Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1998 §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. B in W, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits, Rechtsanwälte Partnerschaft in 1010 Wien, Gonzagagasse 14, gegen den Bescheid des (durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 25. Juni 2002, Zl. B 56/02, betreffend Fondsbeitrag für das Jahr 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte - wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt - mit einem an die Ärztekammer für Wien gerichteten Schreiben vom 14. Dezember 1987 die Rückzahlung der "angesparten Fonds-Beiträge", weil er sich als Vorstand der Neurologischen Abteilung des X-Spitals in einem unkündbaren Verhältnis befinde und daher mit 16. Dezember 1987 seine Ordination als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie schließe. Er scheide somit aus der Alterversorgung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien aus.
In den Verwaltungsakten findet sich ein an die Ärztekammer für Wien gerichtetes Schreiben des Beschwerdeführers, datiert mit 12. Jänner 1988, des Inhaltes, dass der Beschwerdeführer "mit heutigem Tage" seine Privatpraxis wieder anmelde.
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 24. Februar 1988 (Beschlussdatum 26. Jänner 1988) wurde der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien von der "Mitgliedschaft" zum Wohlfahrtsfonds, mit Ausnahme der Todesfallbeihilfe, befreit. In der Begründung wird § 7 Abs. 1 der genannten Satzung wiedergegeben.
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Wien vom 26. April 2002 wurde der Fondsbeitrag des Beschwerdeführers für das Jahr 2001 mit EUR 9.685,03 festgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides wird dargelegt, wie die Bemessungsgrundlage berechnet wurde, und darauf hingewiesen, dass der Beitragssatz 15,8 v. H. der Bemessungsgrundlage betrage und der Fondsbeitrag für sechs Monate berechnet werde.
In der dagegen erhobenen Beschwerde an die belangte Behörde führte der Beschwerdeführer u. a. aus, er befinde sich nach wie vor in einem aufrechten unkündbaren Dienstverhältnis.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde ab und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde vom 26. April 2002.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 13. März 2003, B 1231/02- 8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien beschloss in ihrer Sitzung vom 12. Dezember 2000 folgende Änderung der Satzung:
"ARTIKEL I 1. § 7a hat zu lauten wie folgt:
Eine Befreiung nach § 7 Abs. 1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, wird mit Juli 2001 unwirksam, wenn eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Fondsmitglied zum Stichtag 1. Juli 2001 das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat."
Diese Bestimmung trat nach Art. II dieser Satzungsänderung mit 1. Juli 2001 in Kraft. Die in der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 12. Dezember 2000 beschlossene Satzungsänderung wurde von der Wiener Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 15. Juni 2001 genehmigt und in der Zeitschrift "doktorinwien" 9/2001 ordnungsgemäß kundgemacht.
Die Festsetzung des Fondsbeitrages gegenüber dem Beschwerdeführer für das Jahr 2001 (und zwar für ein halbes Jahr) basiert auf dieser Satzungsänderung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. April 2003, Zl. 2002/11/0257, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass die Bestimmung des § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, auf die der Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 24. Februar 1988 gestützt worden war, für die Befreiung von der Beitragspflicht unter anderem voraussetzte, dass das Fondsmitglied keine (freiberufliche) ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 (dieser Bestimmung entspricht nunmehr § 45 Abs. 2 ÄrzteG 1998) ausübt. Diese Voraussetzung fällt nachträglich weg, wenn der Arzt nach der Befreiung von der Beitragspflicht gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung eine solche ärztliche Tätigkeit aufnimmt. Ob dies im Beschwerdefall zutrifft, ist auf Grund der Unterlassung jeglicher Ermittlungen und des Fehlens diesbezüglicher Sachverhaltsfeststellungen nicht überprüfbar. Die Anwendung des § 7a der Satzung (in der oben wörtlich wiedergegebenen Fassung) setzt nämlich voraus, dass eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist, d.h. dass § 7a der Satzung dann nicht herangezogen werden kann, wenn der Wegfall der Voraussetzung bereits vor der Erlassung des die Befreiung aussprechenden Bescheides eingetreten ist (dies wäre hier der Fall, wenn der Beschwerdeführer bereits vor der Erlassung des Befreiungsbescheides seine freiberufliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat) oder die Voraussetzung für die Befreiung in Wahrheit nie bestanden hat (z.B. weil die freiberufliche Tätigkeit gar nicht aufgegeben wurde). In diesen Fällen wäre der Befreiungsbescheid rechtswidrig gewesen und hätte unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 3 AVG nach Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens, mit dem die Befreiung ausgesprochen wurde, beseitigt werden können. Für die Beurteilung des Beschwerdefalles kommt es somit entscheidend darauf an, ob und bejahendenfalls wann der Beschwerdeführer seine freiberufliche Tätigkeit beendet hat und wann er allenfalls eine bereits beendete freiberufliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat. Dazu wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren Ermittlungen durchzuführen und Feststellungen zu treffen haben.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/11/0086).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens bezieht sich auf den beanspruchten Ersatz der Umsatzsteuer, welche im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 19. Dezember 2003
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110094.X00Im RIS seit
02.02.2004