artikel 7 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft verankerten Grundsatz entsprechend jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist."
Am 23. November 1970 wurde von den Vertragsteilen ein Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen geschlossen. Art. 41 Abs. 1 dieses Zusatzprotokolles (im Folgenden: ZP) lautet:
"Artikel 41
(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen."
Entsprechend seiner Art. 62 und 63 Abs. 2 ist das in Rede stehende Zusatzprotokoll am 1. Jänner 1973 in Kraft getreten (vgl. die Schlussanträge des Generalanwaltes La Pergola vom 25. November 1999 in der Rechtssache C-37/98, The Queen gegen Secretary of State for the Home Department ex parte: Abdulnasir Savas, Rz 3).
Gestützt auf das Abkommen vom 12. September 1963 erließ der durch dieses Abkommen eingerichtete Assoziationsrat am 19. September 1980 den Beschluss Nr. 1/80 (im Folgenden: ARB). Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 13 dieses Beschlusses lauten:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
...
Artikel 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
-
haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
-
haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
...
Artikel 13
Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."
Der mittlerweile aufgehobene Art. 237 EGV lautete:
"Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Er richtet seinen Antrag an den Rat; dieser beschließt einstimmig, nachdem er die Stellungnahme der Kommission eingeholt hat. Die Aufnahmebedingungen und die erforderlich werdenden Anpassungen dieses Vertrages werden durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifizierung durch alle Vertragstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften."
III. Zur Berechtigung der vorliegenden Beschwerde:
Zunächst ist festzuhalten, dass im angefochtenen Bescheid das Geburtsdatum des Beschwerdeführers offensichtlich irrtümlich mit "10.7.1984" angegeben wurde. Dieser wurde - unstrittig - am "15.3.1980" geboren.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, seiner zu B 551/99 protokollierten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 1999 sei die Anlassfallwirkung zuteil geworden. Die belangte Behörde hätte daher nunmehr auf Grund der bereinigten Rechtslage entscheiden müssen. Durch die Aufhebung der Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" im § 21 Abs. 3 FrG 1997 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000, G 16/00, habe diese Bestimmung keine Altersklausel mehr gekannt. Bei der neuerlichen Bescheiderlassung hätte die belangte Behörde daher das Gesetz in dieser bereinigten Fassung anzuwenden gehabt.
Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, als im Hinblick auf die in seinem Fall gegebene Anlasswirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf ihn zunächst die bereinigte Rechtslage anzuwenden gewesen wäre. Mit 1. Jänner 2001 trat jedoch § 21 Abs. 3 idF. BGBl. I Nr. 134/2000 in Kraft. Diese Bestimmung war daher für die belangte Behörde, die die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides anzuwenden hatte, maßgeblich. Diese "Nachfolgebestimmung" wurde - wie eingangs dargestellt - vom Verfassungsgerichtshof auch nicht als verfassungswidrig erkannt.
Mit seinem weiteren Vorbringen macht der Beschwerdeführer geltend, der von der belangten Behörde gewählte Aufenthaltszweck "Privatier" statt "Familiengemeinschaft mit Ausländern" beraube den Zweck der Regelung des Art. 7 ARB 1/80, nämlich die Zusammenführung der Familien türkischer Arbeitnehmer und die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet, insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK, völlig seiner Substanz. Es werde ihm unmöglich gemacht, sich auf diese Bestimmung zu berufen, weil er als über 15-Jähriger gar nicht die Möglichkeit bekomme, eine Berufsausbildung in Österreich abzuschließen und sich dadurch auf Stellenangebote bewerben zu dürfen. Die Altersklausel des § 21 Abs. 3 FrG 1997 verstoße gegen EU-Recht und gegen den Geist des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei und des ARB Nr. 1/80 und sei deswegen unbeachtlich. Wegen "EU-Rechtswidrigkeit" des § 21 Abs. 3 FrG 1997 hätte ihm daher eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" erteilt werden müssen.
Unter Bezugnahme auf Art. 13 des ARB Nr. 1/80 bringt der Beschwerdeführer weiter vor, dass diese Regelung ein Verschlechterungsverbot hinsichtlich bereits in Österreich befindlicher türkischer Arbeitnehmer, wozu auch sein Vater zähle, enthalte. Sein Vater sei bereits seit Anfang der 90iger Jahre, jedenfalls aber bereits vor Inkrafttreten des FrG 1997, in Österreich ordnungsgemäß aufhältig und beschäftigt. Das dem FrG 1997 vorangegangene AufG BGBl. Nr. 466/1992 habe keine Altersklausel gekannt, wie sie das FrG 1997 in seinem § 21 Abs. 3 eingeführt habe. Dieser "rechtliche Mechanismus" sei mit dem FrG 1997 nach dem Wirksamwerden des ARB Nr. 1/80 für Österreich eingeführt worden und verstoße daher gegen dessen Art. 13.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde wertete den Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1996 aus folgenden Erwägungen zutreffend als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung:
Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über einen Aufenthaltstitel. Die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung in Anwendung des § 23 FrG 1997 kam daher nicht in Betracht. Dem Beschwerdeführer wäre allerdings gemäß § 30 Abs. 3 FrG 1997 ein weiterer Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn er auf Grund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen würde. Im Hinblick auf sein Vorbringen, sein Vater erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80, käme in diesem Zusammenhang Art. 7 ARB 1/80 in Betracht. Die in der letztgenannten Bestimmung verankerten Rechte stehen einem Familienangehörigen eines türkischen Arbeitsnehmers jedoch nur dann zu, wenn dieser die Genehmigung erhalten hat, zu ihm zu ziehen. Eine solche Genehmigung liegt jedoch unstrittig nicht vor.
Die belangte Behörde hat vorliegendenfalls die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 3 FrG 1997 idF. BGBl. I Nr. 134/00 auf den Beschwerdeführer deshalb verneint, weil dieser bereits das 15. Lebensjahr vollendet habe, weshalb eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft" nicht zu erteilen sei.
Mit seinem wiedergegebenen Vorbringen vertritt der Beschwerdeführer jedoch die Auffassung, der Anwendung des § 21 Abs. 3 FrG 1997 stehe in seinem Fall Europarecht entgegen.
Insoweit sich der Beschwerdeführer zunächst auf Art. 13 ARB 1/80 beruft, ist ihm zu entgegnen, dass diese Bestimmung zwar unmittelbar anwendbar ist, jedoch nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur jene Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen begünstigt, deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates ordnungsgemäß sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2001, Zl. 2000/19/0029). Von einem ordnungsgemäßen Aufenthalt des Beschwerdeführers, der noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, kann aber keine Rede sein.
Was das vom Beschwerdeführer behauptete "Verschlechterungsverbot" betrifft, ist Folgendes auszuführen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem vorerwähnten Erkenntnis, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat, verbietet Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls die Einführung neuer nationaler Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Aufenthaltsrechts der türkischen Staatsangehörigen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls im Aufnahmemitgliedstaat. Das in Rede stehende Zusatzprotokoll ist gegenüber Österreich mit dem EU-Beitritt, also am 1. Jänner 1995, in Kraft getreten. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass § 3 Abs. 1 des zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehenden AufG BGBl. Nr. 466/1992, einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug den (ehelichen und außerehelichen) minderjährigen Kindern einräumte. Eine Altersklausel, wie sie § 21 Abs. 3 FrG 1997 enthält, kannte diese Bestimmung nicht. Insofern ist tatsächlich eine Verschlechterung für Minderjährige, die bereits das 15. Lebensjahr vollendet haben, eingetreten.
Auf dieses Verschlechterungsverbot kann sich jedoch der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits das 21. Lebensjahr vollendet hatte, also nicht mehr minderjährig war, nicht berufen. Im vorliegenden Fall steht daher Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nur für den Aufenthaltszweck "Privat" nicht entgegen.
Insoweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass Art. 6 und 7 ARB 1/80 der vorliegenden Entscheidung entgegenstehen sollten, ist wiederum auf die diesbezüglichen ausführlichen Erwägungen im vorzitierten Erkenntnis vom 16. Februar 2001 zu verweisen.
Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Privat" kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Dezember 2003
Gerichtsentscheidung
EuGH 61998J0037 Savas VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002120093.X00Im RIS seit
20.01.2004Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015