TE Vfgh Erkenntnis 2000/6/30 B1945/98

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Veröffentlicht am 30.06.2000
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der in §21 Abs3 FremdenG 1997, BGBl I 75/1997, enthaltenen Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" mit E v 19.06.00, G16/00.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 27.000 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 1998 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, mit dem sein als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu wertender Antrag abgewiesen worden war, gemäß §§21 Abs1 bis 3 und 10 Abs2 Z1 und Abs3 FrG 1997 mit der Begründung abgewiesen, daß aufgrund erreichter Volljährigkeit (des zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Beschwerdeführers) der beantragte Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" nicht mehr zutreffe.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des §21 Abs3 FrG 1997, behauptet wird.

Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

2. Aus Anlaß der Beschwerde B2269/98 leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in §21 Abs3 FrG 1997, BGBl. I Nr. 75, enthaltenen Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" ein und hob diese Gesetzesstelle mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G16/00, als verfassungswidrig auf.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg.10.616/1985, 11.711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 19. Juni 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 18. Dezember 1998 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles von vornherein nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500 enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1945.1998

Dokumentnummer

JFT_09999370_98B01945_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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