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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §22 Z2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2000/08/0150 E 18. Februar 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. März 2000, Zl. 120.923/3-7/99, betreffend Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Im Rahmen des Dienstverhältnisses ist er als Personalvertreter tätig und darüber hinaus ist er Funktionär der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten.
Durch Beschlüsse der zuständigen Gewerkschaftsorgane wurde er in verschiedene Aufsichtsräte entsandt. In der Versicherungserklärung für selbständig Erwerbstätige nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG vom Mai 1998 gab er an, diese Tätigkeit seit 1987 auszuüben; er bezifferte die Einkünfte im Beitragsjahr mit voraussichtlich mehr als S 88.800,--.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat ab dem 1. Jänner 1998 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliege. In der Begründung wurde zunächst das Verwaltungsgeschehen dargestellt und sodann die zur Anwendung gelangenden Gesetzesstellen auszugsweise wiedergegeben. Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, der unstrittige Sachverhalt sei rechtlich wie folgt zu beurteilen:
§ 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG setze das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit sowie die Erzielung von Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 (§§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23) sowie das Nichtvorliegen einer anderweitigen Pflichtversicherung für diese Tätigkeit voraus. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1983, 82/14/0281) charakterisiere sich die selbständige Ausübung einer Tätigkeit dadurch, dass sie auf eigene Rechnung und Gefahr erfolge. Eine Tätigkeit, bei der eine natürliche Person das Unternehmerrisiko trage, vollziehe sich nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft oder Genossenschaft nicht weisungsgebunden sei. Es sei nicht wie ein Arbeitnehmer in die Gesellschaft/Genossenschaft eingebunden. Es überwache von einer gesellschaftsunabhängigen Position aus deren Geschäftstätigkeit. Seine Tätigkeit sei daher als eine selbständige zu qualifizieren.
Liege ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid vor, der für die zu beurteilende Tätigkeit eine Steuerpflicht im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 vorsehe, sei der Sozialversicherungsträger gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG an diese Entscheidung gebunden. Liege noch keine rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörde vor, sei die Beurteilung der Steuerpflicht als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG vorzunehmen.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, die "Aufsichtsratstätigkeit" sei nicht unter § 22 Z. 2 EStG 1988 zu subsumieren, weil es sich nicht um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handle, könne nicht gefolgt werden. Jede "Aufsichtsratstätigkeit" stelle prinzipiell eine vermögensverwaltende Tätigkeit im weiteren Sinne dar. Aufsichtsräte seien zur Kontrolle der Geschäftstätigkeit in Gesellschaften zu bestellen, die auf Gewinn oder zumindest, wie bei Genossenschaften, auf Förderung des Erwerbs ihrer Mitglieder ausgerichtet seien.
Der Ausschluss des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auf Grund des Eintritts einer anderen Pflichtversicherung für die betreffende Tätigkeit zeige, dass es sich bei dieser Bestimmung um einen Auffangtatbestand handle, der sämtliche Erwerbstätigkeiten einbeziehen solle, die die beiden vorhin genannten Kriterien erfüllten und keiner anderen Pflichtversicherung unterlägen.
Der Beschwerdeführer bestreite, in Ausübung seiner "Aufsichtsratstätigkeit" selbständig tätig zu sein, weil er für diese Tätigkeit keine Betriebsmittel verwende. Dem sei zu erwidern, dass der Begriff "betriebliche Tätigkeit" kein eigenständig zu prüfendes Kriterium des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sei. Es diene lediglich der Abgrenzung zur privaten Tätigkeit und zur Klärung der zeitlichen Dimension der Tätigkeit als Anknüpfungspunkt für die Feststellung von Beginn und Ende der Pflichtversicherung. Im Gegensatz zur privaten Tätigkeit trete bei der "betrieblichen Tätigkeit" der Tätige an einen (auch begrenzten) Kreis der Öffentlichkeit heran und biete seine Leistungen und Produkte an. Das betriebliche Tätigwerden ergebe sich somit schon aus der Entgeltlichkeit und der Pflicht, die erlangten Einkünfte entsprechend zu versteuern. An Betriebsmittel, wie etwa bei § 4 Abs. 4 ASVG, wo diese als Abgrenzungskriterium ausdrücklich erwähnt werden, sei der Begriff der betrieblichen Tätigkeit in keiner Weise gebunden. Es sei schon auf Grund des konstitutiven Merkmales der Erzielung von Einkünften gemäß den §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 zur Beurteilung des Begriffes der "betrieblichen Tätigkeit" der im Einkommensteuerrecht geprägte Betriebsbegriff heranzuziehen. Demnach stelle ein Betrieb die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit dar (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1988, 87/14/0040). In Einzelfällen seien die sachlichen Produktionsmittel auch vernachlässigbar. Demnach liege eine Betriebsführung in weiterem Sinne auch bei solchen selbständig Tätigen vor, die ansonsten keine weiteren Betriebsmittel benötigten (Gutachter, Aufsichtsräte, Vortragende, Berater, Dirigenten). Der Regierungsvorlage (zur 22. Novelle zum GSVG, 886 Blg NR XX. GP) sei zu entnehmen, dass von allen Erwerbsgruppen - die über bestimmten Einkommensgrenzen lägen - Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten seien. Um alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten zu erfassen, sollten bei den neu Einzubeziehenden nicht mehr berufsrechtliche Anknüpfungspunkte für eine Sozialversicherungspflicht maßgeblich sein, sondern das erzielte Einkommen. Die entsprechenden Bestimmungen orientierten sich daher am Einkommensteuergesetz 1988. Aus diesen Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass mit der Formulierung der "betrieblichen Tätigkeit" keine Einschränkung erfolgen solle. Damit sei lediglich an einkommensteuerrechtliche Regelungen angeknüpft worden und komme dieser Formulierung für Beginn und Ende der Pflichtversicherung Bedeutung zu. Lehre und Rechtsprechung lehnten - mit Ausnahme von Schrank (ASoK 1997, 374) - überwiegend eine einschränkende Auslegung ab. Mit erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten würden somit auch dann Einkünfte gemäß den §§ 22 und 23 EStG erzielt, wenn keine wesentlichen Betriebsmittel vorliegen. Eine einschränkende Interpretation des Begriffes der betrieblichen Tätigkeit würde dazu führen, dass die selbständig Tätigen, die ohne wesentliche Betriebsmittel und nicht in Form eines freien Dienstvertrages im Sinne des ASVG arbeiten, von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen wären. Eine derartige Auslegung stünde der Absicht des Gesetzgebers diametral entgegen. Eine Auslegung des Begriffes der "betrieblichen Tätigkeit" in der Hinsicht, dass die Verwendung von Betriebsmitteln ein notwendiges Kriterium darstelle, würde letztlich zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, weil es keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, selbständig tätige Personen, die zur Ausübung keine Betriebsmittel benötigten und nur ihr Wissen, ihre Erfahrung und Arbeitskraft einbringen, wie etwa Aufsichtsratsmitglieder und bestimmte Gutachter, im Gegensatz zu solchen Erwerbstätigen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit bestimmte Betriebsmittel verwenden, hinsichtlich ihrer Versicherungspflicht auf Grund dieser Tätigkeit anders zu behandeln. Nach dem Sinn der Bestimmung sollten grundsätzlich alle selbständigen Tätigkeiten, soweit sie nicht bereits nach einem anderen Gesetz versicherungspflichtig seien, in die Versicherungspflicht einbezogen werden. Auch wenn der Beschwerdeführer für die Ausübung seiner Tätigkeit keine Betriebsmittel benötige, überwiege die Selbständigeneigenschaft. Ein Aufsichtsratsmitglied erhalte für seine Leistungen eine Aufwandsentschädigung. Dabei handle es sich um Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. In der Regel seien zur Ausübung der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes außer der Einbringung seiner speziellen Kenntnisse und seiner Erfahrung keine Betriebsmittel notwendig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, das sozialversicherungsrechtliche Pensionssystem stelle seinem Wesen entsprechend auf die Anknüpfung an eine Betätigung ab, welche nachhaltig sei und sich gewöhnlich sogar über die Gesamtzeit des Erwerbslebens erstrecke. Dies komme im Regelerfordernis von 15 Versicherungsjahren als Grundlage für einen Pensionsanspruch unmittelbar zum Ausdruck. Daraus gehe zunächst hervor, dass es im Gesetzessinn absolut nicht geboten sein könne, dass eine Aufsichtsratsfunktion mit entsprechenden Zahlungen ein Tatbestand sei, der die Versicherungspflicht begründe.
Einkommensteuerrechtlich sei es selbstverständlich, dass auch Vorgänge erfasst würden, die einmalig seien oder relativ selten vorkämen, sich jedenfalls nicht auf längere Zeiträume erstreckten. Die einkommensteuerrechtliche Betrachtungsweise umfasse gewöhnlich nicht mehr als ein Jahr. Der Gesetzeswortlaut besage, dass unter der Voraussetzung des Vorliegens einer betrieblichen Tätigkeit sodann hinsichtlich des Begriffes der Einkünfte die einkommensteuerrechtliche Regelung maßgeblich sei. § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sehe das Erfordernis einer betrieblichen Tätigkeit als Grundlage für die Einkünfte im Sinne des EStG 1988 ausdrücklich vor. Dieses Erfordernis könne auch nicht durch Hinweise auf die Gesetzesmaterialien weginterpretiert werden. Zu diesem Ergebnis kämen auch Schrank in ASoK, 1997, 374, sowie Schrank/Grabner, Werkverträge und freie Dienstverträge (2. Auflage, 56 ff).
Der belangten Behörde könne auch nicht gefolgt werden, dass alle aus Tätigkeiten fließenden Einkünfte pensionsversicherungsrechtlich erfasst werden sollten. Auch unter den sonstigen Einkünften gemäß § 29 EStG seien solche enthalten, die aus Tätigkeiten resultierten, die ganz entschieden berufsähnlicher und nachhaltiger seien als die Aufsichtsratstätigkeit, nämlich die Funktionsgebühren nach Z. 4 dieser Bestimmung. Dem gemäß spreche auch der gleichheitsrechtliche Schutz des Art. 7 B-VG gegen die Interpretation der belangten Behörde, weil kein sachbezogener Grund für die Schlechterstellung der Aufsichtsratsentschädigung gegenüber den Funktionsgebühren zu ersehen sei.
Der mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, (das unter Art. 8 die 22. Novelle zum GSVG enthält) und der 23. Novelle zum gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 139/1998, eingefügte, am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene (§ 273 Abs. 1 Z. 1 GSVG, bzw. § 276 Abs. 1 Z. 5 leg. cit.) § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mit Ausnahme des hier nicht in Betracht kommenden, mit 1. Jänner 2000 außer Kraft getretenen letzten Satzes) lautet wie folgt:
"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z. 5 oder Z. 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."
Mit dieser Bestimmung soll die Einbeziehung aller selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherung sichergestellt werden. Um alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten zu erfassen, wurde das erzielte Einkommen für maßgeblich erklärt. Die entsprechenden Bestimmungen orientieren sich daher am Einkommensteuergesetz 1988. In den EB zur RV, 886 Blg. NR XX. GP., ist neben diesen allgemeinen Ausführungen im Besonderen (Seite 107 f) ausgeführt worden:
"Künftig sollen im GSVG nicht nur die Mitglieder einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft bzw. bestimmte Gesellschafter von Gesellschaften, die Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind, pflichtversichert sein, sondern alle selbständig erwerbstätigen Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 erzielen. Ebenso sollen alle Gesellschafter, mit Ausnahme der Kommanditisten von der Pflichtversicherung erfasst werden.
Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG tritt nur dann ein, wenn nicht bereits auf Grund der zu prüfenden Tätigkeit eine Pflichtversicherung nach dem GSVG selbst oder einem anderen Sozialversicherungsgesetz eingetreten ist (bezogen auf die einzelnen Versicherungszweige). Durch den Terminus 'eingetreten ist' soll eine eindeutige Zuordnungsregelung dahingehend getroffen werden, dass eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nur dann nicht eintritt, wenn eine faktische (Beitragsvorschreibung) oder bescheidmäßige Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem ASVG (insbesondere § 4 Abs. 4 ASVG) vorliegt.
Zu dem Begriff betriebliche Tätigkeit wird Folgendes bemerkt:
Der Begriff 'betriebliche Tätigkeit' knüpft an den Betriebsbegriff i.S. einkommensteuerrechtlicher Regelungen an. Dies ergibt sich insbesondere aus der tatbestandsmäßigen Verbindung dieses Begriffes mit den Einkommenstatbeständen gemäß den §§ 22 und 23 EStG 1988: Die Begriffseinordnung ist im gegebenen Zusammenhang deswegen von Bedeutung, weil die Versicherungspflicht auf die 'betriebliche Tätigkeit' abstellt. Beginn und Ende der betrieblichen Tätigkeit sind für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht von Bedeutung.
Als Betrieb ist nach der Judikatur des VwGH zum Einkommensteuergesetz die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit zu verstehen (Erk. vom 18. Juli 1995, 91/14/0217). Der Betrieb wird mit der Herstellung der entsprechenden Strukturen begründet und besteht beim Versicherten so lange, bis die wesentlichen Grundlagen dieser Struktur entweder entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden oder diese Strukturen zerschlagen werden (Betriebsaufgabe, Liquidation; z. B. VwGH vom 11. November 1992, 91/13/0152). Das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes ist noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind (VwGH vom 10. Juli 1959, 1273/56). Tritt daher z.B. ein Vortragender immer wieder auf, so ist auch während jener Zeit eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, in denen er (vorübergehend) keine Vortragstätigkeit entfaltet. Dasselbe würde gelten, wenn jemand nur einmal jährlich für einige Wochen, das aber regelmäßig wiederkehrend, bei Festspielen tätig wird.
Einkünfte im Sinne des § 22 Z. 1 bis 3 und 5 EStG 1988 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Dazu zählen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, aus sonstiger selbständiger Arbeit, aus Gewinnanteilen der Gesellschafter von bestimmten Gesellschaften und der Veräußerungsgewinn.
§ 23 EStG 1988 regelt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Damit werden in Hinkunft auch Personen, die ihr Gewerbe ohne Gewerbeberechtigung ausüben, sozialversichert sein. Zu diesem Tatbestand muss weiters angemerkt werden, dass der steuerliche Begriff des 'Gewerbebetriebes' ein weiterer ist als jener des Gewerberechts. Demnach kann steuerrechtlich auch eine verbotene oder unsittliche Betätigung einen Gewerbebetrieb begründen und werden Einkünfte daraus sozialversicherungspflichtig sein. Ein Ausschluss dieser Gruppen wäre bei einer Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung im Hinblick auf die damit geschaffene umfassende Solidaritätsgemeinschaft sachlich nicht gerechtfertigt."
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Wortfolge "auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit" ein selbständiger Aussagewert gegenüber dem weiteren Tatbestandsmerkmal der Erzielung von Einkommen aus selbständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 zukommt. Diese Frage war in der Fachliteratur Gegenstand zahlreicher Abhandlungen. Schrank, ASoK 1997 374 ff, und Schrank/Grabner, Werkverträge und freie Dienstverträge, 2. Auflage, Seite 59 f, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, bejahen dies und sehen zwei Anwendungsbereiche: Die regelmäßige oder wesentliche Heranziehung eigener Mitarbeiter (z.B. bei freien Dienstverträgen) und die Beistellung wesentlicher eigener Betriebsmittel. Sie sind der Meinung, dass reine Aufsichtsratstätigkeiten und die Ausübung vergleichbarer gesellschafts-, genossenschafts- oder vereinsrechtlicher Funktionen nicht als versicherungspflichtige "neue Selbständigkeit" anzusehen sind, weil keines dieser beiden Merkmale vorliege.
Pöltner (RdA 1998, 316) hält fest, dass sich die Versicherungspflicht an der Einkommensteuerpflicht orientiere. Teilweise werde - wie z.B. von Schrank - versucht, über Interpretation den Kreis der versicherungspflichtigen Erwerbstätigen nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG dadurch zu reduzieren, dass man den Begriff der "betrieblichen Tätigkeit" als einschränkend verstehe "und damit bestimmte, nach §§ 22 und 23 EStG 1988 einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige aus der Sozialversicherungspflicht entlassen" wolle. Es sei aber keineswegs der sozialpolitische Wille gewesen, Erwerbstätige aus der Sozialversicherung auszuklammern. Es sei zuzugeben, dass dieser Begriff nur mäßig geglückt sei, gedacht sei er jedenfalls - eher im Gegensatz zur Auffassung von Schrank - in Anlehnung an steuerrechtliche Beurteilungen auch nur bei fallweise signifikanten Erwerbseinkommen einen kontinuierlichen Betrieb zu unterstellen, also ein manipulatives Unterlaufen der neuen Bestimmungen zu verhindern.
Runggaldier (ÖJZ 1998, 494) bemerkt zum Tatbestandsmerkmal der "betrieblichen Tätigkeit", die Neuregelung sei "nicht ohne Tücken und Probleme". Im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG würden die neuen Selbständigen als "selbständig erwerbstätige Personen (bezeichnet), die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 erzielen". Diese Formel sei entgegen ersten Interpretationsversuchen dahingehend auszulegen, dass es sich - entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Einkommensteuergesetz - um berufliche Tätigkeiten in Abgrenzung zu rein privaten Tätigkeiten handle. Darauf, ob bzw. in welchem Umfang der Betroffene Betriebsmittel einsetze bzw. eine unternehmerische Organisation betreibe, komme es hingegen nicht an. Dafür sprächen nicht nur die Gesetzesmaterialien, sondern auch eine teleologisch-systematische Interpretation der entsprechenden Vorschrift.
Mosler/Glück (RdW 1998, 78, 141) führen zur Auslegung des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG aus, es sei fraglich, ob sich aus der Formulierung "betriebliche Tätigkeit" eine Einschränkung des Geltungsbereiches des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG ergebe. Nach Schrank liege eine solche nur vor, wenn die Tätigkeit mit wesentlichen eigenen Betriebsmitteln ausgeübt werde. Diese Auffassung hätte zur Folge, dass freie Dienstnehmer ohne wesentliche Betriebsmittel, die von § 4 Abs. 4 ASVG nicht erfasst würden, weil sie die Dienstleistung nicht im Wesentlichen persönlich erbrächten, auch nicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG pflichtversichert seien. Das Gleiche würde für Zielschuldverhältnisse gelten, wenn keine betriebliche Struktur vorhanden sei. Nun sei zuzugeben, dass diese Auslegung nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG jedenfalls möglich sei und der Gesetzgeber durch die Formulierung "betriebliche Tätigkeit" unnötige Verwirrung produziert habe. Der Zweck der Regelung sei evident: Es sollte ein eigener Versicherungstatbestand für die Erwerbstätigen geschaffen werden, die unter keine andere Versicherungspflicht fielen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei auf das Einkommensteuerrecht Bezug genommen worden, das die Erwerbstätigkeit beinahe vollständig erfasse. Damit sollte letztendlich jede Erwerbstätigkeit, wenn sie gewisse Entgeltgrenzen übersteige, auch sozialversicherungspflichtig sein. Gerade für die Verweisung auf das Einkommensteuerrecht erweise sich der Begriff "betriebliche Tätigkeit" freilich als überflüssig, weil er dort keine Kategorie der Abgrenzung darstelle. Dies spreche zwar tatsächlich dafür, nicht alle Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 als sozialversicherungspflichtig anzusehen. Andererseits widerspreche dieses Ergebnis dem Zweck der Regelung und der in den Materialien zum Ausdruck kommenden historischen Absicht des Gesetzgebers. Es wäre völlig sachfremd und verfassungsrechtlich bedenklich, einen freien Dienstnehmer nur deshalb aus der Sozialversicherungspflicht herauszunehmen, weil er sich häufig vertreten lasse und über keine wesentlichen Betriebsmittel verfüge, obwohl alle anderen freien Dienstnehmer (nach ASVG oder GSVG) sozialversicherungspflichtig seien. Es gebe auch keinen vernünftigen Grund, Werkverträge aus der Sozialversicherung auszunehmen, weil sie nicht mit eigener betrieblicher Organisationsstruktur erbracht würden. Dabei werde es sich gerade um solche Personen handeln, die in der Regel dienstnehmerähnlich tätig und daher wesentlich schutzbedürftiger als "echte" Unternehmer seien. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG lasse es aber zu, den Zweck der Regelung zu berücksichtigen und sachfremde Ergebnisse zu vermeiden. Verstehe man den Begriff "betriebliche Tätigkeit" so, wie er offenkundig in den "EB RV" verstanden werde, stelle er keine Einschränkung des Verweises auf die steuerrechtlichen Einkünfte dar. Dies bedeute für die Anwendung in der Praxis, dass die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auch dann bestehe, wenn keine wesentlichen Betriebsmittel vorlägen.
Tomandl (ZAS 1998, 9) vertritt die Auffassung, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der betrieblichen Tätigkeit, auf die sich die Gesetzesmaterialien beriefen, verfolge nur den Zweck, Betriebsvermögen von Privatvermögen und Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben von privaten Einnahmen und Ausgaben zu unterscheiden. Im Sinne der Gesetzesmaterialien solle der Sozialversicherungspflicht daher nur jenes Einkommen unterliegen, das nicht der Privatsphäre angehöre. Die Versicherungspflicht der neuen Selbständigen werde daher wohl für jedes Erwerbseinkommen bestehen, das nicht der Privatsphäre zuzuordnen sei. Auf eine entsprechende Betriebsmittelausstattung komme es dabei nicht wesentlich an.
Die belangte Behörde folgte erkennbar der von Tomandl und der Mehrheit der zitierten Autoren vertretenen Auffassung.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an:
Die Kriterien der "neuen Selbständigkeit" werden im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG damit umschrieben, dass es sich (1) um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die (2) auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit (3) bestimmte Arten von Einkünften im Sinne des EStG 1988 beziehen. Der Gesetzgeber nimmt damit sowohl auf die selbständige Erwerbstätigkeit als auch auf die betriebliche Tätigkeit zweimal Bezug, einmal ausdrücklich und ein zweites Mal indirekt durch die Zitierung der §§ 22 und 23 EStG 1988. Im Beschwerdefall ist zu prüfen, ob der ausdrücklichen Erwähnung "auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit" eine eigenständige Bedeutung zukommt. Der Gesetzgeber bringt nicht ausdrücklich zum Ausdruck, was er darunter versteht. Nach den Gesetzesmaterialien wollte man damit am Betriebsbegriff des Einkommensteuerrechtes anknüpfen. Als Grund wird dafür genannt, dass die Versicherungspflicht auf die betriebliche Tätigkeit abstelle und Beginn und Ende der selben für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht von Bedeutung sei. Mit dem an sich unklaren, weil nicht definierten Begriff "betriebliche Tätigkeit" wird zunächst - wie Tomandl a.a.O. überzeugend vertritt - die betriebliche/berufliche Tätigkeit gegenüber privaten Tätigkeiten abgegrenzt. Die Frage der Betriebsmittelausstattung spielt hiebei keine entscheidende Rolle. Die Versicherungspflicht der "neuen Selbständigen" soll demnach für jedes Erwerbseinkommen bestehen, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist. Die Tätigkeit als Aufsichtsrat ist in diesem Sinne eine "betriebliche", weil sie sich als Teilnahme am allgemeinem Wirtschaftsleben darstellt und keinesfalls der Privatsphäre einer Person angehört.
Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer als Aufsichtsratsmitglied Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3, 5 und/oder 23 EStG 1988 erzielt. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 22 Z. 2 erster Teilstrich EStG 1988 kann nicht zweifelhaft sein, dass Einkünfte als Mitglied eines Aufsichtsrates als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit unter diese Bestimmung fallen.
Soweit der Beschwerdeführer auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Schlechterstellung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den Funktionären, die gemäß § 29 Z. 4 EStG 1988 Funktionsgebühren beziehen, hinweist, ist er darauf hinzuweisen, dass unter den Titel Funktionsgebühr im Sinne des § 29 Z. 4 EStG 1988 eine Vielfalt von Entschädigungen fallen. Diese Gesetzesstelle hat einerseits keine betriebliche Tätigkeit im Sinne der §§ 22 und 23 EStG 1988 zur Voraussetzung und umfasst andererseits die Entschädigung von Funktionären (in der Regel öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder von Vereinen), die - soweit sie nicht Dienstnehmer sind - im Rahmen freier Dienstverträge tätig werden und daher schon nach § 4 Abs. 2 oder nach § 4 Abs. 4 Z. 2 ASVG versicherungspflichtig sind.
Der Beschwerde gelingt es sohin nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Dezember 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080068.X00Im RIS seit
11.02.2004Zuletzt aktualisiert am
31.03.2009