TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/22 2000/10/0168

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2003
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Gabriele Z in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) vom 31. August 2000, Zl. 18.326/02-IA8/00, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 15. September 1998 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz (BH) die Erteilung einer Bewilligung zur Rodung des Waldgrundstückes Nr. 42/46 der KG L. im Ausmaß von 1,4811 ha. Als Rodungszweck wurde u.a. das öffentliche Interesse an der Sicherheit für Leib und Leben der Bewohner angrenzender Wohnhäuser (Gefahrenabwehr) geltend gemacht. Nachdem durch ein Unwetter 85 % des Baumbestandes der betreffenden Fläche entwurzelt und geknickt worden seien, hätten die Anrainer um Beseitigung des Baumbestandes ersucht.

Dem Antrag war das Schreiben eines Nachbarn beigelegt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass "die nun einzeln stehen gebliebenen hohen Bäume" eine Gefahr für die Anrainer darstellten; es sei daher ersucht worden, "diese große Gefahrenquelle" so rasch wie möglich zu beseitigen.

Bei der von der BH am 9. Februar 1999 durchgeführten mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin die Stellungnahme eines Zivilingenieurs für Forst- und Holzwirtschaft vor. Darin wurde festgestellt, dass sich "nach wie vor (...) im unmittelbaren Bereich zur Siedlung hohe Bäume" befänden; bei vergleichbar schweren Stürmen (wie sie allerdings "nur ganz selten" auftreten würden) aus südlicher oder südöstlicher Richtung wäre der Siedlungsraum daher "extrem gefährdet". Da im Naturgeschehen grundsätzlich nichts auszuschließen sei, könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Gefährdung eintreten könnte.

Der forsttechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 9. Februar 1999 aus, im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde W. sei die gegenständliche Fläche als Freiland (Wald) und im Waldentwicklungsplan mit der Bewertung 2 3 2 ausgewiesen. Dies bedeute, dass der Wald eine hohe Wertigkeit hinsichtlich der Wohlfahrtswirkungen (Erneuerung und Verbesserung von Luft und Wasser) aufweise. Die gegenständliche Fläche liege auch im Wasserschutzgebiet verschiedener Gemeinden. Die Waldausstattung in der Katastralgemeinde betrage lediglich 13,93 %. Eine Verjüngung der gegenständlichen Fläche würde nicht nur stabiler aufwachsen; bei geeigneter Holzartenwahl würde auch die frühere Bestandshöhe nicht erreicht werden.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde W. sprach sich gegen die Erteilung einer Rodungsbewilligung aus. Das gegenständliche Grundstück sei sowohl in der überörtlichen Raumplanung als auch im örtlichen Flächenwidmungsplan und dem ÖKO-Katasterplan der Marktgemeinde W. als Waldfläche mit hoher Schutz- und Wohlfahrtsfunktion sowie als Biotop Nr. 10134 ausgewiesen. Gemäß § 6 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 (in der Folge: ForstG) sei das Vorhandensein solcher Wälder im erforderlichen Umfang und in der entsprechenden Beschaffenheit sicherzustellen. Die Katastralgemeinde L weise einen Waldanteil von lediglich 13,93 % auf; überdies liege das gegenständliche Grundstück im Wasserschongebiet. Es bestehe daher ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieses Waldes.

In einem ergänzenden Gutachten vom 15. Juli 1999 legte der Amtssachverständige dar, dass eine Gefährdung von Leib und Leben im Bereich angrenzender Parzellen durch die nachträgliche Räumung der labilen Restbestockung abgewendet worden sei. Nach der zu erfolgenden Wiederbewaldung könne eine derartige Gefährdung während der ersten Bestandsentwicklungsphasen insgesamt ausgeschlossen werden. In Kombination mit einer entsprechenden Baumartenwahl und von der Beschwerdeführerin nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchzuführenden Durchforstungs- und Pflegemaßnahmen sei im Verlauf eines durchschnittlichen Umtriebszeitraums keine höhere Gefährdungsdisposition erkennbar als bei Beständen mit ähnlichen Standortsbedingungen.

Am 13. Juli 1999 stellte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an den Landeshauptmann von Steiermark, der mit Bescheid vom 25. August 1999 abgewiesen wurde. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung wurde der abweisende Bescheid in weiterer Folge von der belangten Behörde behoben.

Im Zug des Ermittlungsverfahren holte auch der Landeshauptmann von Steiermark ein Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Rodungsfläche um eine Kahlfläche nach Schlägerung und Windwurf handle; Stockausschläge und Naturverjüngung seien auf zwei Drittel der Fläche zu beobachten. Es liege weder ein Schutzwald noch ein Bannwald im Sinn des Forstgesetzes vor. Der Fortbestand des Waldes zum Schutz gegen Naturereignisse sei zwar nicht notwendig, doch durch die Rodung unterliege der angrenzende Wald einer negativen Veränderung des Kleinklimas; es bestehe die Gefahr der Austrocknung. Durch die starke Besonnung und den Windeinfluss während der Sommermonate werde es zu starken Trockenschäden kommen. Zwar sei die gegenständliche Rodungsfläche durch einen starken Wirbelsturm im Sommer 1998 so geschädigt worden, dass die Restbestockung habe entfernt werden müssen; aus der Zeit vor dem Sommer 1998 seien bei den älteren Waldbeständen im Osten der Rodungsfläche aber keine Windwürfe festzustellen. Da extreme Elementarereignisse und Katastrophen bei der Beurteilung der Windgefährdung nicht einfließen könnten, bestehe offenbar keine Windgefährdung. Wegen der zu erwartenden negativen Auswirkungen, insbesondere wegen der hohen Bedeutung der gegenständlichen Waldfläche als Wohlfahrtswald im Sinn des § 6 ForstG, werde dem Rodungsvorhaben aus forsttechnischer Sicht nicht zugestimmt. Der im Rodungsantrag ausgewiesene Rodungszweck "Schutz für Leib und Leben" könne aus forsttechnischer Sicht schon deshalb nicht höherwertiger als der Erhalt des Waldes mit der Leitfunktion Wohlfahrt angesehen werden, weil die betreffende Fläche derzeit unbestockt bzw. naturverjüngt sei und eine Gefährdung somit momentan ausgeschlossen werden könne. Durch eine entsprechende Bewirtschaftung mit einer "Orientierung an der natürlichen Waldgesellschaft (Stieleichen, Hainbuche)" und einer entsprechenden Waldrandpflege am Nordrand der Rodefläche in Richtung der Bauflächen der "Waldgasse" mit im Anhang zum Forstgesetz angeführten Sträuchern könne eine zukünftige Gefährdung durch Wind und Schnee minimiert werden; Elementar- und Katastrophenereignisse müssten bei dieser Betrachtungsweise unberücksichtigt bleiben. Aus der geringen Waldausstattung und der Ausweisung als Wald mit der Leitfunktion Wohlfahrt im genehmigten Waldentwicklungsplan sei ein sehr hohes öffentliches Interesse für den Erhalt der gegenständlichen Fläche als Wald abzuleiten.

Mit Bescheid des Landeshauptmanns vom 30. März 2000 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Rodungsbewilligung abgewiesen. In der Begründung führte der Landeshauptmann aus, dass die Rodefläche derzeit unbestockt bzw. naturverjüngt mit einem maximal zwei Meter hohen Bewuchs sei, sodass eine Gefährdung der Bewohner der an die Rodefläche angrenzenden Grundstücke ausgeschlossen werden könne. Eine Rodung sei zum Schutz der Bewohner auch deshalb nicht erforderlich, weil eine Gefährdung durch Wind und Schnee durch eine entsprechende Bewirtschaftung mit einer Orientierung an der natürlichen Waldgesellschaft und einer entsprechenden Waldrandpflege in Richtung der betreffenden Bauflächen unterbunden werden könne. Die Marktgemeinde W. habe sich mit Rücksicht auf die überaus hohe Schutz- und Wohlfahrtsfunktion der gegenständlichen Waldfläche und die sehr geringe Waldausstattung ausdrücklich gegen die Erteilung einer Rodungsbewilligung ausgesprochen sowie auf das Bestehen eines überhaus hohen öffentlichen Interesses an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald hingewiesen. Auch die Anrainer hätten die Rodung der Waldfläche nicht gefordert. Da gegenwärtig kein Bewuchs vorhanden sei, der zu einer Gefährdung führen könnte, sei dem Rodungsvorhaben kein öffentliches Interesse der Gefahrenabwehr zuzumessen. Es gebe Bewirtschaftungsmöglichkeiten, die auch in Zukunft eine derartige Gefährdung ausschließen würden. Selbst wenn man das Vorliegen eines öffentlichen Interesses für das Rodungsvorhaben annehmen sollte, würde eine Interessenabwägung im Hinblick auf die überhaus hohe Bedeutung der gegenständlichen Waldfläche als Wohlfahrtswald vor allem auch wegen der geringen Waldausstattung zu Gunsten der Walderhaltung ausgehen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, dass ein Rodungsantrag deshalb gestellt worden sei, weil die Anrainer, nachdem bei einem orkanartigen Sturm nach starken tagelangen Niederschlägen 85 % des Waldbestandes auf der gegenständlichen Fläche entwurzelt und geknickt worden seien, Sorge vor einer weiteren Gefährdung von Leib und Leben durch den Baumbewuchs geäußert und um Entfernung der stehen gebliebenen Bäume ersucht hätten. Bei langanhaltenden Regenfällen komme es zu einer derartigen Wassersättigung und Erweichung des Bodens, dass bei entsprechend starken Stürmen die Gefahr einer neuerlichen Katastrophe bestehe. Da die Fläche derzeit unter Forstzwang stehe, könne die Gefährdung nicht durch die sofortige Entfernung aller Bäume aus dem Gefahrenbereich hintangehalten werden; nur durch die Befreiung vom Forstzwang könne daher immerwährender Schutz geboten werden. Die Behauptung, dass in Folge des momentan nicht vorhandenen Waldbewuchses keine Gefährdung bestehe, entspreche nicht den logischen Denkgrundsätzen. Da eine Wiederbewaldung zwingend vorgeschrieben werde, würde sich daher "früher oder später, je nach Bewirtschaftungsform (...) neuerlich die fiktive Gefährdung in eine konkrete Gefährdung" wandeln. Das öffentliche Interesse am Schutz des angrenzenden Siedlungsraums vor zukünftigen Extremereignissen sei erwiesen; daher müsse grundsätzlich auch eine Interessenabwägung durchgeführt werden. Da die nachweisliche Kenntnis von der Möglichkeit, dass sich ein Sturmereignis wie im Jahr 1998 wiederholen könnte, verschärfte Haftungsbedingungen nach sich ziehe, liege auch ein privates Interesse der Beschwerdeführerin vor. Im Einklang mit den Bestimmungen des Forstgesetz müssten leistungsfähige Sorten gepflanzt werden, damit auch ein entsprechender Ertrag gewährleistet sei. Die Anpflanzung von Sträuchern, die nur Pflegekosten nach sich zögen, aber keine Erträgnisse lieferten, hätte zur Folge, dass die Beschwerdeführerin negativ bilanzieren würde. Eine Gefahr der Austrocknung bestehe nicht; vielmehr sei im Osten des gegenständlichen Grundstücks sogar ein Wassergraben errichtet worden, da der gesamte Bereich in Folge der Einstauung des Murkraftwerkes G. unter Staunässe liege und die Keller der Häuser im angrenzenden Bereich unter Wasser stünden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der geltend gemachte Rodungszweck "Schutz für Leib und Leben der Anrainer" nicht gegeben sei. Die gegenständliche Fläche sei derzeit unbestockt bzw. naturverjüngt, eine Gefährdung könne somit gegenwärtig ausgeschlossen werden. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt des Windwurfs im Sommer 1998 als den für den Rodungsantrag entscheidungswesentlichen Zeitpunkt abstelle, müsse dem entgegengehalten werden, dass für die Entfernung der damals stehengebliebenen Bäume keine Rodungsbewilligung erforderlich sei und offensichtlich im Rahmen der Schadholzaufarbeitung auch eine Gesamtschlägerung der restlichen Bestockung erfolgt sei. Die Anrainer hätten in ihren Schreiben weder ausdrücklich noch interpretativ die Beschwerdeführerin zu einem Rodungsauftrag bzw. zum Freihalten der gegenständlichen Waldfläche von Bewuchs aufgefordert. Der forsttechnische Amtssachverständige habe darauf hingewiesen, dass auch künftig durch eine entsprechende Bewirtschaftung mit einer Orientierung an der natürlichen Waldgesellschaft und einer entsprechenden Waldrandpflege eine Gefährdung durch Wind und Schnee verhindert werden könne. Elementar- und Katastrophenereignisse wie im Sommer 1998 könnten weder prognostiziert noch im gegenständlichen Rodungsverfahren als wesentliches Entscheidungskriterien für eine dauernde Rodungsbewilligung herangezogen werden. Soweit die Beschwerdeführerin wirtschaftliche Aspekte einer ertragbringenden Waldbewirtschaftung ins Treffen führe, so seien diese zwar grundsätzlich zu befürworten; zur Begründung eines öffentlichen Interesses an einer Rodungsbewilligung seien sie jedoch nicht ausschlaggebend. Im Sinne des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung sei Waldboden als solcher zu erhalten und zu behandeln, sodass die Produktionskraft des Bodens erhalten und seine Wirkungen gesichert blieben. Ein die Rodung rechtfertigendes öffentliches Interesse im Sinn des Forstgesetzes liege daher nicht vor. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet, die Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen zu entkräften bzw. den Nachweis eines öffentlichen Interesses am geltend gemachten Rodungszweck zu erbringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 ForstG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 576/1987 lautet auszugsweise:

"Zur Gewährleistung der günstigen Wirkungen des Waldes im öffentlichen Interesse sind nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes folgende Grundsätze zu beachten:

a) Waldboden ist als solcher zu erhalten;

(...)"

§ 17 ForstG lautet auszugsweise:

"(1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(3) Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

(4) Bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

(5) (...)"

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, dass der Waldbestand im allgemeinen regional und österreichweit nicht in Gefahr sei, sondern sogar zunehme. Da es somit gegen die Rodung sprechende Gesichtspunkte in namhaftem Ausmaß nicht gebe, sei nicht einmal eine Abwägung zwischen für und gegen die Rodung sprechenden Gesichtspunkten erforderlich.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass § 12 lit. a ForstG ein grundsätzliches Interesse an der Walderhaltung normiert und § 17 leg. cit. eine Rodung nur dann erlaubt, wenn das öffentliche Interesse an der Rodung gegenüber dem Interesse an der Erhaltung der Fläche als Wald überwiegt.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass sie ihr Ansuchen um Rodungsbewilligung darauf gestützt habe, dass die Rodung im öffentlichen Interesse liege, weil bei einem neuerlichen Sturm Gefahr für die benachbarten Wohnhäuser und deren Benützer bestehe. Dazu habe die belangte Behörde keinerlei Feststellungen getroffen; sie habe auch (ebenso wie die Behörde erster Instanz) jede Auseinandersetzung mit der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgelegten fachkundigen Beurteilung eines Zivilingenieurs für Forst- und Holzwirtschaft unterlassen. Schon auf Grund dieser Beurteilung in Verbindung mit der Lebenserfahrung wäre aber bereits eine ausreichende Beweisgrundlage dafür gegeben gewesen, die angeführte Gefahrensituation in der von der Beschwerdeführerin dargestellten Form der Entscheidung zu Grunde zu legen. Die belangte Behörde sei auch auf das ausdrückliche Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass eine Gefährdung für eine örtliche Straße und einen örtlichen Forstweg bestehe, nicht eingegangen. Die belangte Behörde hätte auch feststellen müssen, in welchem zeitlichen Rahmen mit einem Baumbestand zu rechnen sei, der - allenfalls unter Bedachtnahme auf verschiedene Baumvarianten - bei einem entsprechenden Sturm ein "erhebliches/schweres/sehr schweres Gefahrenpotential" für den Siedlungsraum darstelle. Außerdem hätte festgestellt werden müssen, mit welcher Wahrscheinlichkeit mit einem derartigen Sturmereignis zu rechnen sei. Unter Berücksichtigung des im Gange befindlichen Klimawandels in Richtung höherer Temperaturen und größerer Wetterdynamik einschließlich stärkerer und häufigerer Stürme sei damit auch bei vorsichtiger Betrachtungsweise mindestens mit einer 10 %-igen Wahrscheinlichkeit in etwa zwanzig Jahren zu rechnen. Daraus hätte sich ergeben, dass bei einem neu beginnenden Baumwuchs eine Gefahrensituation je nach Baumart nach einem Zeitraum von zwanzig bis dreißig Jahren eintreten werde. Die fachwissenschaftliche Abschätzbarkeit des örtlichen Gefahrenpotentials sei nur innerhalb von Grenzen und mit einer beträchtlichen Brandbreite der Ungenauigkeit möglich. Die chaotische Natur des Wettergeschehens lasse genaue Berechnungen nicht zu. Dementsprechend werde in solchen Angelegenheiten in hohem Maße auf Erfahrung zurückgegriffen. Es müsse der Grundsatz gelten, dass selbst ein geringes Risiko nicht vertretbar sei. Inakzeptabel sei es, dass eine Gefahr ignoriert werde, deren Bestehen durch die Natur selbst bewiesen worden sei. Nach dem Ereignis des Jahres 1998 sei es nicht zu verantworten, den gegenständlichen Wald unmittelbar neben dem Siedlungsbereich aufrecht zu erhalten. Der Beschwerdeführerin würden Haftungen nach § 176 ForstG, § 364 ABGB und § 1319 ABGB drohen. Die gegenständliche Gefährdungsfrage sei somit nicht nur die Privatangelegenheit der Beschwerdeführerin und der Nachbarn; sie sei vielmehr auch von den öffentlichen Interessen erfasst, denn der Schutz der körperlichen Integrität von Menschen sei eines der wichtigsten öffentlichen Interessen.

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Die Abwehr der Gefährdung von Menschen und Eigentum ist zwar grundsätzlich geeignet, ein Rodungsinteresse im Sinn des § 17 ForstG zu begründen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. März 1995, Zl. 95/10/0115). Allerdings muss es sich um eine Gefährdung handeln, die sich aus besonderen, die zur Rodung beantragte Fläche betreffenden Umständen ergibt; eine bloß abstrakte, mit dem Bestehen von Wald schlechthin verbundene Gefährdung reicht dazu nicht aus. Aus dem Umstand, dass die gegenständliche Fläche im Sommer 1998 von einem besonders schweren Sturm betroffen war, kann nicht abgeleitet werden, dass sie in höherem Maß von derartigen Naturereignissen bedroht sei als andere Flächen. Auch mit allgemeinen Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Katastrophenereignissen vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, dass ein Waldbestand auf der gegenständlichen Fläche eine größere Gefährdung für Menschen und Sachen darstelle als Waldbestände auf beliebigen anderen Flächen. Die räumliche Nähe von Waldflächen zu Siedlungsgebieten allein schafft jedenfalls noch kein öffentliches Interesse an der Rodung.

Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Auffassung, dass für eine Entscheidung der gegenständlichen Art die "wirtschaftlich forstliche Gestaltung" Maßstab zu sein habe. Nach Größe und Lage des gegenständlichen Waldes bedeute dies die "Notwendigkeit der Pflanzung nach wachsenden Baumsorten", da andernfalls "ein betrieblicher Dauerverlust und Insolvenz die Folge sein müsste". Nach der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung werde der Beschwerdeführerin hingegen zugemutet, zunächst aufzuforsten und zu einem Zeitpunkt um Rodungsbewilligung anzusuchen, zu dem die Bäume zwar eine Höhe erreicht hätten, die im Fall eines entsprechenden Sturmes die Nachbarn gefährden würde, das Abholzen dann jedoch mit einer ökonomischen Waldnutzung nicht vereinbar sein könne.

Dieses Vorbringen beruht auf der Annahme, dass bei Erreichen einer bestimmten Höhe der Bäume die Rodung der gegenständlichen Fläche im öffentlichen Interesse der Abwehr der Gefährdung von Menschen und Sachen liege. Da es der Beschwerdeführerin jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht gelungen ist, das Vorliegen eines solchen Interesses darzutun, kommt auch diesem Vorbringen keine Berechtigung zu. Auch aus den von der Beschwerdeführerin angesprochenen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kann im Übrigen ein öffentliches Interesse im Sinn des § 17 ForstG nicht abgeleitet werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000100168.X00

Im RIS seit

03.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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